Die Hörbigers. Georg Markus

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Die Hörbigers - Georg Markus

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Nachfolger wurde.

      Und der dachte sich, angesichts des Jubels, der seinem älteren Bruder entgegenschlug: »O weh, das wird einige Mühe machen, dagegen anzuspielen.«

      Attila war – nach einer Saison in Reichenberg sowie kurzen Engagements an Josef Jarnos Wiener Lustspieltheater, am Kurtheater Bad Ischl und am Deutschen Theater Brünn – Paul nach Prag gefolgt. Und er übernahm nun auch dort wieder von diesem nebst dem Untermietzimmer so manche Rolle, darunter die des Leopold im Weißen Rössl. »Am nächsten Tag durfte ich lesen, dass ich ›ein vollwertiger Ersatz‹ für meinen Bruder gewesen sei, der den Leopold jahrelang ›zum Ergötzen selbst der anspruchsvollsten Theaterbesucher‹ gegeben habe. Ein andermal wurde mir gönnerhaft bescheinigt, ich sei ›genauso ein Tausendsassa wie der in Berlin gelandete Bruder Paul‹. Oder noch ärger: ›Solange die Bühne abgedunkelt war, glaubte man Paul zu hören, erkannte sogar einige seiner charakteristischen Gesten wieder.‹ «

      Gekränkt, erklärte Attila Hörbiger, hätten ihn derlei Vergleiche nie. »Trotzdem freute ich mich natürlich, als mir eines Tages meine Vermieterin, Frau Pospischil, das Prager Tagblatt auf den Frühstückstisch legte und triumphierend sagte: ›So, jetzt haben wir es aber geschafft, Herr Attila.‹ Frau Pospischils Zeigefinger wies auf eine mit Rotstift angekreuzte Stelle im Kulturteil. Dort wurde eine meiner Rollen gewürdigt und zum Schluss hieß es: ›Wir können überglücklich sein, nach Paul Hörbigers Abgang diesen schönen, starken, mit herzerfreuender Frische losstürmenden Attila als Thronfolger gewonnen zu haben. König Paul ist tot, es lebe König Attila!‹ «

      Und doch sollte er noch viele Jahre im Schatten stehen. War er anfangs »der Sohn eines berühmten Erfinders«, so galt er jetzt als »der Bruder eines berühmten Schauspielers«. Ja, und dann wird er auch noch »der Mann der Wessely« sein. Erst viel später ist er »kein Sohn und kein Bruder mehr«, wie es Hans Weigel formulierte, »sondern: der Hörbiger«.

      Aber so weit war er noch lange nicht. Paula Wessely ist bislang nicht in sein Leben getreten. Sie ist aber drauf und dran, dies zu tun. Am 1. September 1926 entnimmt Attila Hörbiger einer Wiener Tageszeitung, dass »Paula Wessely, Mitglied des Deutschen Volkstheaters, Wien verlässt, um ein Engagement am Deutschen Theater in Prag anzutreten«.

      Eine Neue also.

      HANS ODER ATTILA?

       Paula Wessely muss sich entscheiden

      Wenige Tage nach der Zeitungsnotiz die erste Begegnung. Attila Hörbiger wird sich daran erinnern: »Paula Wessely kam, sah und siegte. Sie konnte wirklich was. Und sympathisch war sie auch. Und kollegial noch dazu. Nie spielte sie einen Partner an die Wand, wie man bei uns in der Branche sagt, im Gegenteil: Sie riss uns derart mit, dass wir als ihre Partner besser waren als jemals zuvor. Ihr Debüt, die erste Rolle im neuen Engagement, gab sie in einer französischen Salonkomödie. Die neuen Herren hieß das Stück und stammte vom Autorenpaar Flers-Croisset. Die Paula Wessely spielte darin eine Soubrette namens Suzanne. Umworben wurde sie von einem jungen Minister, einem Emporkömmling, der neben der nötigen Rücksichtslosigkeit über eine Portion wienerischen Charme verfügte.« Der Charmeur stand unter dem Namen »Attila Hörbiger« auf dem Theaterzettel, er hatte sich mittlerweile also entschlossen, seinen Namen voll und ganz zu akzeptieren.

      »Die Neue«, erzählte er weiter, »trug ein schickes Kaschmirkleid mit einem grauen Cape. Von einem Freudenausbruch überwältigt, lief sie in unserer Liebesszene auf mich zu, sagte irgendwas Liebevoll-Unbedeutendes und rannte mich fast um. Paula hat also vom ersten Moment an einen wahrhaft umwerfenden Eindruck auf mich gemacht.«

      Er nicht ganz so sehr auf sie. Sicher, er war ein fescher Kerl, aber sie hatte jeden Tag Proben, jeden Abend Vorstellung und in der Nacht wurde Text gelernt. Dann gab’s noch den Sigi Breuer, der hin und wieder aus Wien anreiste, und außerdem war der feine Herr Hörbiger verheiratet! Also, einen weiten Bogen um ihn gemacht, was nicht schwer fiel, weil’s jetzt ohnehin viel wichtiger war, am Theater erfolgreich zu sein.

