Alles nur Zufall?. Georg Markus
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Berta Zuckerkandl erwähnt, dass neben Hermann Bahr, Burckhard und Klimt »nur ein junges Mädchen kam, das einzuladen Emil sich in den Kopf gesetzt hatte. Alma Schindler, die Tochter des großen Malers Emil Schindler. Er ist vor Jahren gestorben, jetzt ist sie die Stieftochter des Malers Carl Moll, des frevelhaft geschickten Impresarios der Sezession.«
Brachte Alma und Gustav Mahler zusammen: Wiens große Salondame Berta Zuckerkandl
Und so schildert Berta Zuckerkandl den Verlauf des Abends: »Natürlich war das Menü auf Mahler eingestellt, er verträgt nur leichte Kost. Punkt acht Uhr kam er. Viel gemütlicher als wir dachten.« Der Hofoperndirektor erzählt von einem Erzherzog, der verlangte, eine absolut unbegabte, aber ausnehmend hübsche, von ihm protegierte Sängerin an die Oper zu engagieren, was von Mahler abgelehnt wurde. Burckhard gibt an, ähnliche Protektionsversuche auch am Burgtheater abgewendet zu haben, was seinem Vorgänger noch nicht gelungen war. Die Möglichkeiten des Erzhauses, auf künstlerische Belange Einfluss zu nehmen, seien also geringer geworden.
Alma hat schweigend zugehört. Nun fragt sie temperamentvoll: »Warum hat sich das Publikum das gefallen lassen?«
Mahler hat sie bisher nicht beachtet. Jetzt sieht er sie aufmerksam an. »Eine solche Frage kann nur die Jugend stellen, die weiß noch nichts von Feigheit und Kompromissen.«
Dann wird das Dessert serviert und Mahler wendet sein Interesse den Äpfeln zu. Zum schwarzen Kaffee löst sich die Tischgemeinschaft auf. Plötzlich hört Berta Zuckerkandl laute Stimmen aus dem Nebenzimmer, denen sie nachgeht. Zornig steht Alma da. Auch Mahler ist wütend und hüpft hin und her.
»Sie haben nicht das Recht, ein Werk, das Ihnen eingereicht wird – noch dazu von einem echten Musiker wie Zemlinsky – einfach ein Jahr lang liegen zu lassen«, wird Mahler von Alma attackiert. »Sie können ›Nein‹ sagen, aber antworten hätten Sie müssen!«
»Das Ballett ist miserabel«, knurrt der Hofoperndirektor. »Ich verstehe nicht … Sie studieren doch Musik – wie können Sie für so einen Schmarren eintreten?«
»Erstens ist es kein Schmarren. Wahrscheinlich haben Sie sich nicht die Zeit genommen, das Werk durchzusehen, und zweitens kann man auch höflich sein, wenn es sich um schlechte Musik handelt.«
Gustav Mahler hat natürlich keine Ahnung, dass Alma auch mit Alexander Zemlinsky, ihrem Kompositionslehrer, durch ein stürmisches Verhältnis verbunden ist.
Der Direktor nagt an seinen Lippen. Plötzlich streckt er seine Hand aus: »Machen wir Frieden. Ich verspreche Ihnen natürlich nicht, das Ballett anzunehmen. Weil Sie aber so tapfer für Ihren Lehrer einstehen, verspreche ich Ihnen, Zemlinsky morgen zu mir zu bitten.«
Alma Mahler geb. Schindler * 31. 8. 1879 Wien, † 11. 12. 1964 New York. Geliebte, Ehefrau und Muse bedeutender Künstler. Sie heiratet 1902 Gustav Mahler, zweite Ehe mit Walter Gropius, dritte Ehe mit Franz Werfel.
Alma ist über ihren Temperamentsausbruch sichtlich erschrocken. Wie hat sie ihn ihrem Idol gegenüber nur wagen können? Sie flüchtet zu Klimt und Burckhard. »Klimt hat für sie geschwärmt, als sie sechzehn Jahre alt gewesen ist. Burckhard ist eben jetzt in sie verliebt. Sie aber nimmt das recht gleichgültig hin«, schreibt Berta Zuckerkandl.
