Kärntner Totenmesse. Roland Zingerle

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Kärntner Totenmesse - Roland Zingerle Wörthersee Krimi

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auf sich.

      „Frau Doktor Moritsch ist zweiundsiebzig Jahre alt, was heutzutage ja beileibe kein Alter mehr ist, nur leider hat es die Natur nicht gut mit ihr gemeint.“ Der Anwalt machte eine Pause, während der er seinen Händen dabei zusah, wie sie sich gegenseitig kneteten. „Ich weiß nicht, ob Sie sie kennen, sie war ja lange Jahre eine höchst erfolgreiche Kärntner Landesrätin mit mehrmals wechselnden Referaten.“

      Jetzt, da er es erwähnte, erinnerte Heinz sich tatsächlich. Liese Moritsch – den Namen hatte er in seiner Kindheit immer wieder in den Radionachrichten gehört, ohne dass er gewusst hatte, wer sie genau war oder was sie tat. Dennoch hatte er sich diesen Namen besser gemerkt, als er sich heute die der gegenwärtigen Landespolitiker merkte. Das mochte daran liegen, dass für ihn als Kind eine Amtszeit von mehreren Jahren unendlich lang erschienen war, während er heute oft glaubte, die Volksvertreter würden sich die Klinken zu den Büros der Macht im Wochentakt gegenseitig in die Hand drücken.

      „Wie auch immer“, fuhr Doktor Werginz fort, „seit sie in der Polit-Pension ist, haben ihre Geisteskräfte, sagen wir einmal, nachgelassen.“ Er sah Heinz an, als hoffte er, dieser würde ihn verstehen, ohne dass er deutlicher werden musste.

      „Sie meinen, sie ist ...“

      „Dement“, zischte der Anwalt leise.

      Heinz nickte.

      Werginz blickte wieder auf seine Handbewegungen, als müsste er sich sammeln, ehe er fortfuhr: „Sie müssen wissen, dass ich seit vielen, vielen Jahren ihr Weggefährte bin. Ich habe schon in ihren politisch besten Zeiten ihre rechtlichen Agenden vertreten, und das war kein leichtes Brot, das dürfen Sie mir glauben.“ An dieser Stelle schlich sich ein lachender Unterton in seine Ausführungen, der aber sofort wieder verschwand. „Was ich sagen will, ist, dass mir ihr mittlerweile immens schlechter Zustand durchaus nahegeht. Und jetzt wird auch noch ihr Sohn ermordet, und sie versucht, diese Tatsache irgendwie in ihr Leben zu integrieren, zumindest in ihren hellen Momenten.“

      Heinz fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Moritsch ... es gab doch auch aktuell einen Landesrat dieses Namens ... meinte der Anwalt etwa ihn? Und wann war der ermordet worden?

      Doktor Werginz sah Heinz mit einem Ausdruck völliger Fassungslosigkeit an. „Herr Sablatnig ... Sie wissen gar nichts davon, habe ich recht? Mein Gott!“

      Für einen Moment schien es Heinz, als wollte der Rechtsanwalt aufstehen und schweigend davongehen. Stattdessen sank sein Kopf mit einem hoffnungslosen Schnauben zwischen seine Schultern. Als er sich wieder gefasst hatte, legte er den Kopf schief und blickte Heinz hart an. „Herr Sablatnig, ich habe Sie Frau Doktor Moritsch empfohlen, weil ich davon ausgegangen bin, dass Sie der beste Privatermittler sind, den wir in Kärnten haben. Sie haben die Frenzen befreit und ihren Kidnapper überführt, beides unter Lebensgefahr, wenn ich mich recht erinnere. Sollte ich mich in Ihnen getäuscht haben? Ich meine, Sie kennen ja nicht einmal die Schlagzeile des Tages, wie sollen Sie da ...“ Als er bemerkte, dass er laut geworden war, ließ er den Satz unvollendet im Raum stehen. Sein harter Blick haftete weiterhin auf Heinz, offensichtlich wollte er eine Antwort hören.

      Heinz konnte ihm keine geben. „Wissen Sie“, seine Worte kamen zögerlich, vor allem, da er schon wieder den Namen seines Gegenübers vergessen hatte, „bis jetzt weiß ich ja noch nicht einmal, worum es überhaupt geht. Ich habe heute länger geschlafen, Ihr Anruf hat mich aufgeweckt. Ich habe geduscht und gefrühstückt, dann bin ich hierhergefahren. Wenn Sie von mir erwarten, dass ich schon mit der halben Lösung zu unserem ersten Treffen komme, dann, fürchte ich, erwarten Sie etwas zu viel.“

      Auch wenn Doktor Werginz es sich nicht anmerken lassen wollte, erschien ihm die Antwort schlüssig, Heinz konnte es in seinen Augen sehen. Dennoch behielt er seinen Blick noch mehrere Sekunden lang bei. Das mochte bei Befragungen vor Gericht durchaus Wirkung haben, Heinz ermüdete es nur.

