Tausend Jahre Kaiserschmarrn. Georg Markus
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Читать онлайн книгу Tausend Jahre Kaiserschmarrn - Georg Markus страница 5
»Kein Wunder«, erklärte ich, »Magda Schneider ist Romys echte Mutter.«
Wieder Schönbrunn. Kamera 3 fährt aus der Halbtotalen auf Erzherzogin Sophie zu, die ihrem Sohn erklärt, sie habe ihn »immer schon vor dieser Heirat gewarnt«.
Dazu Elisabeths Kommentar im Kino: »Frechheit!«
Schnitt/Kamera 2/Tiroler Berge. Franzl hat Sissi aus Possenhofen geholt, jetzt machen sie Urlaub. Inkognito. Hugo Gottschlich, der zünftige Hüttenwirt, erkennt seinen Kaiser weder en face noch im Profil und ruft dem jungen Paar in alpenländischer Mundart zu: »Wenn’s wollt’s, könnt’s a paar Tag’ bleiben, aber die Stub’n müßt’s selber saubermachen!«
Während sich die p. t. Kaiserin auf der Leinwand zur Reinigung des primitiven Schlafgemachs anschickt, war die neben mir sitzende einer Ohnmacht nahe: »Ich und eine Stube putzen?« Bei Kaisers Abreise von der Alm verabschiedet sich der nach wie vor ahnungslose Wirt dann von Franzl und Sissi mit einem herzhaften »Pfüat euch Gott!«
Kamera 1. Man schreibt das Jahr 1867, Kaiserin und Kaiser reisen in einer prachtvollen Kutsche zur ungarischen Königskrönung nach Budapest. Sissi, auf dem Weg dorthin, in der Pußta: »Wie unendlich weit dieses Land ist, als reichte es bis zum Himmel, bis zum lieben Gott!«
»Das ist zuviel!« Die Frau neben mir sprang auf, um protestierend das Kino zu verlassen. »Wer verlangt denn, daß ich so geschwollen daherrede?«
»Der Verleih«, sagte ich und hielt sie am Rockzipfel fest. In den Dörfern brüllen Tausende Bauern ihrer künftigen Königin ein herzhaftes »Eljen« zu, und die in ihren Kinositz zurückgesunkene Elisabeth wunderte sich, daß eine österreichische Filmfirma so viel Geld für Statisten aufbringen konnte. Kaum hatten wir Teil eins überstanden, legte der Operateur ohne weitere Vorwarnung die Schicksalsjahre einer Kaiserin ein.
Im Anschluß an das imposante Eröffnungsbild – ungarische Krönung in der Matthiaskirche zu Budapest – lädt der fesche Graf Andrássy alias Walther Reyer zu einem Fest auf sein Schloß. Der einst zum Tod verurteilte Revolutionär gesteht Sissi via Kamera 3 tränenreich: »Ich bin unsterblich verliebt in meine Königin, ich liebe Eure Majestät.«
Die ob dieser Szene neben mir zusehends nervöser werdende Kaiserin kramte in ihrer Handtasche, der sie einen kleinen Fächer entnahm, um damit für etwas Frischluft zu sorgen.
»Majestät«, sagte ich, »es wurde viel gemunkelt, daß Sie und Andrássy … Was ist wahr an diesen Gerüchten?«
»Kann ich mich darauf verlassen, daß Sie unser Gespräch vertraulich behandeln und es nicht irgendwo veröffentlicht wird?« fragte mich die Kaiserin.
»Natürlich«, beruhigte ich sie und fertigte im Dunkeln ein paar Notizen für diesen Bericht an.
»Also gut, ich habe den Grafen Andrássy wirklich geliebt«, flüsterte mir die Kaiserin zu, »aber ich bin meinem Mann …«
»… treu geblieben?« mischte sich just in diesem Augenblick ein hinter uns sitzender Herr, der uns schon längere Zeit belauscht haben mußte, ins vertrauliche Gespräch ein. Elisabeth begann noch wilder mit ihrem Fächer zu wacheln und verweigerte jede weitere Auskunft zum Thema Andrássy. Womit diese Frage von eminenter Tragweite nie mehr beantwortet werden dürfte.
