Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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ein Op­fer sei­nes in­ni­gen Ge­fühls­le­bens, von sei­nen Töch­tern und Schwie­ger­söh­nen ver­las­sen, ge­stor­ben war. Da be­schloß Ras­ti­gnac, der gan­zen Welt zu spot­ten und ihr im Ge­wand der Tu­gend und Red­lich­keit den Fuß auf den Na­cken zu set­zen. Der jun­ge Edel­mann hat­te sich von Kopf bis zu Fuß mit Ego­is­mus ge­wapp­net. Als er nun Nu­cin­gen in glei­cher Rüs­tung sah, ach­te­te er ihn ge­ra­de so, wie ein mit­tel­al­ter­li­cher Rit­ter beim Tur­nier den eben­bür­ti­gen Geg­ner ach­tet. Eine Zeit­lang al­ler­dings ver­weich­lich­te er in den Ar­men der Lie­be. Die Freund­schaft ei­ner Frau, wie die Baro­nin von Nu­cin­gen, kann einen jun­gen Mann wohl ver­an­las­sen, dem Ego­is­mus ab­zu­schwö­ren. Nach­dem Del­phi­ne in ih­rer ers­ten Lie­be, die sie dem se­li­gen von Mar­say ge­weiht, be­tro­gen wor­den war, muß­te sie na­tür­lich dem jun­gen rein­her­zi­gen Pro­vinz­ler Ras­ti­gnac eine gren­zen­lo­se Hin­ga­be ent­ge­gen­brin­gen. Die­se Zärt­lich­keit rühr­te Ras­ti­gnac. Als Nu­cin­gen dem Freun­de sei­ner Frau das Zaum­zeug über­ge­streift, das je­der Aus­beu­ter sei­nem Op­fer an­legt, was üb­ri­gens ge­nau zur sel­ben Zeit ge­sch­ah, als er sei­ne drit­te Li­qui­da­ti­on ins Auge faß­te, be­kann­te er ihm sei­ne Lage, in­dem er ihn dar­auf hin­wies, daß er, ge­wis­ser­ma­ßen als Ent­gelt für sei­ne Ver­trau­lich­kei­ten, die Rol­le des Ge­nos­sen zu über­neh­men habe. Der Baron hielt es für ge­fähr­lich, sei­nen ehe­li­chen Mit­ar­bei­ter in sei­nen Plan ein­zu­wei­hen. Ras­ti­gnac glaub­te an ein Un­glück, und der Baron gönn­te ihm den Glau­ben, daß er das Schiff noch ret­ten kön­ne. Doch wenn ein Strang so vie­le Fä­den hat, gibt es leicht Kno­ten. Ras­ti­gnac zit­ter­te für Del­phi­nes Ver­mö­gen; er setz­te ver­trags­mä­ßig eine Gü­ter­tren­nung zwi­schen den Ehe­leu­ten fest und nahm sich sel­ber vor, sei­ne Rech­nung mit der Baro­nin durch Ver­drei­fa­chung ih­res Ver­mö­gens ins rei­ne zu brin­gen. Da Eu­gen für sich sel­ber nichts ver­lang­te, be­wog ihn Nu­cin­gen dazu, im Fal­le ei­nes vol­len Er­fol­ges, fünf­und­zwan­zig An­teil­schei­ne der Blei­gru­ben, de­ren je­der auf tau­send Fran­ken lau­te­te, an­zu­neh­men. Um ihn nicht zu be­lei­di­gen, sag­te Ras­ti­gnac zu. Ei­nen Tag, ehe un­ser Freund Mal­vi­na an­ge­ra­ten, sich zu ver­hei­ra­ten, war er von Nu­cin­gen für sei­ne Zwe­cke zu­ge­rich­tet wor­den. Beim Ge­dan­ken an die hun­dert glück­li­chen Fa­mi­li­en, die da ah­nungs­los ihre Tage leb­ten, die Go­de­fro­id von Beau­den­ord, die d’Ald­rig­ger, die