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hat Jenny nur ansatzweise«, erinnerte er sich an ihre wohlklingenden, aber wenig verlässlichen Worte. »Und wenn ein Notruf eingeht, hat sie sie leider genauso schnell wieder vergessen.« Er tat es Daniel nach und hob sein Glas, um einen weiteren Schluck von dem angenehm kühlen Weißwein zu trinken.

      Im Normalfall sprach Roman Kürschner nicht mit Außenstehenden über seine Beziehung und schon gar nicht über die Probleme, die er damit hatte. Doch an diesem Abend war alles anders. Jenny hatte ihn schwer verletzt, und der Alkohol tat ein Übriges, um ihn gesprächig werden zu lassen.

      »Ich weiß wirklich nicht, wie das mit uns weitergehen soll«, fuhr er mit Grabesstimme fort.

      »War Jenny denn schon immer so?«, erkundigte sich Daniel sichtlich schockiert.

      Er hatte das Paar stets als harmonisch und liebevoll wahrgenommen und nicht mit diesen Differenzen gerechnet.

      Nachdenklich wiegte Roman den Kopf.

      »Wahrscheinlich liegt der Fehler auch auf meiner Seite«, gestand er betroffen und durchaus selbstkritisch. »Anfangs hat mir ihre Unnahbarkeit nämlich gefallen. Der Jäger im Manne und so weiter …« , er winkte ab und lächelte grimmig, »…ihr kennt die Sprüche ja. Als ich dann mit Jenny zusammengekommen bin, habe ich ihr viel Liebe gegeben. Ich dachte, sie könnte von mir lernen. Eine Weile ging das auch gut, es war sehr schön und harmonisch. Aber in letzter Zeit habe ich immer mehr das Gefühl, dass sie mich nicht mehr wirklich an sich ranlässt. Statt uns immer näher zu kommen, zieht sie sich wieder zurück. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass etwas zwischen uns wächst. Dabei verstehe ich einfach nicht, warum.« Roman warf einen weiteren, langen Blick in sein Weinglas, während er über seine schwierige Beziehung zu Jenny nachdachte. Dann schien er eine Entscheidung getroffen zu haben. Er leerte das Glas in einem letzten, tiefen Zug, stellte es auf den Tisch und stand auf. »Mal sehen, wie lange ich es noch aushalte«, sagte er zu Daniel und Fee. »Aber wenn Jenny mich nicht langsam wichtiger nimmt, kann ich für nichts mehr garantieren.« Er nickte dem Arztehepaar zu und ging zur Tür. Dort angekommen, drehte er sich noch einmal um. »Danke für alles.« Damit verschwand der Architekt endgültig.

      Als die Haustür ins Schloss fiel, fuhr Fee aus ihren Gedanken hoch.

      »O je, das klingt aber gar nicht gut«, seufzte sie bekümmert. »Du hast recht! Eine ungestörte Auszeit wird den beiden gut tun und vielleicht sogar ihre Beziehung retten. Ich finde deine Idee, den beiden den Gutschein zu schenken, perfekt.« Ihre Augen suchten den Blick ihres Mannes. »Das war es doch, woran du vorhin gedacht hast«, hakte sie vorsichtshalber nach.

      Daniel lächelte innig und stand auf.

      »Ein Glück, dass du den Hotelgutschein erst jetzt erwähnst. Deine Fähigkeit, meine Gedanken zu lesen, hätte das Fass zum Überlaufen und Roman zur Verzweiflung gebracht.« Er beugte sich über seine Frau und küsste sie innig.

      Und Fee küsste ihn wieder, während sie an ihre Freundin dachte, die ihr großes Glück so leichtfertig aufs Spiel setzte.

      »Am besten bring ich ihr den Gutschein gleich morgen früh vorbei. Dann könnten die beiden gleich nach Dienstschluss morgen ins Wochenende starten«, sagte sie nachdenklich, nachdem sie sich voneinander gelöst hatten. »Es muss schnell etwas passieren.«

      *

      »Für einen allein ist meine Wohnung eigentlich viel zu groß.« Mit entschuldigendem Lächeln drehte sich Dr. Mario Cornelius in seinem Wohnzimmer um die eigene Achse.

      Marianne Hasselts Augen folgten der Bewegung des Kinderarztes, den sie vor einer Weile in der Behnisch-Klinik kennengelernt hatte.

      Nach einer Schlägerei war ihr fast erwachsener Sohn Tobias dort eingeliefert worden. Doch erst als sie selbst wegen einer hartnäckigen Virus-Infektion in die Klinik musste, war sie Mario Cornelius wiederbegegnet, und die beiden hatten ihr Interesse füreinander entdeckt.