Romy Schneider zeigt nun in der epischen Darstellung der lungenkranken Kaiserin eine geradezu Oscar-reife Leistung. Sissi wird zu guter Letzt wie durch ein Wunder geheilt, womit – unter den Klängen der Kaiserhymne und dem Wort
ENDE
im Nachspann – das Finale geschafft ist.
»Das ist das Ende?« fragte mich die Kaiserin, während wir uns von den Kinositzen erhoben.
Auf dem Weg Richtung Kapuzinergruft forschte ich, wie ihr die beiden Filme gefallen hätten.
»Es überrascht mich,« antwortete Elisabeth, »daß dieser Ernst Marischka gerade die wichtigsten Stationen meines Lebens einfach weggelassen hat.«
»Welche Stationen?« stellte ich mich naiv.
»Also, meine kleine Sophie, unser erstes Kind, das im Film des langen und breiten als entzückendes Mäderl gezeigt wird, ist im Alter von zwei Jahren gestorben. Davon erfährt man im Kino ebensowenig wie von der Tatsache, daß ich noch drei weitere Kinder hatte: Gisela, Marie Valerie und Rudolf wurden dem Publikum von Herrn Marischka glatt verschwiegen. Dadurch hat auch der schlimmste Schicksalsschlag meines Lebens gar nicht stattgefunden – Mayerling gibt’s nicht im Film.«
Während wir die Opernkreuzung überquerten, fielen Elisabeth weitere filmische Unterlassungssünden ein. »Was ist mit meinem Lieblingscousin«, sagte sie, »dem König Ludwig von Bayern, der 1886 im Starnberger See ertrank? Und wieso wird meine Trauer um meine verstorbenen Schwestern Helene und Sophie nicht gezeigt? Auch die Hinrichtung meines Schwagers, Kaiser Maximilian von Mexiko, findet keine Erwähnung. Und, glauben Sie wirklich, daß die Damen Anna Nahowski – die meinem Mann immerhin zwei Kinder schenkte – und Katharina Schratt mit meiner Biographie rein gar nichts zu tun haben? Wieso ist von der nervösen Magersucht, die mich so viele Jahre plagte, keine Rede? Und von den ständigen Todesahnungen, die mich in den letzten Jahren befielen? Auch meine Ermordung in Genf hat laut Film nicht stattgefunden!«
Da ich keinen ihrer Einwände seriös entkräften konnte, zuckte ich nur stumm mit den Schultern und hörte der kompetenten Filmkritikerin weiter zu: »Ich kann mir nicht helfen«, sagte sie, »diese Sissi-Filme haben mit mir sehr wenig zu tun. Ich war ganz anders.«
»Gewiß, Majestät«, sagte ich jetzt, »aber die Filmleute müssen ans Geschäft denken und können auf unwichtige Kleinigkeiten wie Wahrheit und Ähnlichkeit keine Rücksicht nehmen.«
Kaiserin Elisabeth hielt einen Augenblick inne, ehe sie zum Schluß kam: »Das bedeutet wohl, daß mich die Menschen in Ihrem Jahrhundert als zuckersüße, kleingewachsene, recht glückliche Kaiserin sehen, die keine Tragödien erlebte, so gut wie keine Eheprobleme hatte und nicht ermordet wurde!«
»Majestät haben recht«, mußte ich zugeben. »Zumindest bis der nächste Sissi-Film gedreht wird.«
Walther von der Vogelweide macht Karriere
Aus den unveröffentlichten Memoiren eines Minnesängers
Der prominenteste Austropop-Star des Mittelalters sitzt – in langem, fließendem Gewand und ledernen Schnabelschuhen an den Füßen – in den Zinnen einer Ritterburg. Er begleitet seinen Gesang mit der Leier.
Ich heiße von der Vogelweide, Walther,
Unbekannt blieb mein genaues Alter.
Man weiß nur ganz ungefähr,
Wo ging ich hin, wo kam ich her.
Um 1170 ward’ ich geboren,
Anno 1230 hat die Welt mich wieder verloren.
Dazwischen sang ich von Rittern und von der Liebe,
Ich besang ihre Kriege, ich besang ihre Triebe.
Politische