Die Hörbigers. Georg Markus

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Die Hörbigers - Georg Markus

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Paula Wessely in ihrer spitzbübisch-frechen Art drauflos, »ich finde die in Berlin viel toller«. Hanns Hörbiger sah die junge Schauspielerin lächelnd an und fragte sie: »Wissen Sie eigentlich, gnädiges Fräulein, wer die Untergrundbahn in Budapest gebaut hat?«

      »Nein, das weiß ich nicht.«

      »Ich hab sie gebaut!«

      Hanns Hörbiger mag damit ein wenig übertrieben haben, denn er allein war es nicht, der die Millenniums-U-Bahn für Budapest geplant hatte. Aber tatsächlich war er in den Jahren, in denen er dort tätig war, im Auftrag der Langschen Maschinenfabrik auch für die Konstruktion der Metro zuständig gewesen.

      Paula Wessely wäre am liebsten im Erdboden versunken. Ausgerechnet der Ingenieur Hörbiger, der ihr gegenübersaß, hatte diese U-Bahn geplant! Da wurde die sonst gar nicht mundfaule Wessely ein bisserl kleinlaut. Aber es gefiel ihr, wie ihr der alte Herr geduldig die Vorzüge einer unterirdischen Bahn erklärte und darauf hinwies, dass »ein solches Verkehrsmittel wegweisend für das 20. Jahrhundert« sein würde.

      Jetzt war Paula Wessely dabei, als die Familie Hörbiger von ihrem Oberhaupt Abschied nahm. Sie trat nach der Trauerfeier auf Attila zu, schloss ihn in die Arme und sagte, dass sie seinen Vater in wunderbarer Erinnerung behalten würde. Und sie sagte auch noch, wie schön und würdevoll sie es fand, dass er und seine Brüder den Sarg des Verstorbenen als Zeichen der Verbundenheit aus dem Haus getragen hätten.

      Nur eine Woche später wird in Wien ein weiterer Todesfall bekannt. Diesmal ist die literarische Welt betroffen, und auch die Schauspieler dieser Stadt trauern. Mit Arthur Schnitzler stirbt am Abend des 21. Oktober 1931 Österreichs bedeutendster Gegenwartsautor. Der Tag seines Begräbnisses sollte bei der Gründung der Hörbiger-Dynastie eine wichtige Rolle spielen.

      Schnitzler hatte die Wessely mehrmals auf der Bühne des Theaters in der Josefstadt gesehen und sie sich als Christine in Liebelei gewünscht. Er sollte die Erfüllung dieses Wunsches nicht mehr erleben, die Christine wurde zwar eine ihrer Glanzrollen – aber erst eineinhalb Jahre nach seinem Tod.

      Neben Franz Werfel und Felix Salten folgten an diesem nasskalten Oktobertag die Schauspieler Hedwig Bleibtreu, Raoul Aslan sowie Paula Wessely und Attila Hörbiger dem Sarg des Dichters. Man hatte sich, nur wenige Tage nach Hanns Hörbigers Begräbnis, wieder zu einem traurigen Anlass zusammengefunden. Schnitzlers sterbliche Überreste wurden mit einer Limousine von seinem Haus in der Sternwartestraße am Burgtheater vorbei zum Zentralfriedhof geführt und in der Zeremonienhalle aufgebahrt. Nach der Beisetzung in einem von der Israelitischen Kultusgemeinde gewidmeten Ehrengrab schritt man Seite an Seite zum Ersten Tor des Zentralfriedhofs. Dort riefen Paula Wessely und Attila Hörbiger nach einem Taxi, um gemeinsam in die Stadt zu fahren. Am Kohlmarkt angelangt, lud er sie in die Konditorei Demel ein. Und hier kam es an jenem 23. Oktober 1931, dem historischen Datum der Beisetzung Arthur Schnitzlers, dazu, dass die beiden Schauspieler den Entschluss fassten, »zusammenzubleiben«. Das Wort Verlobung konnte nicht ausgesprochen werden – Attila Hörbiger war ja immer noch verheiratet. Aber faktisch war’s eine.

      Die Dynastie stand vor ihrer Gründung.

      MARESA HÖRBIGER: »Ich weiß aus den Briefen meiner Eltern, die sie uns hinterlassen haben, dass ihre Liebe auf einer großen Leidenschaft, auch im erotischen Sinn, basierte. Sie beschreibt ihn als ihre Sonne, als Licht ihres Lebens, das sie aufrichtet, zu dem sie aufblickt. Und sie schreibt auch, wie sehr sie darunter leidet, wenn er nicht da ist, diese Zeiten waren von einer schmerzhaften Sehnsucht erfüllt. Viele ihrer Briefe sind richtiggehend poetisch, wenn sie etwa wie in Anatol die schneebedeckte Stadt beschreibt, durch die sie einsam wandelt. Er wiederum beruhigt sie in seinen Antworten, sie möge sich nicht sorgen, wenn er weg ist. Und er hofft, dass sie seine Strahlungskraft auch erreicht, wenn er nicht da ist, sie solle das Gefühl haben, nicht allein zu sein.«

      Als Beispiel dafür mögen ein paar Zeilen dienen, die Attila Jahre später seiner Paula auf den Tisch ihres gemeinsam gemieteten Jagdhauses bei Wiener Neustadt legte, nachdem er frühmorgens abreisen musste, ohne ihr Lebewohl sagen zu können:

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       »Mein Geliebtes! Tief traurig, dass ich Dich, mein liebes Putzli nicht mehr sehen konnte, küsse ich Dich und fahre als unglücklich Verliebter ab! Dich immer im Herzen Dein Attila«

      FAMILIE HÖRBIGER PRIVATARCHIV

      Wie schön, wenn man das Private mit dem Beruflichen verbinden kann. Und wieder stehen sie gemeinsam auf der Bühne, diesmal in Otto Indigs Die Braut von Torozko, einer Komödie im jüdischen Milieu, die 1932 in Wien mit Paula Wessely und Attila Hörbiger angesetzt ist. Fast gleichzeitig gibt man das Stück in Berlin – mit Paul Hörbiger.

      Während Premiere und fünfzig weitere Aufführungen an der »Josefstadt« ohne Zwischenfälle verlaufen, stehen die Zeichen im Deutschen Theater Berlin, ein knappes Jahr vor Hitlers Machtergreifung, schon auf Sturm: Luise Ullrich spielt das ungarische Bauernmädchen Klari, das von seinem Bräutigam im Stich gelassen wird, als er erfährt, dass sie Jüdin ist. Paul Hörbiger ist der Rebbe Herschkowitz, der zwischen Braut und Bräutigam zu vermitteln versucht. Ursprünglich war Paul Morgan für diese Rolle vorgesehen, der sie jedoch, da er als Jude Angst vor antisemitischen Ausschreitungen hatte, zurücklegte.

      Er sollte Recht behalten. Kaum spricht Paul Hörbiger auf offener Bühne den Satz »Jeder Mensch müsste vier Tage in seinem Leben ein Jud sein, dann gäbe es keinen Antisemitismus auf der Welt«, geht ein inszenierter Krawall wild gewordener Hitleranhänger los. Der Vorhang wird heruntergelassen, die Vorstellung unterbrochen, da Direktor Victor Barnowsky um die Einrichtung seines Theaters bangt.

      In Wien steht das Stück in der Regie von Otto Ludwig Preminger mit Paula Wessely als Klari, Attila Hörbiger als ihr Verlobter und Hans Moser als Rebbe Herschkowitz im Repertoire. Die Vorstellungen an der »Josefstadt« verlaufen allesamt störungsfrei.

      In Wien ist man noch nicht so weit.

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