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so­dann eine Art von un­er­klär­li­cher ma­gne­ti­scher An­zie­hungs­kraft zwi­schen uns jene mo­men­ta­ne In­ti­mi­tät le­ben­dig wer­den, der sich Rei­sen­de um so lie­ber hin­ge­ben, als die­ses vor­über­ge­hen­de Emp­fin­den schnell wie­der schwin­det und zu nichts für die Zu­kunft ver­pflich­tet. Wir hat­ten noch kei­ne drei­ßig Mei­len zu­rück­ge­legt, als wir von Wei­bern und von der Lie­be plau­der­ten. Und na­tür­lich war bei al­ler Vor­sicht im Aus­druck, wie sie bei sol­cher Ge­le­gen­heit ge­bo­ten er­scheint, von un­sern Ge­lieb­ten die Rede. Jung, wie wir bei­de wa­ren, hiel­ten wir erst bei der »Frau von ge­wis­sen Jah­ren«, das heißt bei der Frau zwi­schen fünf­und­drei­ßig und vier­zig. Oh, ein Dich­ter, der uns von Mon­tar­gis bis ich weiß nicht zu wel­cher Sta­ti­on zu­ge­hört hät­te, wür­de recht glü­hen­de Aus­drücke, ent­zücken­de Per­sön­lich­keits­schil­de­run­gen und sehr süße Be­kennt­nis­se ha­ben sam­meln kön­nen! Un­se­re scham­haf­te Zu­rück­hal­tung, un­se­re ver­schwei­gen­den Emp­fin­dungs­wor­te, un­se­re Bli­cke, die uns noch er­rö­ten lie­ßen, wa­ren von ei­ner Be­red­sam­keit, de­ren nai­ves Ent­zücken ich nicht zum zwei­ten­mal emp­fun­den habe. Man muß jung sein, wenn man die Ju­gend ver­ste­hen will. Da­her ver­stan­den wir uns auch wun­der­voll über alle we­sent­li­chen Grund­zü­ge der Lei­den­schaft. Wir hat­ten zu­vör­derst mit der Fest­stel­lung be­gon­nen, daß es nichts Tö­rich­te­res in der Welt gäbe als ein Ge­burts­da­tum; daß vie­le vier­zig­jäh­ri­ge Frau­en jün­ger sei­en als man­che zwan­zig­jäh­ri­ge, und daß zu­letzt die Frau­en tat­säch­lich das Al­ter hät­ten, das sie zu ha­ben schie­nen. Sol­che Grund­sät­ze lie­ßen kei­ne Be­schrän­kun­gen in der Lie­be zu, und wir schwam­men im bes­ten Glau­ben in ei­nem gren­zen­lo­sen Ozean. Und nach­dem wir so un­se­re Ge­lieb­ten als jun­ge, ent­zücken­de, hin­ge­ben­de Grä­fin­nen von feins­tem Ge­schmack, geist­reich und klug, ge­schil­dert hat­ten; nach­dem wir von ih­ren schö­nen Fü­ßen, von ih­rer sei­di­gen und so­gar süß duf­ten­den Haut ge­schwärmt hat­ten, ge­stan­den wir uns, er, daß ›Frau Sound­so‹ achtund­drei­ßig alt sei, und ich, daß ich eine Vier­zig­jäh­ri­ge an­be­te­te. Als wir so bei­de eine ge­wis­se un­be­stimm­te Angst los­ge­wor­den wa­ren, er­schöpf­ten wir uns in neu­en Ge­ständ­nis­sen, da wir uns ja als Mit­brü­der in der Lie­be an­sa­hen. Dann han­del­te es sich dar­um, wer von uns bei­den ein glü­hen­de­res Ge­fühl emp­fän­de. Der eine hat­te ein­mal einen Weg von zwei­hun­dert Mei­len ge­macht, um mit sei­ner Ge­lieb­ten eine