Meine Reisen in die Vergangenheit. Georg Markus
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Steht etwa gar der Ring in Flammen?
Es läuft die halbe Stadt zusammen,
Fahrzeuge schießen her und hin,
In hellem Taumel steht ganz Wien,
Nie vor der Oper ging’s noch zu so:
Heut singt Caruso!
Die Presse kündete es laut:
»Das ist das Wunder, kommt und schaut,
Das jede Konkurrenz bezwungen,
Das sich die höchste Gage ersungen,
Dem in der Welt, der neuen, alten,
Kein Sänger den Tarif kann halten;
So ein Tenor wie sein Tenor,
Kommt niemals nimmer nie nicht vor.
Dafür sind doch genug Beweise,
Vierfach erhöhte Eintrittspreise …«
Jetzt hebt der Vorhang sich hinauf;
Ein Schauder bebt: Denn Er tritt auf,
Der Einzige! Der Auserkorne!
Der eigens für das C Geborne,
Zu viel nicht sagten die Tiraden:
Herrgott, was hat der Mann für Waden!
Herrgott, wie ist die Brust so rund!
Doch still, jetzt öffnet er den Mund!
Er räuspert sich! Achtung! Er zuckt!
Achtung! Er gluckt! Er schluckt! Er spuckt!
Und jetzt: Er singt! Schon singt er A,
Schon singt er B! Schon singt er Ha!
Und jetzt – jetzt kommt’s: Hurra, das C!
Das ganze Haus schnellt in die Höh’
Es ist, als zündete der Blitz,
Die Frauen halten sich am Sitz,
Die Mägdlein alle fasst ’ne Rage,
Es wölbt sich hoch die Decolletage,
Mit Ohren, Lippen, Wangen, Augen,
Sucht man das Wunder einzusaugen,
Und die Prinzessin haucht ganz fahl:
»So einer wär’ mein Ideal!« …
»In der Tat war Caruso ein dreifaches Phänomen«, erzählte mir Marcel Prawy. »Erstens war er wirklich der größte Tenor aller Zeiten, zweitens war er der Erste, für den die amerikanische Reklamemaschine voll einsetzte, und drittens war er der erste Plattenstar.«
Und was für einer. Die Platte hat nicht nur Carusos weltweite Popularität begründet, er war es auch, der den Siegeszug des noch jungen Mediums ermöglichte, schafften sich doch Millionen Menschen auf allen Kontinenten ihre Grammofone nur an, um das »Wunder Caruso« mit eigenen Ohren erleben zu können. Der britische Plattenproduzent Fred Gaisberg – der mit ihm in der Rekordzeit von zwei Stunden zehn populäre Opernarien aufnahm – brachte es auf den Punkt, als er über Caruso sagte: »He made the gramophone!« Trotz mangelhafter Aufnahmetechnik – anfangs noch mit dem Edison-Zylinder – lässt sich seine überragende Gesangsqualität heute noch erahnen.
Caruso hatte in seinem Repertoire 500 Lieder und 67 Opernpartien, die er jederzeit ohne Vorbereitung beherrschte. Er selbst definierte seinen Erfolg so: »Eine große Brust, ein großer Mund, neunzig Prozent Gedächtnis, zehn Prozent Intelligenz, eine Menge harter Arbeit und ein kleines Etwas im Herzen.«
Zwischen Bühnenruhm und privatem Glück lagen freilich Welten, wie Enrico Caruso leidvoll erfahren musste: seine langjährige Lebenspartnerin Ada, als Opernsängerin eher mittelmäßig, ging – nachdem sie ihm vier Kinder geschenkt hatte – mit seinem Chauffeur durch. Der Startenor, einer der größten Frauenhelden aller Zeiten, hat diese Schmähung nie verkraftet. Er starb 1921 im Alter von nur 48 Jahren.
* Die Summe entspricht lt. Statistik Austria im Jahre 2002 rund 45 000 Euro.
TOD IM HOTEL
Mein Besuch im Genfer Beau-Rivage
Das Beau-Rivage, an der eleganten Uferpromenade des Genfer Sees gelegen, ist ein prachtvoller alter Bau. Ein Hotelpalast, vergleichbar mit dem Imperial in Wien oder dem Ritz in Paris. Im Gästebuch findet sich die Weltprominenz der letzten hundert Jahre. Ein gutes Dutzend gekrönter Häupter, der Herzog von Windsor mit seiner Wallis Simpson, General de Gaulle und Edward Kennedy, die Millionäre Astor, Rockefeller und Vanderbilt, etliche Maharadschas und russische Großfürsten. Aber auch Richard Wagner, Robert Schumann, Benny Goodman, Jean Cocteau, Charlie Chaplin oder Clark Gable sind hier abgestiegen. Zwei Namen brachten das Hotel freilich in die internationalen Schlagzeilen: Kaiserin Elisabeth von Österreich und der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel. Beide sollten ihre Zimmer im Beau-Rivage nicht lebend verlassen.
Trotz telefonischer Voranmeldung bei der Besitzerin des 200-Betten-Palais war’s gar nicht so einfach, zu Madame Catherine Mayer vorzudringen. Eine Hausdame führte mich vorerst durchs Hotel, um mir die Salons und Appartements – vor allem natürlich das Sterbezimmer »unserer Sisi« – zu zeigen. Als ich aber der Hotelangestellten die Frage stellte, wo denn die Suite, in deren Badezimmer der Ministerpräsident Barschel …, da war plötzlich der Teufel los. Die junge Frau ergriff hastig die Flucht und ward nie wieder gesehen. Nach längerer Wartezeit tauchte eine Verwandte der Chefin auf, bot mir im Marmorsalon L’Impératrice einen Platz an und wollte von mir wissen, ob ich tatsächlich wegen der Kaiserin Elisabeth gekommen wäre. Denn in Sachen Dr. Uwe Barschel könne man mir, »bitte wirklich um Verständnis«, keine Auskunft erteilen.
Erst nach einer Garantieerklärung meinerseits, dass ich keineswegs an Barschels Badewanne interessiert sei, sondern einen Bericht über Kaiserin Elisabeth schreiben wollte, erschien Madame Catherine Mayer, die Chefin. Unterm Arm ein riesiges Paket Unterlagen und Fotos zu »Sisis« Tod im Appartement 119/120 des Beau-Rivage.
Man ist, so hat’s den Anschein, geradezu stolz darauf, dass Österreichs Kaiserin im familieneigenen Hotel ihren letzten Atemzug tat, will mit der Affäre Barschel jedoch absolut nichts zu tun haben.
Verbleiben wir also zunächst