      Und erfolgreich, das war sie. »Das Stück«, stand nach der Premiere der Neuen Herren in der Zeitung, »wird verschwinden, die neue Schauspielsoubrette unseres Ensembles wird, so hoffen wir, bleiben.«

      Paula Wessely freundete sich in Prag mit ihrer Kollegin Pepi Kramer-Glöckner an, der Frau des Theaterdirektors, die die Aufgabe übernahm, sie vor hartnäckigen Verehrern zu beschützen, auch vor solchen wie diesem Attila Hörbiger. Die Wessely fühlte sich in der »goldenen Stadt«, deren Bewohner zu zehn Prozent deutschsprachig waren, sehr wohl. »Ein phantastisches Publikum«, schwärmte sie. »Hier öffnete sich für mich eine neue Welt. Ich wohnte in der Smečka Nr. 33, einer kleinen Straße, die vom Wenzelsplatz links abzweigte, in Untermiete beim Ehepaar Dittrich. Er, Professor für Gerichtsmedizin, und seine Frau waren unglaubliche Theaterliebhaber. Durch sie begegnete ich damals, wenige Jahre nach dem Zusammenbruch der Monarchie, einem bunten Kreis interessanter Menschen, Aristokraten, Künstlern, Wissenschaftern. Die Gesellschaft in Prag war doch eine ganz andere als die in Wien, wo ich ja immer noch bei meinen Eltern gewohnt hatte. Und so habe ich in Prag ungeheuer viel gelernt, was mir menschlich und in meinem Beruf zugute kam, auch deshalb war Prag so wichtig für mich.«

      Vor allem erhoffte sie sich bessere und größere Rollen als bei ihren ersten Gehversuchen am Wiener Volkstheater. »Wenn ich was zu spielen hab, dann bin ich lieber in Prag, als dass ich in Wien spazieren geh«, wird sie im Wiener Tagblatt vom 2. September 1926, im wahrscheinlich ersten Interview ihres Lebens, zitiert. Zwar sind’s auch hier wieder vorwiegend harmlose Lustspiele, in denen sie ihr Können zeigt, aber Paula Wessely erkennt treffsicher: »Die Karrieren werden ja doch nur draußen gemacht« – womit sie, ohne es auszusprechen, »die Provinz« meinte, die damals tatsächlich die Voraussetzungen für ein Engagement auf einer der großen Bühnen in Wien und Berlin schuf. Kaum ein bedeutender Schauspieler, der nicht die beschwerlichen, aber lehrreichen Theaterstationen von Mährisch-Ostrau, Teplitz-Schönau, Gablonz, Reichenberg und Prag auf sich genommen hätte. So hatten sie alle begonnen, der Kainz, der Moissi, der Werner Krauß, die Elisabeth Bergner.

      Wie schnell Paula Wessely in der tschechischen Metropole ihr Publikum eroberte, ist einem Kurzporträt der Illustrierten Zeit im Bild vom 15. Oktober 1926 zu entnehmen: »Es ist kaum ein Monat verflossen, seit sie an die Prager Bühne kam, und schon ist jeder, der Gelegenheit hatte, die junge Wienerin zu sehen, ihr unbedingter Verehrer geworden.«

      CHRISTIANE HÖRBIGER: »Ich fuhr mit meiner Mutter im Herbst 1990, kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, nach Prag. Es war ein wunderbares Erlebnis für sie, mit 83 Jahren noch einmal durch die Straßen zu gehen, die sie nur aus dem Blickwinkel einer 19-Jährigen gekannt hatte. Wir spazierten zum Haus der Familie Dittrich, in dem sie seinerzeit gewohnt hatte, und sie war glücklich, es nach so langer Zeit auf Anhieb gefunden zu haben. Dann gingen wir zum Deutschen Theater, vor dessen Bühneneingang immer noch die kleine Bank stand, auf der sich Schauspieler und Bühnenarbeiter zum Tratsch getroffen hatten. Ich bewunderte ihr Gedächtnis, sie erinnerte sich an zahllose Details, auch an ein Gastspiel Leo Slezaks, der aus Prag mit so vielen Koffern und Paketen abgereist war, dass er nicht ins Eisenbahncoupé hinein kam. Sie wusste sogar noch, dass der Theaterportier Podlesak hieß. Besonders berührte es sie, dass sie mit dem Theater jener Stätte wieder begegnet war, an der sie meinen Vater kennen gelernt hatte, der drei Jahre vor unserer Reise nach Prag verstorben war.«

      Ihre zweite Premiere in Prag feiert die junge Paula Wessely mit dem Stück Kopf oder Schrift von

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