d’Ai­gle­mont usw., wur­de Ras­ti­gnac von ei­nem Schau­er er­grif­fen, wie er wohl einen jun­gen Ge­ne­ral be­fal­len mag, der vor ei­ner ent­schei­den­den Schlacht zum ers­ten­mal ein Heer vor Au­gen sieht. Die arme klei­ne Isau­re und Go­de­fro­id in ih­rem Lie­bes­s­piel – wa­ren sie nicht wie Acis und Gala­thea un­ter dem Fels­block, den der plum­pe Po­ly­phem auf sie her­ab­schleu­dern wür­de? …«

      »So ein Kerl, der Bi­xiou,« sag­te Blon­det, »er hat bei­na­he Ta­lent.«

      »So, fa­se­le ich also nicht mehr?« sag­te Bi­xiou und blick­te sein Au­di­to­ri­um tri­um­phie­rend an. »Seit zwei Mo­na­ten«, fuhr er nach die­ser Un­ter­bre­chung fort, »über­ließ sich Go­de­fro­id all den klei­nen Freu­den ei­nes bal­di­gen Ehe­man­nes. Sol­che Leu­te sind wie Vö­gel im Lenz, die kom­men und ge­hen, Stroh­hal­me sam­meln, sie im Schna­bel fort­tra­gen und ihr Nest, die Heim­stät­te ih­rer Eier, flech­ten. Der Zu­künf­ti­ge Isau­res hat­te in der Rue de la Plan­che für tau­send Ta­ler ein klei­nes Haus ge­mie­tet, ein ge­müt­li­ches klei­nes Haus, das er alle Tage auf­such­te, um den Ar­bei­tern zu­zu­schau­en und die Far­ben des An­strichs an­zu­ge­ben. Er such­te hier das ein­zig Gute, was aus Eng­land kommt, die wah­re Be­hag­lich­keit, hei­misch zu ma­chen. Es gab einen Hei­z­ap­pa­rat, der dem gan­zen Hau­se eine gleich­mä­ßi­ge Tem­pe­ra­tur mit­teil­te, vor­nehm hüb­sche Mö­bel ohne auf­dring­li­che Ele­ganz, wohl­tu­end fri­sche und zar­te Far­ben, an al­len Fens­tern dop­pel­te Vor­hän­ge, Sil­ber­zeug und neu­es Fuhr­werk. Er hat­te den Stall, die Sat­tel­kam­mer, die Re­mi­sen bau­en las­sen, wo Toby, Joby, Pad­dy wie ein los­ge­las­se­nes Fül­len her­um­sprang und glück­lich schi­en, zu wis­sen, daß es von nun ab im Hau­se Frau­en und so­gar eine ›La­dy‹ ge­ben soll­te. Wie herz­er­freu­end ist der Ei­fer so ei­nes Haus­stands­be­grün­ders, der Uhren und Kunst­ge­gen­stän­de ein­kauft, mit den Ta­schen voll Stoff­pro­ben bei sei­ner Zu­künf­ti­gen er­scheint, sie be­treffs der Schlaf­zim­mer­ein­rich­tung um Rat fragt; der, wenn er kommt und geht, aus Lie­be kommt und geht – wie herz­er­freu­end, sage ich, ist so ein Mann für sei­ne Mit­menschen, vor al­lem für die Lie­fe­ran­ten. Und da der Welt nichts bes­ser ge­fällt, als die Hei­rat ei­nes hüb­schen jun­gen Man­nes von sie­ben­und­zwan­zig Jah­ren mit ei­nem rei­zen­den jun­gen Mäd­chen von zwan­zig, be­schloß Go­de­fro­id, dem das Braut­ge­schenk Kopf­zer­bre­chen mach­te, Ras­ti­gnac nebst Frau von Nu­cin­gen zum Früh­stück zu la­den, um sie in die­ser wich­ti­gen An­ge­le­gen­heit um Rat zu bit­ten. Er hat­te die groß­ar­ti­ge Idee, auch sei­nen Vet­ter d’Ai­gle­mont und Ge­mah­lin so­wie Frau von Séri­zy zu la­den. Die Da­men von Welt ha­ben es gern, ge­le­gent­lich ein­mal bei ei­nem Jung­ge­sel­len vor­zu­spre­chen – zu früh­stücken.«

