Tausend Jahre Kaiserschmarrn. Georg Markus

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Tausend Jahre Kaiserschmarrn - Georg Markus

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und immer darauf achten, ob du nicht selbst beobachtet oder von der Gegenseite abgeknallt wirst«, ergänzte Mata Hari. »Wie bist du zu dem Job gekommen?«

      »Erinnere mich nicht daran«, bat Alfred. »Die Russen zwangen mich, für sie zu arbeiten. Und wenn du erst einmal drinsteckst, kommst du da nicht mehr raus.«

      »Wem sagst du das«, klagte die Agentin.

      »Wie herrlich wäre es, ein beschauliches Leben führen zu können, in einem kleinen Häuschen irgendwo auf dem Lande, den eigenen Garten zu pflegen …«

      »… ein paar Kinder zu haben.«

      »Das wär’ bei mir nicht drin, du weißt …«, erwiderte der Oberst.

      »Ach ja, du hattest immer Probleme mit Frauen.«

      »Das war ja mein Verhängnis. Hätte ich bei den Russen nicht mitgemacht, als sie mich 1901 dazu erpreßten, hätten sie ihr Wissen um meine Neigungen an den österreichischen Generalstab weitergeleitet. Das wäre das Ende meiner Offizierskarriere gewesen.«

      »Wir Agenten sind unseren Auftraggebern schutzlos ausgeliefert«, sagte Mata Hari. »Es geht doch nicht an, daß unsereins ohne Kollektivvertrag, Krankenkasse und Pensionsversicherung auskommt. Was soll aus uns werden, wenn wir alt sind?«

      »Wer wird in unserem Beruf schon alt?«

      »Das kann man nie wissen.«

      »Wenn du mich fragst – ich will gar nicht alt werden«, öffnete Redl seine Seele. Der Spion zündete sich eine Virginia-Zigarre an, wie auch der Kaiser sie zu rauchen pflegte.

      »Schau mich an, Mata, ich bin am Ende. Du mußt wissen, daß ich immer nur ein treuer Untertan meines Kaisers war. Nichts lag mir ferner, als mein Vaterland zu verraten. Aber seit mich die Russen in der Hand haben, muß ich der Ochrana – dem Geheimdienst des Zaren – jede Information weitergeben, über die ich verfüge. Als Chef des österreichischen Kundschaftsbüros weiß ich über alle Geheimnisse unserer Armee Bescheid, und so ist der Feind von morgen über jeden Schritt, den wir im Ernstfall setzen würden, im Bilde. Würde ein Krieg ausbrechen – Österreich und sein deutscher Bündnispartner hätten keine Chance, so viel habe ich in all den Jahren preisgegeben. Und Hunderttausende meiner Kameraden müßten als Folge meines schändlichen Verrats auf den Schlachtfeldern ihr Leben lassen. Wenn Österreich durch meine Schuld diesen Krieg verliert, ist auch das ganze Kaiserreich dahin – und das deutsche ebenso.«

      Redl nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarre. »Mit dieser Belastung lebe ich jeden Tag. Niemand weiß davon, nur ich, der russische Geheimdienst – und jetzt auch du.«

      »Warum erzählst du mir das, Alfred, hast du nicht Angst, daß ich dich verraten könnte?«

      »Wer weiß, vielleicht sehne ich mein Ende herbei.«

      Wieder klopfte es an der Tür. Mata ging ins Bad, das Mädchen servierte den Kaffee, danach setzten die beiden Spione ihr Gespräch fort.

      »Wer hat dich als Agentin angeworben?« fragte Redl.