»Es ist das erste Mal«, drängt Mahler zum Aufbruch, »dass ich mich in einer Gesellschaft wohlfühle. Ich muss aber fort, denn ich habe morgen Kostümprobe. Übermorgen ist die Generalprobe von Hoffmanns Erzählungen.«
Beim Abschied fragt er zunächst Berta Zuckerkandl: »Darf ich Sie zur Generalprobe einladen? Übermorgen Punkt zehn.« Und dann an Alma gerichtet: »Wenn es Fräulein Schindler interessiert, so bitte ich auch sie, mir das Vergnügen zu machen.«
Eines der raren Fotos, die das Ehepaar gemeinsam zeigen: Alma und Gustav Mahler bei einem Spaziergang
Fort ist er. Mit hastigen Schritten verschwindet er wie ein Irrlicht. Die anderen Gäste bleiben noch.
»Alma, du kannst dich nicht beklagen«, sagt Frau Zuckerkandl im Scherz, »ich habe dir die Vergangenheit eingeladen«, und sie zeigt auf Klimt, »die Gegenwart« und sie zeigt auf Burckhard, »und vielleicht die Zukunft«.
Berta weiter in dem Brief an ihre Schwester: »Drei Wochen sind seither vergangen. Gestern hat sich Alma mit Mahler verlobt. Gleich nach dem Abend bei mir hatte er Frau Moll, Almas Mutter, besucht, war von der Atmosphäre dieses Hauses entzückt – taute auf, vergaß seine asketische Weltanschauung, wurde jung und töricht verliebt.«
Zufall? Schicksal? Bestimmung? Alma Schindler und Gustav Mahler heiraten am 9. März 1902 in der Wiener Karlskirche, 1904 wird Tochter Anna geboren. Die Ehe hält – mit Höhen und Tiefen – bis zu Mahlers Tod im Mai 1911.
Nicht mehr und nicht weniger ereignete sich an jenem Abend im Salon der Schriftstellerin und Journalistin Berta Zuckerkandl, die schon in ihrer Kindheit der großen, weiten Welt begegnet war. Ihr Vater Moriz Szeps war Chefredakteur und Herausgeber des liberalen Neuen Wiener Tagblatts und ein enger Freund des österreichisch-ungarischen Thronfolgers, Kronprinz Rudolf, der in seiner Zeitung anonym Texte veröffentlichte, die zum Teil gegen die Politik der k. u. k. Monarchie gerichtet waren.
Berta Zuckerkandls Salon befand sich bis 1916 in der Döblinger Nußwaldgasse. Als das Ehepaar an die Ringstraße übersiedelte, war der Prominententreff im Haus des Café Landtmann etabliert.
* Der Wortlaut der beiden Telefongespräche findet sich in Berta Zuckerkandls Erinnerungen Österreich intim.
EIN FIAKER MACHT KARRIERE
Josef Bratfischs Diskretion, 14. November 1887
Josef Bratfisch * 26. 8. 1847 Wien, † 16. 12. 1892 Wien. Kutscher und Wienerliedsänger, ab 1887 Leibfiaker des Kronprinzen Rudolf.
Einen solchen Fall gibt’s nur einmal. Dass der Name eines Kutschers weit mehr als hundert Jahre nach seinem Ableben immer noch bekannt, ja geradezu populär ist. Bei Josef Bratfisch spielt wohl mit, dass er »nebenberuflich« Heurigensänger und Kunstpfeifer war, vor allem aber, dass er sich als Freund des Kronprinzen Rudolf bezeichnen und diesen gemeinsam mit Mary Vetsera auf ihrer letzten Fahrt nach Mayerling bringen durfte.
In Wien wusste man von der Begeisterung des Kronprinzen für das Volkslied, oft konnte man den Sohn des Kaisers, teils erkannt, teils anonym, in Gasthäusern und Buschenschenken beobachten, in denen er stundenlang und geradezu andächtig