Was mich umtreibt. Galen Strawson

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Was mich umtreibt - Galen  Strawson Oktaven

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Sekunde vielleicht, allerhöchstens ein paar Sekunden. Man sollte den Terminus «synchron» durchaus etwas ausdehnen, um solche Abschnitte abdecken zu können.

      Manche behaupten, das «Selbst» als etwas Fragmentarisches, Multiples zu erleben, und ich glaube, jeder von uns hat entsprechende Erfahrungen gemacht, um zu verstehen, was damit gemeint ist. Manches Mal sind wir rasch wechselnden, sich überlagernden Stimmungen oder gravierenden inneren Interessenkonflikten unterworfen. Gedankliche Prozesse können mit einer solch rasenden Geschwindigkeit ablaufen, dass sie förmlich auf uns einstürzen und keine gedankliche Ordnung mehr zulassen. Das mag als Beleg für ein multipel-synchrones Erfahren des Selbst genommen werden.

      Nehmen wir einander widerstreitende Bedürfnisse in uns wahr, verstärkt dies jedoch meist unseren Eindruck vom «Selbst» als einer singulären Einheit. Ist es nicht letztendlich so, dass man eine derartige innere Diskrepanz nur dann zu registrieren vermag, wenn man sich im Grunde als ein Einziges betrachtet? Wie ist es zum Beispiel, wenn uns eine chaotische Gedankenflut überkommt? Meistens empfinden wir uns dann als hilflose Zuschauer einem mentalen Pandämonium gegenüber. Und auch hier: Die Erfahrung, ein bloßer Zuschauer zu sein, verstärkt doch wieder unsere Wahrnehmung von uns selbst als singulärer Einheit. Und sollte man annehmen, dass es überhaupt möglich ist, sich als multipel-synchrones «Ich» wahrnehmen zu können, setzt dies ein Höchstmaß an selbstreflexivem Denken voraus, das wiederum von vornherein derartige Erfahrungen ausschließt. Die Metapher der Multiplizität ist machtvoll, aber sie bleibt eben doch nur eine Metapher, die ihre Stärke aus der ursprünglichen Erfahrung von Singularität bezieht. Wie Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft bemerkt, «… kann doch das subjektive Ich nicht geteilt und verteilt werden, und dieses setzen wir doch bei allem Denken voraus».

      Nun zum fünften Aspekt des «Selbst», seiner Unterschiedenheit. Wovon unterscheidet sich das «Selbst»? Auf diese Frage lassen sich gleich mehrere Antworten finden. Zuallererst wird das «Selbst» als etwas von der körperlichen Gesamtheit des Menschen Verschiedenes verstanden. Darüber hinaus unterscheidet es sich zweitens auch von allen mentalen Vorgängen, wie Gedanken und Gefühlen etc., denn es hat Gedanken und Gefühle, fällt aber nicht mit ihnen zusammen oder wird gar von diesen gebildet. – David Hume zog das «Selbst» als Serie mentaler Vorgänge in Betracht. Der gesunde Menschenverstand steht allerdings einer solchen «Bündel-Theorie» entgegen. Hume selbst hat diesen Gedanken am Ende auch wieder verworfen. – Drittens lässt sich sehr wohl denken, dass das «Selbst» von allen unbewusst ablaufenden mentalen Vorgängen, wie Überzeugungen, Vorlieben, Erinnerungen oder Charakterzügen, unterschieden ist. Und zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass es sich als getrennt von allem Physischen denken lässt – etwa als immaterielle Seele. Diese Idee ist allerdings nicht integraler Bestandteil des «Ich-Bewusstseins».

      Unter dem sechsten Aspekt wird das «Selbst» gemeinhin als Agens, als Handelndes verstanden. Es geht seinen eigenen Aktivitäten nach – Denken, Vorstellen, Wählen –, und das ganz unabhängig von den übrigen Aktivitäten des Körpers, ja es setzt diese sogar selbsttätig in Gang. Um es mit den Worten von William James auszudrücken: «Anstrengung der Aufmerksamkeit ist somit die wesentliche Erscheinung des Wollens.» Für uns alle ist dies wohl ohne Weiteres nachzuvollziehen.

      Der siebte Aspekt besteht in der These, dass das «Selbst» einen Charakter, eine Persönlichkeit besitzt, so wie auch der gesamte physische Mensch. Wir alle verstehen unseren individuellen Charakter als die Art, wie wir von unserem Wesen her sind. Gehen wir also davon aus, dass unsere Existenz ein mentales «Selbst» einschließt, so sehen wir ganz selbstverständlich dieses geistige «Ich» als Sitz unserer Persönlichkeit.

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      Setzt man voraus, dass diese sieben Aspekte das gewöhnliche «Bewusstsein vom Ich» im Wesentlichen umfassen, stellt sich doch die Frage, ob sie für das genuine, eigentliche «Bewusstsein vom Selbst» allesamt unabdingbar sind. Ich denke nicht – nicht einmal im Falle der menschlichen Spezies.

