Meine Reisen in die Vergangenheit. Georg Markus
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Dass Mozarts Freimaurer-Kantate – die ursprünglich den Titel Brüder reicht die Hand zum Bunde trug – zur Bundeshymne würde, stand anfangs keineswegs fest. Weite Teile der Bevölkerung und auch der zuständige Unterrichtsminister Felix Hurdes traten für eine Neutextierung der alten Kaiserhymne Joseph Haydns ein. Doch der Ministerrat stimmte dagegen, weil sie auch die Hymne der Nationalsozialisten war und man befürchtete, »dass dies im Ausland als Provokation empfunden werden könnte«.
Also hielt man nach Texten Ausschau, die zu Mozarts Noten passten. Einen sandte – wenn auch vorerst anonym – der damalige Rundfunkdirektor Rudolf Henz ein:
Lasst uns rühmen, lasst uns preisen,
Brüderlich in hohen Weisen.
Unser Land an Ehren reich,
Unser Herz und Werk und Leben,
Haben wir an dich vergeben.
Schöne Heimat Österreich!
Aus den Zeiten in die Zeiten,
Seht uns kühnen Sinnes schreiten,
Immer nur uns selber treu.
Harte Arbeit, frohes Wesen,
Leben selbst zur Kunst erlesen,
Freiheit kündend, selber frei!
Drum, ihr Länder, steht zusammen,
Hütet unsern heiligen Namen,
Unser Erbe schlicht und recht.
Dass kein Hader uns entzweie,
Jedes Schicksal uns erneue,
Uns und jegliches Geschlecht!
Eine Jury, der prominente Künstler wie der Operettenkomponist Edmund Eysler, der Dirigent Josef Krips, der Dichter Oskar Maurus Fontana, der Musikprofessor Friedrich Wildgans (ein Sohn des Dichters Anton Wildgans) sowie Wiens Kulturstadtrat Viktor Matejka angehörten, stimmte nun für Paula von Preradovic. Die Abstimmung ging denkbar knapp aus: Preradovic erhielt 47 Punkte, der Volksbildner Siegmund Guggenberger (Österreich, du Land in Ehren, ewig wird dein Name währen …) 45 Punkte, Alexander Lernet-Holenia 44. Danach kamen Rudolf Henz und Franz Theodor Czokor. Der sich für die zweifellos blutigste Version entschieden hat, die aber als einzige politisch-historischen Tiefgang zeigt:
Teurer Boden, blutbefleckter,
Und uns wieder neu erweckter
Aus dem Völkertotenreich:
Throne brachen, Länder schwanden,
Nie mehr geh du uns zuschanden,
Liebe Heimat Österreich!
Land der Berge, Land der Seen,
Darin von Ost und West ein Wehen,
Sich zu Nord und Süd gesellt,
Zeig uns, wo sich Wege finden,
Zu versöhnen, zu verbinden,
Was uns auseinander hält!
Axt und Sense brauch als Waffen,
Um zu ernten, um zu schaffen,
Mit der brüderlichen Hand!
Wenn sich die erneute Erde
Einen will, dass Friede werde,
Komm als Erstes, Vaterland!
Fritz und Otto Molden, die Söhne Paula von Preradovics, haben später einen Prozess gegen die Republik auf Zahlung von Tantiemen für die Hymne angestrengt – und diesen verloren. Zu Recht, wie ich nach Einsicht in die »Akte Volkshymne« feststellen konnte, findet sich doch darin ein Passus, demzufolge mit dem Honorar in Höhe von 5000 Schilling »alle Rechte abgegolten« wurden.
Politiker und Publizisten, die eine Änderung der Bundeshymne vorschlugen, weil in ihr die Rolle der Frau zu kurz käme, hätten mit den Texten der anderen Dichter ebenso wenig Freude gehabt, denn in keinem einzigen Vorschlag wird neben »Söhnen und Brüdern« der »Töchter und Schwestern« gedacht.
Alles in allem können wir der Jury danken, dass die Entscheidung zu Gunsten der Worte Paula von Preradovics ausging. Land der Berge ist allemal erträglicher als Felderfrucht und Erntetanz oder gar Teurer Boden, blutbefleckter.
»DER FÜR DAS HOHE C GEBORNE«
Das Wunder Caruso
Sicher, auch Bass und Bariton haben ihre Verehrer – der Tenor jedoch wird angebetet, bewundert, geliebt. Wer aber war der größte aller Tenöre? Um diese Frage nicht selbst beantworten zu müssen, stellte ich sie einem, der selbst in der allerersten Garnitur mitspielt. Luciano Pavarotti.
Er musste nicht eine Sekunde nachdenken. »Caruso ist und bleibt der Größte«, sagte er. »Caruso war der Wahrhaftigste von allen, er wäre auch heute noch modern, es hat nie einen Besseren gegeben.« Pavarotti weiß das so genau, weil er mit ihm aufgewachsen ist: »Mein Vater hat mir alle seine Platten vorgespielt, und wir haben im Radio immer nur Carusos Stimme gesucht. Er war mein Leitstern auf dem Weg zur Bühne.«
Enrico Carusos Karriere war tatsächlich einzigartig: am 25. Februar 1873 als achtzehntes Kind einer armen Arbeiterfamilie in Neapel zur Welt gekommen, bettelte er sich als Straßensänger durchs Leben, um die ersten Gesangsstunden finanzieren zu können. Doch niemand wollte an ihn glauben. »Deine Stimme klingt wie der Wind, der durchs Fenster pfeift«, meinte sein Lehrer.
Tatsächlich überschlug sich das später so berühmte Organ fortwährend, und vom legendären Hohen C konnte noch lange keine Rede sein. Mit 21 debütierte er bei einer Wandertruppe in seiner Heimatstadt, in den folgenden Jahren trat er ohne besonderen Erfolg an verschiedenen Provinzbühnen auf, ehe er 1898 im Mailänder Teatro Lirico in Umberto Giordanos Oper Fedora den Durchbruch schaffte. Dennoch lehnte ihn Puccini zwei Jahre später für die Uraufführung seiner Tosca in Rom ab. Gegen alle Widerstände kämpfte Caruso mit ungeheurer Disziplin weiter, bis London, Mailand, Berlin und New York riefen. 1902, als Herzog von Mantua in Verdis Rigoletto an der Covent Garden Opera, wurden erstmals das Außergewöhnliche seiner Stimme, seine darstellerische Kraft und seine bahnbrechende Persönlichkeit gewürdigt. Als er zwischen 1906 und 1913 – insgesamt nur 14-mal – an der Wiener Hofoper auftrat, lag ihm die Stadt zu Füßen. Keinem anderen Sänger war hier je die Phantasiegage von 12 000 Kronen* pro Vorstellung ausbezahlt worden. Der Wiener Schriftsteller Robert Weil drückte die Stimmung in einem unter dem Pseudonym Homunkulus verfassten Gedicht mit dem Titel Caruso in Wien aus: