Meine Reisen in die Vergangenheit. Georg Markus
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Soweit die Fakten. Die romantische Story hatte die beiden Urlaubsgäste Dr. Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg, zwei Schriftsteller aus Berlin, dermaßen amüsiert, dass sie daraus ein Lustspiel fabrizierten. Die Romanze ist also echt. Falsch ist der Wolfgangsee. Denn das Weiße Rössl war in Wirklichkeit ein gutbürgerlicher Gasthof in der kleinen Ortschaft Lauffen bei Bad Ischl – vom Wolfgangsee mehr als zwanzig Kilometer entfernt. In St. Wolfgang, direkt am See, gab’s zu diesem Zeitpunkt freilich ein Hotel mit dem sehr ähnlichen Namen Zum weißen Ross, das der Wirtin Antonia Drassl, einer äußerst geschäftstüchtigen Person, gehörte. Sie war 46 Jahre alt, von einem Zahlkellner jedoch, der sie verehrt hätte, war weit und breit keine Rede.
Da der Wolfgangsee auch im deutschen Kaiserreich sehr bekannt war, verlegten die beiden cleveren Lustspielautoren ihr Stück publikumswirksam ins andere Ross. Und damit wird’s spannend, denn Antonia Drassl, die Gastronomin vom Wolfgangsee, die überhaupt nicht gemeint war, erkannte den hervorragenden Werbeeffekt für ihr Hotel und reiste, nachdem das Stück sofort ein Erfolg war, als »Original-Rössl-Wirtin« durch die Lande. Zwischen Hamburg und Budapest ließ sie sich keck als solche feiern und erzählte überall bereitwilligst von ihren »Abenteuern« mit dem feschen Leopold. Um die echte Rössl-Wirtin aus Lauffen kümmerte sich indes kein Mensch, doch das Haus am See – bald von Ross auf Rössl umbenannt – erlebte eine ungeheure Konjunktur.
Noch war Das Weiße Rössl ein Sprechstück, und daher geriet es – wie so viele Boulevardkomödien – nach kurzer Zeit in Vergessenheit. Erst drei Jahrzehnte später wurde es durch einen Zufall wieder entdeckt, mit zündenden Melodien garniert – und nun erst begann sein Siegeszug um die Welt.
Und das kam so: Der berühmte Schauspieler Emil Jannings saß im Sommer 1929 gemeinsam mit dem Berliner Theaterdirektor Eric Charell auf der Terrasse des – sozusagen irrtümlich – berühmt gewordenen Hotels Im weißen Rössl am Wolfgangsee. Im Scherz bestellte Jannings sein Mittagessen ebenso »piefkinesisch« wie der deutsche Urlaubsgast Wilhelm Giesecke in dem kurz zuvor in Berlin wieder ausgegrabenen Bühnenstück von Blumenthal und Kadelburg: »Wenn ick Dampfer fahre, will ick Aal jrün essen, det jehört zusammen. Aber so was kennen die Brüder hier natürlich nich’!« Charell lachte Tränen, und da er für sein Großes Schauspielhaus im damals gerade »revueverrückten« Berlin dringend eine zugkräftige Ausstattungsrevue suchte, ließ er sich alles Nähere von Jannings erzählen, der sich an den Inhalt des Lustspiels noch genau erinnern konnte, in dem er vor vielen Jahren, 16-jährig, in Görlitz am Theater debütiert hatte.
Nach Berlin zurückgekehrt, beauftragte Charell den Komponisten Ralph Benatzky, das Stück zu vertonen. Der sofort Ohrwürmer wie den Titelsong Im Weißen Rössl am Wolfgangsee und Im Salzkammergut, da kann ma gut lustig sein schuf. Als Benatzky jedoch mitten in der Arbeit ausstieg, weil er plötzlich die Idee hatte, eine Oper schreiben zu müssen, sah sich Charell gezwungen, über Nacht einzelne Lieder von anderen Komponisten dazuzukaufen. Er wandte sich an Bruno Granichstaedten, der die Liedeinlage Zuschau’n kann i net beisteuerte, und an Robert Stolz, der für die Evergreens Die ganze Welt ist himmelblau und Mein Liebeslied muss ein Walzer sein sorgte.
Schon die Berliner Uraufführung des Singspiels am 8. November 1930 brachte einen Sensationserfolg. Publikumsliebling Max Hansen spielte den Leopold, Camilla Spira die Rössl-Wirtin Josepha Vogelhuber, Siegfried Arno den Sigismund, Paul Hörbiger den schnell noch in die Handlung eingebauten Kaiser Franz Joseph. Dreihundert Komparsen bevölkerten die für eine halbe Million Mark ausgestattete Bühne. Im allgemeinen Premierentrubel war auch niemandem aufgefallen, dass das Liebespaar in modernen Kostümen der verrückten zwanziger Jahre über die Bühne fegte, obwohl der daneben stehende kaiserliche »Kurgast« bereits 1916 verstorben war. Und zum Fünfuhrtee spielte man Charleston!