      »Ja, auch die großen Mäd­chen ge­hen gern ein­mal hin­ter die Schu­le,« sag­te Blon­det. »Es galt also, Rue de la Plan­che, das klei­ne Heim der zu­künf­ti­gen Gat­ten in Au­gen­schein zu neh­men,« fuhr Bi­xiou fort. »Die Frau­en lie­ben sol­che klei­nen Be­su­che, wie die Men­schen­fres­ser fri­sches Fleisch; sie er­göt­zen sich an die­ser jun­gen Freu­de, die noch nicht am Ge­nus­se welk­te. Die Ta­fel war in dem klei­nen Sa­lon ge­deckt, der für die­se Be­er­di­gung des Jung­ge­sel­len­tums ge­schmückt war wie ein Pferd für einen Prunk­zug. Das Früh­stück war in ei­ner Aus­wahl be­stellt, die alle die net­ten klei­nen Din­ge auf­wies, wel­che die Frau­en des Vor­mit­tags zu bei­ßen und zu knab­bern lie­ben. ›Und warum ganz al­lein?‹ frag­te Go­de­fro­id, als er Ras­ti­gnac be­grüß­te. ›Frau von Nu­cin­gen hat Kum­mer, ich wer­de dir al­les er­zäh­len,‹ er­wi­der­te Ras­ti­gnac, der ver­drieß­lich drein­blick­te. ›Habt ihr Streit?‹ rief Go­de­fro­id. ›Nein,‹ sag­te Ras­ti­gnac. Als um vier Uhr die Da­men ins Bois de Bou­lo­gne enteilt wa­ren, blieb Ras­ti­gnac im Sa­lon sit­zen und blick­te me­lan­cho­lisch durchs Fens­ter auf Toby, Joby, Pad­dy, der stolz vor dem am Til­bu­ry an­ge­schirr­ten Pfer­de stand und mit ge­kreuz­ten Ar­men tief­sin­nig dreinsah wie Na­po­le­on; er konn­te das Pferd nur ver­mit­telst sei­ner schril­len Stim­me im Zau­me hal­ten; das Pferd aber fürch­te­te Joby, Toby. ›Nun, was ist dir, mein Lie­ber?‹ sag­te Go­de­fro­id zu Ras­ti­gnac. ›Du bist ver­stimmt, un­ru­hig; dei­ne Hei­ter­keit ist ge­macht. Ja, dein Glück ist nur halb, und das nagt dir am Her­zen! Es ist auch wirk­lich trau­rig, mit dem Wei­be, das man liebt, we­der staat­lich noch kirch­lich ge­traut zu sein.‹ ›Hast du den Mut, mein Jun­ge, an­zu­hö­ren, was ich dir zu sa­gen habe, und wirst du ver­ste­hen, wie sehr man ei­nem an­dern zu­ge­tan sein muß, um die In­dis­kre­ti­on zu be­ge­hen, de­ren ich mich jetzt schul­dig ma­chen will?‹ sag­te Ras­ti­gnac mit ei­nem Tone, der wie ein Peit­schen­schlag er­schreck­te. ›Was?‹ sag­te Go­de­fro­id er­blei­chend. ›Ich war trau­rig über dei­ne Freu­de, und ich habe nicht den Mut, nun ich alle die­se Vor­be­rei­tun­gen, die­ses blü­hen­de Glück sehe, mein Ge­heim­nis zu be­wah­ren.‹ ›So sage schnell, in drei Wor­ten, um was es sich han­delt.‹ ›Schwö­re mir bei dei­ner Ehre, daß du stumm sein willst wie

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