Jetzt sag ich's. Marina C. Watteck
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Als wir anfingen, miteinander an diesem Buch zu arbeiten, war einer der ersten Sätze von ihr: »Ich war 39 Jahre alt, als ich geheiratet habe, und vorher hat es durchaus schon ein Leben gegeben.« Über dieses Leben erzählt sie, unter anderem, im hier vorliegenden Buch. Erstmals gibt es nicht immer eine Pointe am Ende ihrer Geschichten, es war nicht immer alles lustig. Dennoch gelingt es ihr, egal was passiert, sich stets wieder aufzurichten, nach vorn zu schauen und wie ein braver Soldat weiterzumarschieren.
Dieses Buch ist keine bloße Aneinanderreihung von Lebensstationen, sondern es sind Geschichten aufgezeichnet, die von Waltraut Haas teilweise bekannt sind – andererseits aber Erlebnisse und Begegnungen, von denen bisher niemand wusste.
Nur wenigen Menschen ist es gegeben, ihr Leben mit Humor, Selbstkritik und Dankbarkeit zu betrachten – Waltraut Haas besitzt alle drei Eigenschaften in hohem Maße.
Marina C. Watteck
Tausche Gasthaus gegen Bühne
Wenn du jetzt hochnäsig oder eingebildet wirst, dann kriegst heut’ noch a Watschn«, waren die Worte meiner Mutter, als ich, 20 Jahre alt, beseelt von meinem ersten Erfolg als Mariandl in dem Film »Der Hofrat Geiger«, verträumt auf einen Artikel in einer Zeitschrift blickte. Das habe ich mir gemerkt. Ein Leben lang. Ich habe nie etwas für selbstverständlich erachtet und war immer dankbar für alles, was ich erreicht und bekommen habe. Allerdings war mir klar, dass ich viel dazu tun muss, dieser Weg nicht leicht ist, Opfer von mir verlangen wird und ich bereit sein muss, diese zu bringen.
Meine Mutter war überhaupt mein Ein und Alles über viele Jahrzehnte. Sie war meine beste Freundin, meine Ratgeberin, später die Ersatzmutter für meinen Sohn Marcus, wenn mein Mann und ich auf Tournee waren, sie war tatsächlich ein wichtiger Grundpfeiler meines Erfolges. Und sie war der Mensch, dem ich alles, wirklich alles anvertrauen konnte. Sie hat ihr ganzes Leben hart gearbeitet, und als unser Hausarzt im Jahr 1960 meinte, sie solle etwas kürzertreten und nicht mehr im Gastgewerbe arbeiten, war ich nur allzu froh, ihr ein anderes Leben bieten zu können.
Als Zweijährige im Garten meines Großvaters
Mit den Radiokopfhörern meines Vaters, im Alter von drei Jahren
Schon als Kind habe ich die Natur geliebt, circa 1930.
Meine neuen Puppen, Weihnachten 1930
Auch Puppenkleider müssen gewaschen werden – als Wäschermädl, circa 1930.
Kostüme waren schon als Kind eine meiner Leidenschaften – im Biedermeier-Kleid, 1937.
Meine Mutter und ich 1927
Als Zweijährige mit meinem geliebten Vater
Harmonie unter den Geschwistern: Fritz, vier Jahre, und ich, sieben Jahre alt
Sie hat mich ja schon zuvor zu fast allen Dreharbeiten begleitet, jetzt war es noch einfacher. Wir wohnten zwar beide noch eine Zeit lang im »Schönbrunner Stöckl«, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder viele Jahre als Gasthaus geführt hatte. Sie arbeitete aber nicht mehr, und ich kaufte ein Grundstück am Küniglberg, wo ich 1958 ein Haus bauen ließ, in das wir 1960 eingezogen sind. Das war ihr Zuhause bis zu ihrem Tod im Jahr 1991. Ihre Liebe, ihr Vertrauen, ihr praktisches Denken und ihr künstlerisches Verständnis waren für mich ein ganz wichtiger Teil meines Lebens.
Schon als Kind hatte ich dramatische Ambitionen. Ich stand gern im Mittelpunkt, konnte gut andere Menschen nachmachen, und am liebsten habe ich mich verkleidet und bin spielerisch in andere Rollen geschlüpft. Gemeinsam mit meinem Bruder Fritz, der drei Jahre jünger und musikalisch sehr begabt war, habe ich sehr gern Kasperl-theater gespielt.
Mein Bruder war sehr geschäftstüchtig. Wir haben eine kleine Kassa gebaut, er hat sich als Old Shatterhand verkleidet, ich als Prinzessin, und für zehn Groschen pro Person haben wir den Kindern etwas vorgespielt. Meine Mutter ließ uns gewähren, für sie waren es Kindereien, die sie nicht ernst genommen hat. Erst als mir viele Jahre später der Theatervirus immer noch im Blut steckte, hat sie versucht, mich mit sanftem Druck in eine andere Richtung zu lenken. Sie hatte zwar Verständnis für meinen Wunsch, es waren aber so unsichere Zeiten, dass sie einfach Angst hatte, ich würde es zu nichts bringen. So wurde beschlossen, dass ich nach Abschluss der Hauptschule in die Haushaltungsschule gehen sollte, um etwas »Anständiges« zu lernen. Meine Mutter hatte ganz praktische Ansichten: »Fast jedes Mädchen möchte Schauspielerin werden. Lern was G’scheites, und wenn das mit dem Schauspiel nicht hinhaut, kannst du auf etwas zurückgreifen.«
Ich war eine gute, aber nicht sehr brave Schülerin, interessiert hat es mich überhaupt nicht. Es hat auch nicht unbedingt geholfen, dass meine Cousine mit mir in die gleiche Klasse ging, denn wir hatten nur Unsinn im Kopf, und mehr als ein Mal mussten wir Strafen für unsere Streiche ausfassen.
Ich wurde in eine unruhige Zeit geboren. Österreich war mitten in einer Wirtschaftskrise, es gab politische Unruhen und fast 300 000 Arbeitslose – ich habe davon aber nichts mitbekommen. Meine Eltern, Stefanie Klager (19. Dezember 1901–30. März 1991), aufgrund ihrer großen braunen Augen »Rehlein« genannt, und mein Vater Walther Haas haben einander beim Turnen kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Mein Vater war Volksschullehrer an der evangelischen Schule in der Gumpendorfer Straße und ein sehr gut aussehender Mann, meine Mutter war eine ebenso hübsche wie lebenslustige Hotelierstochter aus Meidling. Ihre Eltern – ihre Mutter Barbara und ihr Stiefvater Karl Graf – führten den »Meidlinger Hof« an der Ecke Meidlinger Hauptstraße und Hufelandgasse. Meine Mutter war die Älteste von sechs Geschwistern und hat daher immer fest anpacken müssen. Da ist nicht viel Zeit geblieben für Unsinn oder Dummheiten, wie es in der Familie geheißen hat, obwohl sie eine sehr talentierte Pianistin war und mit Leidenschaft diesen Beruf ausüben hätte können. Sie malte auch gern und hätte viel daraus machen können, doch all das kam nicht infrage. Künstlerberufe waren in der Familie meiner Mutter suspekt – meine Mutter musste sich fügen und arbeitete im elterlichen Betrieb anstatt im Konzertsaal.
Meine Disziplin, mein Pflichtbewusstsein und meine Ausdauer habe ich sicher von ihr geerbt. Sie hat es mir vorgelebt.
1932, ich war erst fünf und mein Bruder Fritz gerade zwei Jahre alt, starb mein Vater an akuter Urämie. Ich habe nur sehr wenige, aber äußerst liebevolle