      „Gut“, meinte der Rechtsanwalt schließlich spitz, „gut, wir werden sehen. Frau Doktor Moritsch erwartet uns im Garten. Bitte haben Sie so viel Respekt und üben Nachsicht, wenn sie plötzlich das Thema wechselt.“ Er stand abrupt auf und ging voraus.

      Heinz spürte, wie die Kraft von ihm abfiel. Diese Schmähung und der Zweifel an seinem Taktgefühl machten ihm zu schaffen, ebenso die Weigerung, ihn ins Bild zu setzen. Warum, zum Teufel, sagte der Rechtsvertreter nicht einfach, was es mit der Ermordung von Frau Doktor Moritschs Sohn auf sich hatte, wenn er Heinz deswegen hergebeten hatte? Nein, Heinz hatte echt keinen Bock auf diesen Auftrag!

      Die noble Ausstattung der Innenräume setzte sich auf der Gartenterrasse fort. Die Sitzbereiche aus Steinpflaster wurden von kleinen Grünflächen unterbrochen, auf denen weiße Pavillons inmitten von Blumen und kugelig geschnittenen Büschen standen. In der Mitte der Terrasse, die sich über die gesamte Breite des Gebäudes erstreckte, plätscherte ein dreistöckiger, etwa zweieinhalb Meter hoher Brunnen, dessen weißer Stein vollständig mit Zierreliefs bedeckt war. Die Sitzgarnituren aus schwerem, altweiß lackiertem Gusseisen bestanden aus großen Tischen und jeweils vier stabilen Stühlen. Die runden Tischplatten waren ein Stückwerk aus konzentrischen Blüten- und Streifenmotiven mit relativ großen Zwischenräumen, auf den Sitzflächen der Stühle lagen taubengraue Sitzpolster.

      Liese Moritsch wirkte klein und gebückt, wie sie da auf ihrem Stuhl saß und aus einer Kaffeetasse trank, die Untertasse in der anderen Hand. Heinz erkannte in ihren Gesichtszügen jene der starken Politikerin wieder, die in seinen Kindestagen selbstbewusst von diversen Wahlplakaten herabgelächelt hatte, doch sie wirkten nicht mehr wie die körperliche Ausformung eines starken Charakters, sondern wie eine im Laufe der Jahre geformte Maske.

      Neben ihr am Tisch saß ein alter Mann mit schütteren, grauen Haaren und abstehenden Ohren.

      Doktor Werginz eilte zu Frau Moritsch und stellte sich so hin, dass sie auf ihn aufmerksam werden musste. „Frau Doktor“, sagte er laut, mit übertriebener Freude in der Stimme, „haben Sie schon auf uns gewartet?“

      Die alte Frau hob langsam den Kopf und musterte den Anwalt. „Herbert“, sagte sie, „was gibt es Neues von der Causa Sankt Magdalen?“ Ihre Stimme klang fest aber brüchig.

      Werginz ignorierte ihre Worte. „Darf ich Ihnen Herrn Sablatnig vorstellen?“ Er deutete auf Heinz und gestikulierte diesem, er solle nähertreten.

      Heinz gehorchte, und die ehemalige Politikerin musterte nun auch ihn. Ihr Blick war leer.

      „Wir haben Herrn Sablatnig engagiert, um den Mord aufzuklären, erinnern Sie sich?“, fuhr der Anwalt fort.

      Heinz kam es etwas seltsam vor, dass er und Frau Moritsch offenbar noch immer per Sie waren, obwohl sie, wie er erzählt hatte, viele Jahre lang zusammengearbeitet hatten.

      „Den Mord ...“, wiederholte die alte Frau, und mit einem Mal füllte sich ihr Blick mit Leben – und mit tiefem Schmerz. Eine wellenartige Bewegung ging durch ihren hageren Körper, doch nur kurz, dann setzte sie Kaffee- und Untertasse am Tisch ab, richtete sich auf und sagte betont förmlich: „Doktor Werginz, ich möchte Ihnen meine Tischgesellschaft vorstellen, Herrn Diplomkaufmann Sorger, Gründer und Mehrheitseigentümer der Immobilien-Investmentgruppe Immosorg.“

      Der Anwalt reichte dem alten Mann höflich die Hand.

      „Herr Diplomkaufmann“, fuhr die alte Dame mit der Vorstellung fort, „Herr Doktor Werginz, mein Rechtsvertreter und seine Begleitung, Herr ...“ Sie sah Heinz auffordernd an, doch Doktor Werginz war schneller:

      „Sablatnig, Heinz Sablatnig, Kärntens erfolgreichster privater Ermittler.“

      Frau

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