Das Geheimnis von Cloomber-Hall. Arthur Conan Doyle

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Das Geheimnis von Cloomber-Hall - Arthur Conan Doyle

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Die Kluft, die zwischen Ihnen und denen besteht, in deren Adern das Blut der Heatherstones fließt, kann nie überbrückt werden.«

      Sein Ärger war jetzt gänzlich verschwunden und hatte einem leichten Anflug von Spott Platz gemacht.

      Mein Familienstolz regte sich bei diesen Worten.

      »Die Kluft ist vielleicht nicht so weit, wie Sie sich einbilden,« sagte ich kalt. »Wir sind keine Klutentrampler, wenn wir auch in dieser abgelegenen Gegend leben. Ich bin väterlicherseits von adliger Abkunft, und meine Mutter war eine geborene von Buchenau. Ich kann Ihnen versichern, daß die Ungleichheit zwischen uns nicht so groß ist, wie Sie anzunehmen scheinen.« –

      »Sie mißverstehen mich,« antwortete der General. »Der Vergleich würde schon zu Ihren Gunsten ausfallen. Es gibt aber gewisse Gründe, derentwegen Gabriele ledig leben und sterben muß. Es würde Ihnen nicht zum Vorteil gereichen, sie zu heiraten.«

      »Aber, mein Herr,« widersprach ich ihm, »ich kann doch sicher selbst am besten über meine Interessen und Vorteile entscheiden. Wenn Sie diesen Standpunkt einnehmen, wird die Sache schon leichter; denn ich schwöre Ihnen, das einzige Interesse, das mir am Herzen liegt, ist, daß ich meine Geliebte heimführen möchte. Wenn das Ihr einziger Einwand gegen unsere Verbindung ist, können Sie uns getrost Ihre Einwilligung geben. Die etwaigen Gefahren, welche ich durch meine Heirat mit Gabriele auf mich herabbeschwöre, machen mir verzweifelt wenig aus.«

      »Nun sieh mal einer den jungen Kampfhahn an!« rief der General aus, über meinen Eifer lächelnd. »Es ist leicht, einer Gefahr zu trotzen, wenn man nicht weiß, worin sie besteht!«

      »Worin besteht sie denn?« fragte ich erregt. »Keine Gefahr auf Erden wird mich von Gabrieles Seite vertreiben. Sagen Sie mir, worin sie besteht, und prüfen Sie mich!«

      »Nein, das wird niemals möglich sein,« seufzte er, und nachdenklich, wie im Selbstgespräch, fuhr er fort: »Er hat viel Mut und ist auch ein kräftiger Kerl. Wir könnten ihn am Ende gut gebrauchen.«

      Er murmelte eine Zeitlang so vor sich hin, mit seinen Augen ins Leere starrend, als ob er meine Anwesenheit vergessen hätte.

      »Sehen Sie mal her, West!« sagte er plötzlich. »Sie werden es mir nicht übelnehmen, daß ich Sie vorhin etwas barsch anfuhr. Es ist das zweitemal, daß ich für dasselbe Vergehen Abbitte leisten muß. Es soll auch nicht wieder vorkommen. Ich bin zweifelsohne etwas überängstlich in meinem Wunsche nach vollkommener Einsamkeit, aber ich habe meine guten Gründe, darauf zu bestehen. Ich habe nun eine Ahnung – ob begründet oder nicht, ist gleichgültig –, daß hier eines Tages eine organisierte Razzia auf mein Eigentum stattfinden wird. Wenn nun etwas derartiges vorkommen sollte, kann ich auf Ihre Hilfe rechnen?«

      »Von ganzem Herzen!«

      »Wenn Sie also jemals eine Botschaft bekämen, wie zum Beispiel: ›Komm!‹ oder auch nur ›Cloomber!‹ so würden Sie wissen, daß es ein Hilferuf ist, und sofort zu uns eilen, mitten in der Nacht, wenn nötig?«

      »Auf jeden Fall!« antwortete ich. »Aber darf ich fragen, worin diese fürchterliche Gefahr denn eigentlich besteht?«

      »Es würde Ihnen nichts nützen, wenn Sie es auch wüßten. Sie würden es kaum verstehen, wenn ich es Ihnen auch verriete. Ich muß Ihnen jetzt Adieu sagen; ich habe mich sowieso schon zu lange aufgehalten. Vergessen Sie nicht: wir rechnen jetzt auf Sie als ein Mitglied der Garnison von Cloomber!«

      »Noch eins,« sagte ich eilig, denn er wandte sich schon ab. »Hoffentlich zürnen Sie Ihrer Tochter nicht. Sie hat nur meinetwegen Ihnen gegenüber ein Geheimnis aus unserem Verhältnis gemacht.«

      »Schon gut!« meinte er, mit seinem kalten rätselhaften Lächeln. »Ich bin nicht solch ein Oger im Schoße meiner Familie, wie Sie anzunehmen scheinen. Was diese Heirat anbelangt, rate ich Ihnen als Ihr Freund, die ganze Geschichte fallen zu lassen. Sollte das aber unmöglich sein, so muß ich darauf bestehen, daß die Sache vorläufig ganz ruhen bleibt. Man kann im voraus nicht sagen, wie sich die Ereignisse entwickeln werden. Adieu!«

      Er schlug sich seitwärts in die Büsche und war bald hinter dem Gestrüpp verschwunden.

      So endete dieses sonderbare Gespräch, in welchem mir der seltsame Mensch zuerst eine Pistole auf die Brust gesetzt und mich am Ende als eventuellen Schwiegersohn anerkannt hatte.

      Ich wußte selbst kaum, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Es war wahrscheinlich, daß er unsere bisherigen häufigeren Zusammenkünfte verhindern würde, indem er seine Tochter in strengerem Gewahrsam hielt. Demgegenüber hatte ich indes seine Zustimmung, meine Bewerbung später erneuern zu dürfen. Als ich darum nachdenklich nach Hause ging, kam ich zu dem Schluß, daß sich im großen und ganzen meine Lage durch den Zwischenfall verbessert hatte.

      Aber diese Gefahr – diese nebelhafte, unaussprechliche Gefahr –, die bei jeder Wendung aufzutauchen schien und Tag und Nacht die Türme von Cloomber umwölkte! Wie sehr ich mir auch den Kopf darüber zerbrach, alle Lösungen des Rätsels, die ich versuchte schienen kindisch und unzureichend. Einzig eine Tatsache kam mir bedeutsam vor. Beide, Vater und Sohn, hatten mir versichert, daß ich die Gefahr nicht begreifen würde, wenn ich auch erführe, worin sie bestehe. Wie fremdartig und bizarr muß eine Furcht sein, der man kaum in verständlicher Sprache Ausdruck geben kann! Ich erhob meine Hand in der Dunkelheit, ehe ich einschlief, und schwur, daß keine Menschen- und Teufelsmacht meine Liebe für das Mädchen wandeln sollte, dessen reines Herz mir zu gewinnen ich das Glück gehabt hatte.

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