Alles nur Zufall?. Georg Markus
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Dabei hat dieser die »Erstfamilie« auch in seinem Testament vom 10. Oktober 1847 mehr als schofel behandelt: »Letzter Wille, kraft dessen ich, endesgefertigter Johann Strauß, zu Erben meines Nachlasses die Emilie Trampusch, k. u. k. Kameralarztenstochter, zum einen und deren Kinder Johann, Emilie, Clementine, Maria und Therese Trampusch zum anderen Theile einsetze. Meine Kinder aus meiner Ehe mit Anna Strauß geb. Streim sollen auf den Pflichtteil gesetzt werden.«
Das Gesamtvermögen des verstorbenen Komponisten wird auf 7235 Gulden* geschätzt, in der Familie Strauß wird allerdings kolportiert, der Komponist habe seiner Geliebten noch zu Lebzeiten 30 000 Gulden geschenkt. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum es zu einem sich über Jahre hinziehenden Erbschaftsstreit vor Gericht kommt, von dem aber nur die Anwälte und der Verleger Carl Haslinger profitieren.
Einmal kommt es sogar zu einer Begegnung zwischen den beiden Strauß-Linien. Johann Trampusch, der 1836 unehelich geborene Sohn von Johann Strauß Vater, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass er seinem Halbbruder Josef Strauß zum Verwechseln ähnlich sehe. Er besucht deshalb eines Abends die Gastwirtschaft Zum Sperl in der Leopoldstadt, wo Johann und Josef aufspielen. Bei Champagner freundet er sich mit seinen beiden Halbbrüdern an, und diese laden ihn auch noch zu sich nach Hause ein.
Sie setzte gegen den Willen ihres Mannes durch, dass Sohn Johann Musiker wurde: Anna Strauß geborene Streim
Als ihre Mutter Anna Strauß jedoch von diesen Plänen erfährt, verbietet sie ihren Söhnen energisch jeden Umgang mit Trampusch und hindert ihn, als er den vereinbarten Besuch abstatten will, am Betreten der Wohnung.
Drei seiner Kinder mit Emilie Trampusch waren, als Johann Strauß Vater starb, bereits tot, auch die anderen sollten nicht alt werden. Emilie Trampusch stirbt um 1865 im Alter von knapp über fünfzig Jahren. Die ehelichen Söhne Josef und Eduard steigen erst nach dem Tod des Vaters in das Musikunternehmen Strauß ein.
Was die polygame Vermehrung betrifft, nimmt es Strauß Vater mit seinem kongenialen Gegenspieler Joseph Lanner auf. Strauß hat vierzehn Kinder mit zwei Frauen, Lanner hinterlässt neun Kinder mit vier Frauen.
* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 800 Euro.
* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 115 000 Euro.
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Egon Friedells Sprung aus dem Fenster, 16. März 1938
Egon Friedell * 21. 1. 1878 Wien, † 16. 3. 1938 Wien (Selbstmord). Veröffentlicht u. a. Die Kulturgeschichte der Neuzeit, drei Bände (1927–1931).