Stun­de lang zu­sam­men­zu­sein. Der an­de­re hat­te ris­kiert, in ei­nem Park für einen Wolf ge­hal­ten und nie­der­ge­schos­sen zu wer­den, um sich zu ei­nem nächt­li­chen Ren­dez­vous ein­zu­fin­den. So beich­te­ten wir uns alle un­se­re Tor­hei­ten! Wenn es an­ge­nehm ist, sich an vor­über­ge­gan­ge­ne Ge­fah­ren zu er­in­nern, ist es nicht auch sehr süß, ent­schwun­de­ner Freu­den zu ge­den­ken? Ge­nießt man dann nicht zum zwei­ten­mal? Be­stan­de­ne Ge­fah­ren, große und klei­ne Se­lig­kei­ten, al­les ge­stan­den wir ein­an­der, selbst Scher­ze. Die Grä­fin mei­nes Freun­des hat­te eine Zi­gar­re ge­raucht, nur ihm zu Lie­be; die mei­ni­ge be­rei­te­te mir mei­ne Scho­ko­la­de selbst und ließ kei­nen Tag vor­über­ge­hen, ohne mir zu schrei­ben oder mich zu be­su­chen; die sei­ni­ge hat­te drei Tage in sei­ner Woh­nung zu­ge­bracht auf die Ge­fahr hin, sich ins Ver­der­ben zu stür­zen; und die mei­ni­ge hat­te noch Bes­se­res oder, wenn man will, noch Schlim­me­res ge­tan. Die Ehe­män­ner be­te­ten im üb­ri­gen un­se­re Grä­fin­nen an; sie wa­ren von dem Reiz, den alle lie­ben­den Frau­en aus­strö­men, ge­fes­selt; und vor­schrifts­wid­rig tö­richt, be­deu­te­ten sie für uns ge­ra­de so viel Ge­fahr, wie nö­tig war, um un­se­re Genüs­se noch zu stei­gern. Oh, wie schnell der Wind un­se­re Wor­te und un­ser fröh­li­ches La­chen da­von­trug!

      Als wir in Pouil­ly an­lang­ten, prüf­te ich sehr ge­nau die Per­sön­lich­keit mei­nes neu­en Freun­des. Ich war schnell über­zeugt, daß er si­cher­lich sehr ernst­haft ge­liebt wür­de. Man stel­le sich einen jun­gen Mann von mitt­le­rem aber sehr wohl­pro­por­tio­nier­tem Wuch­se vor, mit ei­nem an­ge­neh­men aus­drucks­vol­len Ge­sicht. Er hat­te schwar­zes Haar und blaue Au­gen; sei­ne Lip­pen wa­ren leicht ge­rötet, sei­ne Zäh­ne weiß und wohl­ge­bil­det; eine reiz­vol­le Bläs­se hob sei­ne fei­nen Züge noch mehr her­vor, sei­ne Au­gen wa­ren von leich­ten dunklen Rin­gen um­zo­gen, als ob er eine Krank­heit über­stan­den hät­te. Nimmt man dazu, daß er wei­ße, schön mo­del­lier­te und wie bei ei­ner hüb­schen Frau ge­pfleg­te Hän­de be­saß, daß er sehr ge­bil­det er­schi­en und geist­voll war, so wird man zu­ge­ste­hen müs­sen, daß mein Rei­se­ge­nos­se dazu an­ge­tan war, ei­ner Grä­fin Ehre zu ma­chen. Mehr als ein jun­ges Mäd­chen hät­te ihn ge­wiß gern zum Man­ne ge­nom­men, denn er war Vi­com­te und be­saß eine Ren­te von zwölf- bis fünf­zehn­tau­send Fran­ken, un­ge­rech­net das, was er noch zu »er­war­ten« hat­te. Eine Mei­le hin­ter Pouil­ly stürz­te die Di­li­gence um. Mein un­glück­li­cher Ka­me­rad glaub­te sich in Si­cher­heit brin­gen zu