      »Ach, das ist eine lange Geschichte. Mein Mann war Kapitän der königlich-holländischen Marine. Als mich die Ehe zu langweilen begann, ließ ich mich in die Kunst der balinesischen Tänze einweihen. Sobald auf Bali der letzte Schleier fällt, wollen die Besucher der Bars und Nachtlokale mehr, viel mehr. Für 20 000 Francs pro Nacht haben sie das von mir auch bekommen.«

      »20 000 Francs pro Nacht? Ein stolzer Preis!«

      »Ich war’s wert. Zu jenen, die meine Liebesdienste in Anspruch nahmen, zählten Minister, Botschafter, Militär- und Marineattachés. Und so tat sich in meinem Schlafzimmer bald ein weiterer Geschäftszweig auf, als nämlich die Herren nach vollzogenem Akt von mir wissen wollten, worüber die anderen Diplomaten mit mir plauderten. Auf diese Weise konnte mich die feine Kundschaft bei ihrer Regierung als Agentin führen und mein Honorar als Spesen verrechnen. Also verkaufte ich jetzt neben meinem Körper auch mein Wissen.«

      »Gut gemacht, Mata«, lobte Redl. »Bist du dabei glücklich?«

      »Natürlich nicht. Am liebsten würde ich mich wieder Margarethe Zelle nennen und in mein bürgerliches Leben zurückkehren.«

      »Dann würden sie dich sofort über den Haufen schießen!«

      »Ja, damit müßte ich wohl rechnen. – Würdest du nicht auch am liebsten wieder deinen bürgerlichen Namen annehmen, Alfred?«

      »Redl ist mein bürgerlicher Name. Leider! Hätte ich einen anderen, wäre meine Story vielleicht von Orson Welles oder Billy Wilder verfilmt worden. Und nicht von Franz Antel.«

      »Antel hätte auch einen Film über mich drehen können«, sagte Mata Hari.

      »Warum?«

      »Als Nackttänzerin!«

      »Richtig. Mein Film war aber kein typischer Antel. Immerhin hat mich Ewald Balser gespielt und Oskar Werner meinen Liebhaber. In einer späteren Verfilmung wurde ich von Klaus Maria Brandauer dargestellt.«

      »Gratuliere!«

      »Ja, ich hab’s in meinem Beruf zu einer gewissen Prominenz gebracht«, sagte Redl. »Mein Honorar von der Ochrana wird postlagernd an der Wiener Hauptpost hinterlegt, fünfzigtausend Kronen im Jahr – ein kleines Vermögen. Aber mir bleibt nicht viel davon, denn natürlich erpreßt mich Stefan, mein Liebhaber, ein kleiner Leutnant aus Stockerau.«

      »Hoffentlich erwischen sie dich nicht, wenn du eines Tages dein Geld von der Hauptpost holst.«

      »Hältst du mich für einen Idioten! Auf wen soll ich als der gefinkeltste Agent zwischen Wien und Petersburg hereinfallen? Ich bin Chef der k. u. k. Spionageabwehr und verkaufe gleichzeitig die österreichischen Aufmarschpläne an Rußland. Nebenbei liefere ich noch die mir zugänglichen Geheimnisse unseres deutschen Bündnispartners an Frankreich.«

      »Und ich die französischen Geheimnisse an Deutschland«, bemerkte Mata spitz.

      »Was? Ich verkauf’ Deutschland an Frankreich und du Frankreich an Deutschland?« überlegte Redl. »Da hebt sich doch alles wieder auf.«

      »Wenn das so ist, können wir unser schlechtes Gewissen ad acta legen. Wir haben niemandem genützt und niemandem geschadet!«

      Erleichtert gingen die beiden in die Halle und nahmen vor den versammelten Hotelgästen ihr Abendessen ein.

      Bilanz eines modernen Regenten

      Kurzes Gespräch mit Kaiser Josef II.

      JOSEF: na, was gibt’s neues in österreich, was hat sich in den letzten zweihundert jahren verändert?

      MARKUS (setzt zu einer tiefen Verbeugung an)

      JOSEF: lassen sie das! ich habe den hofknicks abgeschafft!

      MARKUS (erhebt sich mit Mühe): Es gibt unglaublich viel Neues in Österreich, Majestät.

      JOSEF: bitte keine titel! also, das neue!

      MARKUS: Österreich

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