Für die Wiener Erstaufführung musste das Singspiel daher stark verändert werden – unter anderem auch das Bühnenbild, denn der Hintergrund des hochsommerlichen Wolfgangsees war in Berlin irrtümlich mit schneebedeckten Bergen bemalt worden. Hubert Marischka spielte am Wiener Stadttheater den Leopold, Paula Brosig die Wirtin, Fritz Imhoff den Giesecke, und als Sigismund, der nichts dafür kann, dass er »so schön ist«, trat der junge Karl Farkas auf.
Innerhalb weniger Monate war das Rössl ein Welterfolg. Es wurde in Kairo gespielt, lief als Al Cavallino Bianco in Rom, als White Horse Inn in London und New York. Und im Laufe eines halben Jahrhunderts wurde es mehrmals verfilmt.
Das Weiße Rössl am Wolfgangsee ist heute, nicht zuletzt dank dieser gigantischen Publicity, ein florierendes Hotel mit internationalem Standard.
Das echte Rössl in Lauffen bei Bad Ischl, dem es den ganzen Rummel zu verdanken hat, musste wenige Jahre nach der Uraufführung des Theaterstücks zusperren. Weil zu wenig Gäste gekommen waren.
DIE FRAUEN DES WALZERKÖNIGS …
… und ihr Einfluss auf seine Musik
Du bist das von Gott für mich bestimmte Wesen … Ohne Dich kann ich nicht leben … Mein Alles, mein geliebter Engel … « Zeilen wie diese verfasste Wiens populärster Komponist in Hülle und Fülle. Und sie waren nicht bloß an eine Frau gerichtet. Sondern an Dutzende. Es ist an der Zeit, darüber zu berichten, welche Rolle das weibliche Geschlecht im Leben des Strauß-Schani gespielt hat. Vor allem in Hinblick auf seine Kompositionen.
Die k. k. Polizeidirektion bezeichnete den Lebenswandel des 37-jährigen Johann Strauß Sohn in einem dicken Akt als »unsittlich und leichtsinnig«. Der Kaiser weigerte sich daraufhin, den nach ihm populärsten Österreicher in den Adelsstand zu erheben. Das hatte der Musikant wohl auch dem Umstand zuzuschreiben, dass er im 48er-Jahr einen »Revolutionsmarsch« komponiert hatte und im Dezember desselben Jahres wegen öffentlichen Spielens der »Marseillaise« angeklagt wurde. Doch auch der Wiener Bürgermeister Lueger war nicht bereit, Strauß die Ehrenbürger-Würde der Stadt, deren Name er durch seine Musik in alle Welt getragen hatte, zu überreichen. Neben den drei Ehefrauen förderte man beim Maestro nicht weniger als 13 Verlobte zu Tage, von zahlreichen anderen Amouren ganz zu schweigen.
Als »schwarzer Tag im Kalender der Damen Wiens« wird der 27. August 1862 bezeichnet. Denn an diesem Sommermorgen heiratete der eingefleischteste aller Junggesellen zum ersten Mal. Henriette Treffz, genannt Jetty, war die Auserwählte des feschesten Frackträgers der Donaumetropole. Jetty hatte ihrem Schani in punkto Vorleben nichts vorzuwerfen: Die ehemalige Opernsängerin, Tochter eines Arbeiters aus Wien-Gumpendorf, brachte sieben uneheliche Kinder mit in die Ehe. Zwei davon stammten aus der Verbindung mit Moritz Baron Todesco, den sie verließ, um bei Strauß einzuziehen. Der Bankier adoptierte seine beiden Kinder später.
Die Verbindung mit Jetty sollte sich für Johann Strauß als künstlerisch äußerst fruchtbar erweisen. Die um mindestens sieben Jahre ältere Frau – ihre Geburtsangaben schwanken – wurde zur wichtigsten Muse des Walzerkönigs, der übrigens nicht tanzen konnte. Schani ließ sich seinen berühmten Schnauzbart wachsen, um neben Jetty reifer zu wirken. Doch der Rastlose fand an ihrer Seite erstmals Ruhe und Geborgenheit. Strauß, der früher pro Abend auf bis zu sechs Bällen dirigiert hatte, überließ die Kapelle nun seinen Brüdern Josef und Eduard und konzentrierte sich aufs Komponieren. In seiner ersten Ehe entstand nicht nur der Donauwalzer, sondern auch Die Fledermaus, die er in 42 Tagen und Nächten niedergeschrieben hatte. Jettys Anteil am Zustandekommen dieser Operette ist gewichtig, war sie es doch, die heimlich Notenblätter aus dem Pult ihres Mannes stahl und dem Direktor des Theaters an der Wien überreichte. Strauß selbst wollte Die Fledermaus nicht aufführen lassen.
Ein Jahr nach der Hochzeit