kön­nen, wenn er auf ein frisch be­a­cker­tes Feld hin­über­sprang, an­statt wie ich sich an die Sitz­bank an­zu­klam­mern und das Um­fal­len mitz­u­ma­chen. Ich weiß nicht, ob er schlecht ab­sprang oder aus­glitt, aber der Wa­gen stürz­te auf ihn, und er wur­de zer­schmet­tert. Wir brach­ten ihn in das Haus ei­nes Bau­ern. Mit­ten zwi­schen dem Stöh­nen, das ihm sei­ne furcht­ba­ren Schmer­zen aus­preß­ten, konn­te er mir noch die Er­fül­lung ei­nes Ver­mächt­nis­ses ans Herz le­gen, dem der letz­te Wunsch ei­nes Ster­ben­den ein ge­hei­lig­tes Sie­gel auf­präg­te. Mit­ten in sei­nem To­des­kamp­fe wur­de das arme Kind in all der Un­schuld, die in sei­nem Al­ter so oft zu fin­den ist, von dem Ge­dan­ken an den Schre­cken ge­pei­nigt, der sei­ner Ge­lieb­ten ein­ge­jagt wer­den wür­de, wenn sie sei­nen Tod plötz­lich aus der Zei­tung er­füh­re. Er bat mich, zu ihr zu ge­hen und ihr selbst da­von Mit­tei­lung zu ma­chen. Dann ließ er mich einen Schlüs­sel su­chen, den er an ei­nem Ban­de auf der Brust trug. Ich fand ihn halb ins Fleisch ein­ge­bohrt. Der Ster­ben­de ließ kei­ne Kla­ge laut wer­den, als ich ihn so sanft wie nur mög­lich aus der Wun­de, die er ge­macht hat­te, her­aus­zog. Als er mir alle er­for­der­li­chen Auf­klä­run­gen ge­ge­ben hat­te, wie ich bei ihm in Cha­rité-sur-Loi­re die Lie­bes­brie­fe sei­ner Ge­lieb­ten an mich neh­men soll­te, und nach­dem er mich be­schwo­ren hat­te, sie ihr zu über­ge­ben, konn­te er mit­ten im Sat­ze nicht wei­ter spre­chen und gab mir nur mit ei­ner Ges­te zu ver­ste­hen, daß mir der ver­häng­nis­vol­le Schlüs­sel für die Er­fül­lung mei­ner Mis­si­on als Aus­weis bei sei­ner Mut­ter die­nen soll­te. Trau­rig dar­über, daß er mir kein ein­zi­ges Wort des Dan­kes mehr sa­gen konn­te, denn er zwei­fel­te nicht an mei­nem Ei­fer, sei­nen Wunsch zu er­fül­len, be­trach­te­te er mich einen Au­gen­blick mit fle­hen­den Bli­cken und nahm Ab­schied von mir mit ei­nem Zu­cken sei­ner Wim­pern; dann neig­te er sein Haupt und ver­schied. Sein Tod war das ein­zi­ge Un­glück, das das Um­wer­fen des Wa­gens ver­ur­sacht hat­te. Und dar­an hat­te er selbst ein we­nig schuld, wie der Kon­duk­teur sag­te.

      In Cha­rité er­füll­te ich das münd­li­che Ver­mächt­nis des ar­men Rei­sen­den. Sei­ne Mut­ter war, ge­wis­ser­ma­ßen zu mei­nem Glück, ab­we­send. Trotz­dem muß­te ich eine alte Die­ne­rin in ih­rem Schmer­ze trös­ten, die bei­na­he um­ge­sun­ken wäre, als sie den Tod ih­res jun­gen Herrn er­fuhr; sie fiel halb­tot auf einen Stuhl, so­bald sie den noch blut­be­deck­ten Schlüs­sel er­blick­te; da ich mich aber

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