Tausend Jahre Kaiserschmarrn. Georg Markus
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Читать онлайн книгу Tausend Jahre Kaiserschmarrn - Georg Markus страница 4
»Wenn’s weiter nichts ist«, zeigte ich die Überlegenheit meiner Generation. »Ich habe es geschafft, mit Ihnen in Kontakt zu treten, Herr Luitpold, also wird das bei den anderen auch zu machen sein. Die sind doch wesentlich jünger als Sie.«
»Haben Sie schon einen Titel für Ihr Buch?« fragte Luitpold.
»Mir gefiele Tausend Jahre Kaiserschmarrn«, sagte ich.
»Was ist ein Schmarrn?«
»Einerseits wertloses Zeug, andererseits aber – als Mehlspeis’ zubereitet – eine Delikatesse.«
»Ein gewisser Widerspruch«, fand Luitpold.
»Das ist ja das typisch Österreichische. Wir warten nicht darauf, bis andere uns widersprechen, wir widersprechen uns selber.«
Luitpold wirkte ob der vielen neuen Eindrücke, die auf ihn eingeströmt waren, einigermaßen ratlos, erklärte sich aber schließlich mit dem Titel einverstanden. Ich verabschiedete mich und machte mich auf den Weg zur Kaiserin Elisabeth …
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Mit der Kaiserin im Kino
Elisabeth schaut sich einen Sissi-Film an
In einem Wiener Kino spielen sie immer wieder diese herrlichen alten Filme mit dem Moser, dem Hörbiger und der Romy Schneider. Als ich mich letzthin an der Kinokasse um Karten für eine Vorstellung zweier Sissi-Filme anstellte, stand vor mir eine sehr elegante, auffallend schlanke Dame, die sich außerstande sah, die Eintrittsgebühr in Höhe von öS 85,– für einen Platz in der zwölften Reihe fußfrei zu bezahlen. Sie hätte mit barem Geld nie zu tun gehabt, erklärte sie der verdutzten Kassierin. Durch Zufall Zeuge der kleinen Szene geworden, erwies ich mich als perfekter Gentleman und lud die Fremde spontan ein, sich mit mir Sissi, die junge Kaiserin und danach Sissi, Schicksalsjahre einer Kaiserin anzuschauen.
Werbung und Vorankündigung Demnächst in diesem Kino nahm die langhaarige Schönheit noch kommentarlos hin, doch kaum hatte der Hauptfilm begonnen, beugte sich meine Sitznachbarin zu mir und fragte mich: »Das soll ich sein?«
Während Kamera 1 das kaiserliche Schloß Schönbrunn in seiner ganzen Pracht in die Totale nimmt, warf ich einen Blick nach rechts und entdeckte im Halbdunkel tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Hauptdarstellerin und der Dame an meiner Seite: »Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß Sie die Kaiserin Elisabeth sind?« sagte ich ungläubig.
»Natürlich«, flüsterte sie mir zu, »ich habe schon so viel von diesen Sissi-Filmen gehört, jetzt will ich mir endlich selbst einmal ein Urteil bilden.«
Schnitt/Kamera 2: Die blutjunge Sissi fegt in einem atemberaubenden Kostüm von Lambert Hofer die Feststiege des Schlosses hinauf. Pikiert fragte mich die Kaiserin im Kinosessel: »Warum hat man denn diese kleine Schauspielerin genommen, ich bin doch mindestens einen halben Kopf größer als sie.«
»Majestät«, wandte ich ein, »Romy Schneider war wohl die beste und prominenteste Besetzung, die der österreichische Film für Ihre Rolle zu bieten hatte.«
»Sie ist ja ganz herzig«, gab Elisabeth zu, »aber gerade herzig wollte ich nie sein. Ich bin eine moderne, emanzipierte Frau.«
»Ruhe«, herrschte eine ältere Dame aus einer der vorderen Sitzreihen die Kaiserin an, »man versteht ja kein Wort von dem, was die Kaiserin sagt.«
In diesem Moment erscheint auf der Leinwand Vilma Degischer als Sissis böse Schwiegermutter Erzherzogin Sophie und zeigt einer Gräfin Esterházy, wie’s bei Hof zugeht: »Ich habe Sie zur Obersthofmeisterin Ihrer Majestät gemacht, weil ich Vertrauen zu Ihnen habe. Ich wünsche über alles, was Ihre Majestät tut, genauestens informiert zu werden.«
»Diese Schlange«, zischte mir Elisabeth gar nicht majestätisch zu, »diese Schlange hat mir eine Spionin an den Hals gehetzt. Nach hundertfünfzig Jahren muß ich im Kino erfahren, daß die Esterházy von Sophie bestochen war.« Nachträglich war der Kaiserin zu meiner Rechten der Schreck in die Glieder gefahren.