      Der Zweifel an der Charakterlichkeit des Selbst liegt auf der Hand. Für die meisten Menschen ist ihre eigene individuelle Persönlichkeit im jeweilig gegenwärtigen Moment kaum wahrnehmbar. Sie ist der Standpunkt, von dem aus die Welt betrachtet wird, oder das Instrument, durch welches das Äußere erfahrbar wird. Sie stellt sich ihnen als automatische, nicht hinterfragbare Gegebenheit dar, als eine globale, unsichtbare Kondition ihres Lebens, wie die Luft, nicht als ein Objekt der Erfahrung. Ian McEwan spricht von einem «gläsernen Kontinuum unserer Persönlichkeit», wobei er, wie ich glaube, die Transparenz oder Unsichtbarkeit des eigenen «Selbst» meint, das sich der Wahrnehmung durch das «Selbst» entzieht. Sartre äußert sich dazu folgendermaßen:

      «Diese Überlegungen ermöglichen eine Erklärung dessen, was wir Charakter nennen. Es ist hierbei ja festzuhalten, dass der Charakter nur als Erkenntnisobjekt für den Andern eine bestimmte Existenz hat. Das Bewusstsein erkennt seinen Charakter nicht – außer, wenn es sich reflexiv vom Gesichtspunkt des Andern aus bestimmt – […] Deshalb bietet die bloße introspektive Selbstbeschreibung nie einen Charakter dar.»

      An dieser Stelle sollte unbedingt erwähnt werden, dass die meisten Menschen sich selbst in bestimmten Situationen als «Ort des Bewusstseins», als bloßen «kognitiven Standpunkt» erfahren. Meist sind es kurze Begebenheiten, die in uns ein derartiges Erleben unserer selbst hervorrufen: Erschöpfung, Einsamkeit, Schock, Sex, abstraktes Denken, Langeweile, ein heißes Bad oder einfach das Gefühl beim Aufwachen.

      Auch eine klinische Depression kann bei gravierendem Verlauf eine «Entpersonalisierung» mit sich bringen. Ein pathologisches Phänomen, das sich für die erkrankte Person auch über einen längeren Zeitraum hinweg als realer Zustand darstellt. Gleich einer außerirdischen Spezies ohne individuelle Persönlichkeit und dennoch ausgestattet mit einem klaren Verständnis von sich als «Ort des Bewusstseins».

      Demgegenüber steht ein starkes Empfinden der eigenen mentalen Individualität, wie es beispielsweise Gerard Manley Hopkins umschreibt:

      «Mein Selbst-Sein, mein Bewusstsein und das Gefühl meiner selbst, der Geschmack meines Selbsts, von Ich und mir über und in allen Dingen, der deutlicher ist als der Geschmack von Bier oder Alaun, deutlicher als der Geruch eines Walnussblatts oder von Kampfer, und der für einen anderen Menschen nicht mitteilbar ist auf irgendeine Weise … Nichts anderes in der Natur kommt diesem unbeschreiblichen Akzent von Tonhöhe, Unterscheidungskraft und Selbsterfahrung, dem Bewusstsein meines eigenen Selbst, nahe.»

      Mich irritieren Hopkins Zeilen. Es fällt mir schwer, nachzuvollziehen, dass sie der Wahrheit entsprechen sollen, selbst wenn so mancher sie mir als exakt und zutreffend bestätigt hat. Um mit Sartre zu sprechen: Den meisten Menschen entzieht sich ihre Persönlichkeit der eigenen momentanen Wahrnehmung und bleibt für sie schlicht unbemerkt.

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      Hartnäckiger hält sich die Idee, das Empfinden vom «Selbst» müsse zwangsläufig eine gewisse Dauerhaftigkeit einschließen. Ich denke jedoch, dass die Selbstwahrnehmung zu jedem gegebenen Zeitpunkt lebhaft und vollständig ist, mag der ununterbrochene «Bewusstseinsabschnitt» auch noch so kurz sein.

      Man mag davon ausgehen, dass es dem Menschen unmöglich ist, sich nicht als fortdauerndes «Selbst» zu empfinden, auch, dass eine solche Hypothese der menschlichen Natur und Lebensrealität entgegensteht, und doch bin ich der festen Überzeugung, dass ein Leben ohne das Bewusstsein einer Langzeitkontinuität des mentalen «Ich» durchaus im Bereich menschlicher Erfahrung liegt. Wir können uns sehr wohl im Klaren darüber sein, als mehr oder weniger gleichbleibende körperliche Präsenz zu existieren, ohne dies notwendigerweise für unser mentales «Ich» in Anspruch zu nehmen. Vielleicht spielt diese Vorstellung von emotionaler Warte aus keine große Rolle für uns, vielleicht

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