      Mario, der des Alleinseins überdrüssig war, hatte die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und Marianne zu sich zum Essen eingeladen. Zuerst hatte sie gezögert. Immerhin war der Kinderarzt zehn Jahre jünger als sie. Doch schließlich hatte sie ihre Bedenken über Bord geworfen, und nun war Marianne hier in seiner Wohnung.

      »Ich finde es toll hier«, erklärte sie so unbefangen, wie es ihr in der Gegenwart dieses beeindruckenden Mannes möglich war. »Für einen Mann hast du einen erstaunlich guten Geschmack!« Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie auch schon die Hand voller Schreck vor den Mund schlug. »Tut mir leid, ich wollte nicht überheblich klingen … Gegen diese Wohnung ist meine ein kleines, düsteres Mauseloch.«

      Mario lachte über diese unbedachte Bemerkung.

      »Das wiederum kann ich mir gar nicht vorstellen«, erwiderte er und führte sie an den stilvoll gedeckten Tisch. In diesem Moment nahm er sich vor, dass Marianne nie erfahren sollte, dass seine Schwester ihn in Einrichtungsfragen und auch beim Tischdecken beraten hatte. Mariannes offensichtliche Bewunderung war Balsam für seine Seele. »Tatjana hat mir verraten, was für ein gestalterisches Talent du hast.«

      Schlagartig fingen Mariannes Wangen an zu glühen.

      »Ach, die gute Jana übertreibt mal wieder schamlos«, winkte sie peinlich berührt ab und ließ ihren fachmännischen Blick über den satinierten Glastisch gleiten, der auf Holzbeinen stand. Die echten Efeuzweige machten sich gut zwischen weißem Porzellan und polierten Weingläsern und lockerten das Ensemble genauso auf wie die weißen Kerzen in originellen Holzständern. »Und so perfekt wie du bin ich noch lange nicht.«

      »Das werden wir ja sehen, wenn der Bäckereiumbau erst fertig ist und du bei der Innenausstattung Hand angelegt hast«, zwinkerte Mario der Konditorin zu. »Und jetzt muss ich mir kurz entschuldigen. Ich werde in der Küche erwartet. Darf ich dir inzwischen was zu trinken anbieten? Einen Hugo? Oder lieber Aperol Spritz?«

      »Einen Aperol Spritz. Und nur, wenn ich mir die Fotos da drüben ansehen darf.« Auf einem antiken Sekretär hatte Marianne eine Reihe von Bilderrahmen entdeckt, die ihre Aufmerksamkeit erregten.

      »Du hast Glück. Wenn du dich für Hugo entschieden hättest, wäre nichts draus geworden«, scherzte der Kinderarzt ausgelassen. Ihm gefiel der unbeschwerte Ton der älteren Marianne, der nichts von ihrer inneren Anspannung verriet. »So aber habe ich natürlich nichts dagegen. Spritz ist nämlich auch mein Lieblings-Aperitif. Er erinnert mich immer an laue Sommerabende in Italien«, lächelte er, erfreut darüber, eine Gemeinsamkeit entdeckt zu haben. »Dann viel Spaß mit den Fotos.«

      Marianne sah ihrem Gastgeber nach, wie er mit elastischen Schritten durchs Wohnzimmer ging und in der Küche verschwand, die durch eine Schiebetür aus Glas vom übrigen Wohnraum getrennt war. Während sie Eiswürfel klirren und einen Korken ploppen hörte, machte sie ihr Vorhaben wahr und wanderte hinüber zum Sekretär. Viele Fotos in Silberrahmen waren dort aufgereiht. Besonders eines versetzte ihr einen eifersüchtigen Stich.

      Sie war so vertieft in den Anblick der schönen, jungen Frau in Marios Armen, dass sie nicht bemerkte, wie er hinter sie trat.

      »Auf einen schönen Abend!«, raunte er dicht an ihrem Ohr, und um ein Haar wäre Marianne in Ohnmacht gefallen.

      Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um und lächelte ihn an.

      »Den habe ich schon jetzt.« Ihre Stimme war ein wenig heiser, und als Mario sie ansah, rann ihm ein Schauer über den Rücken. Daran waren ihre dunkelgrauen Katzenaugen nicht unschuldig, die unter den widerspenstigen Locken hervorblitzten. Ihre Blicke verfingen sich ineinander, und bevor Mario auf dumme Gedanken kommen konnte,

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