Nun erweist sich die Esterházy als Sophies würdige Agentin: »Ihre Majestät hat sich über die primitiven Badegelegenheiten im Schloß beklagt«, meldet sie der Erzherzogin. »Hier hat eine Maria Theresia gebadet«, stellt die Mutter des Kaisers ihren wahren Charakter unter Beweis, »es wird auch für eine kleine bayerische Prinzessin, die zufällig Kaiserin geworden ist, gut genug sein.«
»Sophie hat mir in Schönbrunn nicht einmal einen Waschtisch genehmigt«, machte Elisabeth ihrem Ärger Luft.
»Schweigen Sie!« meldete sich die Dame aus der vorderen Reihe noch einmal zu Wort und rief der Kaiserin zu: »Woher wollen denn Sie wissen, wie’s bei Hof zuging?«
Überblendung/Kamera 3. Karlheinz Böhm taucht als junger Kaiser auf und eröffnet einen tiefschürfenden Dialog.
Franz Joseph: »Sissi, ich hab’ so Sehnsucht nach dir gehabt.«
Elisabeth: »Immer sitzt du an deinem Schreibtisch und regierst. Ich bin schon ganz eifersüchtig auf deinen Schreibtisch.«
»Ein fürchterlicher Kitsch«, wisperte mir die Kaiserin ins Ohr. »Andererseits muß ich zugeben, daß es genauso gewesen ist. Hätte der Kaiser damals auf mich gehört, wäre unsere Ehe noch zu retten gewesen.«
»Pssst« machte ein linksaußen in unserer Reihe sitzender Herr, »Sie stören die Vorstellung!« Gleichzeitig raschelte er so laut mit einer Tüte Popcorn, daß ich das nun folgende Gespräch, in dem Sissi dem Kaiser ihr Heimweh nach Bayern klagt, nur bruchstückhaft verfolgen konnte.
Franz Joseph: »Ich tu’ doch alles, um dich in deiner neuen Heimat« – Krrrrr – »glücklich zu ma« – Raschel – »Das bist du doch?«
Elisabeth: »Nur wenn du bei mir …« Der Rest ging in einer dröhnenden Popcornorgie unter.
Ein Lakai Seiner Majestät tritt unangemeldet ins Arbeitszimmer und überrascht das sich innig küssende kaiserliche Paar in flagranti.
»Unerhört«, erregte sich die hohe Dame neben mir über die Indiskretion.
Leinwandfüllend tauchen erste Wolken auf – sowohl über der Residenzstadt Wien als auch am Ehehorizont. Regisseur Ernst Marischka versteht es in unnachahmlicher Weise, Bild (Kamera 1/Totale) und Ton aufeinander abzustimmen. Kaum ist Sissis erstes Kind bei anhaltendem Schlechtwetter geboren, entführt Schwiegermama Sophie das Neugeborene auch schon in ihre Gemächer. Und sagt, sie selbst werde die Erziehung des Mädchens in die Hand nehmen. Da es Franz Joseph verabsäumt, sich für die Rechte seiner Frau als Kindesmutter einzusetzen, verläßt Elisabeth fluchtartig Wien und die Monarchie.
Kamera 2/Staatskrise. Die Kaiserin ist weg, streift durch ihre geliebten bayerischen Wälder. Ihr Papa – Herzog Max – nimmt sein überraschend heimgekehrtes Kind in die Arme: dem Schauspieler Gustav Knuth steigen Tränen des Glücks in