Es gab nichts, worüber sich Egon Friedell nicht lustig gemacht hätte. Auch der Selbstmord – und zwar sein eigener – war Teil einer Satire, die er zehn Jahre vor dem tödlichen Sprung aus dem Fenster seiner Wohnung verfasst hatte. »Egon Friedell«, schrieb er im April 1928, »hat gestern in seiner Wohnung einen Selbstmordversuch unternommen. Wir erfahren hierüber folgende Details: In seiner letzten Rolle, der Titelfigur in Geraldys Ihr Mann, in der er, wie wir ausdrücklich hervorheben, keineswegs unzulänglicher war, als in allen bisherigen, wurde er von der Presse wieder gefeiert. Schon nach den ersten Kritiken zeigte er ein an ihm ganz ungewohntes einsilbiges Wesen, und als das 6 Uhr-Blatt schrieb, er sei eine unvergessliche Gestalt auf der deutschen Bühne, verfiel er in tiefe Schwermut. In untröstlichem Tone erklärte er seinen Freunden gegenüber, dass er an die Aufrichtigkeit der Presse nicht mehr glauben könne und den künstlerischen Boden unter seinen Füßen wanken fühle«. Da Freunde das Äußerste befürchteten, sei Friedells Freundin, Frau Lina Loos, in die Wohnung gekommen: »Der Eintretenden bot sich ein schrecklicher Anblick. Friedell lag neben einer vollständig geöffneten, halb geleerten Flasche Abzugsbier in bewusstlosem Zustand unter Symptomen schwerer Alkoholvergiftung. Er wurde ins Spital gebracht, wo es gelang, ihm das Gift auszupumpen. Wie wir hören, soll er schon im Sommer aus ähnlichen Gründen im Erholungsheim Grundlsee einen Alkoholvergiftungsversuch mit Punschtorte gemacht haben.«*
Das also war der Nachruf, den er quasi als Vorruf geschrieben hat. Im März 1938 ist der Gedanke an Selbstmord kein Spaß mehr. Der Junggeselle und bisher stets gut gelaunte Schauspieler, Kabarettist, Schriftsteller und Philosoph spricht in den Tagen, ehe er den Gedanken wahr macht, immer wieder über die Möglichkeit, seinem Leben angesichts der Bedrohung durch den Einmarsch der Nationalsozialisten selbst ein Ende zu setzen. Er versichert, dass die Möglichkeit der Emigration für ihn nicht infrage komme, da die geringste Veränderung der Umwelt – eine Reise etwa – für ihn ein schier unlösbares Problem darstelle. Die Schriftstellerin Dorothea Zeemann, die in den letzten Lebenstagen des jüdischen Universalgelehrten mehrmals in seiner Wohnung in der Währinger Gentzgasse Nr. 7 erscheint, versucht, wie sie in ihrer Autobiografie erklärt, Friedell von dem Gedanken abzubringen, indem sie den Historiker in ihm aufrüttelt: »Es sollte dich interessieren, neugierig solltest du sein, wie es weitergeht.«
Die letzten Tage und Nächte des Philosophen, Historikers, Schauspielers und Kabarettisten Egon Friedell
Darauf Friedell, niedergeschlagen: »Ich weiß es aber schon, ich weiß es genau.«
Den Vorabend seines Todes verbringt Friedell mit Herma Kotab in seinem Arbeitszimmer. Ihre Mutter Hermine Schimann, Friedells langjährige Haushälterin, die ihm längst zur Freundin und Vertrauten geworden ist, hat sich, müde von den letzten, endlos durchdiskutierten Nächten, zu Bett begeben. Herma versucht den »lachenden Philosophen«, wie er ob seines scheinbar unerschütterlichen Humors genannt wurde, von seinem Gedanken an Selbstmord abzubringen. Friedell geht in seiner Wohnung auf und ab und erwidert, dass er auf dieser Welt nichts mehr zu sagen und daher auch nichts mehr zu suchen habe. Erst gegen 5.30 Uhr kann Herma ihn überreden, schlafen zu gehen.
Friedell hat seit dem »Anschluss« vor vier Tagen viel geraucht und getrunken, aber fast nichts gegessen. Endlich nimmt er an diesem 16. März 1938 zu Mittag etwas Suppe zu sich. Sein engster Freund Alfred Polgar, der seine Emigration in die Schweiz vorbereitet, kommt und versucht Friedell von der Möglichkeit der Flucht zu überzeugen. Am Abend sind wieder Dorothea Zeemann, weiters der Dichter Franz Theodor Csokor und der Theaterkritiker Walther Schneider bei ihm. Schneider wird sich nach dem Krieg im Vorwort eines Friedell-Buches erinnern, dass dieser nicht unvorbereitet in den Tod ging: »Mit dem Gedanken eines Selbstmordes machte er sich in den letzten Tagen seines Lebens vertraut und er verhehlte seine Absicht nicht. Er sprach ohne Sentimentalität und Bedrückung von ihr.« Die Freunde gehen an diesem, Friedells letztem Abend früher als gewöhnlich.
Kurz nach 22 Uhr, Friedell ist bereits in seinen Hausmantel gehüllt und will sich zum Schlafengehen fertigmachen, läutet es an der Tür. Herma Kotab öffnet. Zwei Burschen in SA-Uniform fragen: »Wohnt da der Jud Friedell?«
Herma: