Alles nur Zufall?. Georg Markus

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Alles nur Zufall? - Georg Markus

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Vormittag des 21. November 1916 empfing Kaiser Franz Joseph Erzherzog Karl und mich«, schreibt Kaiserin Zita in ihren Lebenserinnerungen. »Er saß an seinem Schreibtisch in Uniform und arbeitete noch an einem Rekrutierungsakt. Er war brennend vor Fieber, und trotzdem ließ er nicht von der Arbeit.« Das Ehepaar bleibt nur wenige Minuten, in denen der Kaiser seiner Hoffnung Ausdruck gibt, bald wieder genesen zu sein, da er »fürs Kranksein keine Zeit« habe. Er erwähnt die Truppenerfolge und die freundliche Teilnahme des Papstes an seiner Genesung. »Dann entließ uns der Kaiser mit viel Herzlichkeit«, schreibt Zita, »und das war das letzte Mal, dass wir ihn bei Bewusstsein gesehen haben.«

      Joseph Ritter von Kerzl * 28. 8. 1841 Pardubitz/Böhmen, † 29. 8. 1919 Semmering. Ab 1884 Hofarzt, begleitet er Kaiserin Elisabeth auf ihren Reisen, seit 1897 Leibarzt Kaiser Franz Josephs.

      Franz Joseph nimmt, nachdem Karl und Zita gegangen sind, ein leichtes Mittagessen ein, danach ist Kabinettsdirektor Franz von Schießl gemeldet, um Allfälliges zu besprechen, doch der in seinem Lehnstuhl sitzende Kaiser ist nicht mehr in der Lage, ihn zu empfangen. Dr. Kerzl kommt, sieht Franz Joseph ganz in sich zusammengesunken, das Thermometer zeigt erstmals 39,5 Grad. Der Leibarzt informiert Marie Valerie von einer deutlichen Verschlechterung des Zustands Seiner Majestät.

      Dennoch erhebt sich Franz Joseph etwas später aus seinem Lehnstuhl und geht mit Hilfe eines Kammerdieners zu seinem Schreibtisch, wo er seine laufenden Geschäfte zu erledigen versucht. Mit großer Besorgnis beobachtet ein Flügeladjutant durch einen Spiegel aus dem Nebenzimmer, wie Franz Joseph immer wieder den Kopf fallen lässt. Die Feder, die ihm vom Kammerdiener gereicht wird, fällt zu Boden. Der Kaiser legt das Haupt in die Hand und schläft ein.

      Um vier Uhr nachmittags erwacht er und lässt sich die Feder reichen, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Er arbeitet den Aktenstoß auf, unterschreibt und ordnet, sperrt die Mappe zu.

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       Bis zuletzt an seinem Schreibtisch: der greise Monarch bei der Arbeit

      Nach einem kleinen Abendessen um sechs erlaubt der Kaiser der eingetroffenen Marie Valerie, sein Arbeitszimmer zu betreten. Sie ist zutiefst betroffen über den Wandel des Aussehens ihres Vaters, der in ihren Augen zum ersten Mal die Züge eines Greises trägt. Mit erstickter Stimme sagt Franz Joseph, dass der Burgpfarrer hier gewesen sei und ihn vorbereitet habe.

      Marie Valerie küsst die Hand ihres Vaters und verlässt den Raum. Zwei Kammerdiener erscheinen und wollen den Kaiser zur Nachtruhe betten. »Ich habe noch viel zu tun«, wehrt Franz Joseph ab, lässt es dann aber zu, als er merkt, dass er zur Arbeit nicht fähig ist.

      Es ist sieben Uhr abends. Das Bewusstsein des alten Herrn beginnt sich zu trüben, er findet das Kopfende des Bettes nicht; die Kammerdiener helfen ihm. Die beiden Ärzte stellen fest, dass die Entzündung beide Lungenflügel erfasst habe, das Herz aber noch verhältnismäßig kräftig sei.

      Eugen Ketterl * 7. 10. 1859 Wien, † 11. 10. 1928 Wien. Beginnt seine Laufbahn als Servierkraft am kaiserlichen Hof, ab 1895 bis zu dessen Tod Leibkammerdiener Kaiser Franz Josephs.

      Als der Kopf des Monarchen auf seinem Polster ruht, fragt ihn Kammerdiener Eugen Ketterl wie jeden Abend: »Haben Eure Majestät noch Befehle?«, worauf Franz Joseph, lauter als zuletzt, sagt: »Morgen früh um halb vier wecken wie immer.«

      Während der Kaiser einschläft, füllt sich sein Schlafgemach mit Menschen. Das Thronfolgerpaar, die nahen Familienmitglieder, seine engsten Mitarbeiter Montenuovo, Paar, die Flügeladjutanten, hohe Würdenträger, die Kammerdiener – sie alle wissen, dass die letzte Stunde Seiner Apostolischen Majestät geschlagen hat.

      Einmal noch erwacht er, ohne zu erfassen, dass sein Zimmer voll mit Menschen ist, und verlangt mit leiser Stimme zu trinken. Franz Joseph ist nicht mehr in der Lage, den ihm gereichten Tee einzunehmen. Da richtet ihn Kammerdiener Ketterl auf, und es glückt, dem Kaiser einige Tropfen einzuflößen. »Na«, flüstert Franz Joseph, »warum geht’s denn jetzt?«

      Dies sind seine letzten Worte.

      Er fällt in eine Ohnmacht, aus der er nicht mehr erwachen wird. »Es war ergreifend zu sehen«, erinnerte sich Kaiserin Zita, »mit welcher Ruhe und mit welchem Frieden der Kaiser hinüberging.«

      Um halb neun Uhr erscheint der Hofkaplan, um dem Sterbenden das Sakrament der Letzten Ölung zu spenden. Nach einem kurzen Hustenanfall wird der Atem leiser, Dr. Kerzl tritt an das einfache Soldatenbett des Kaisers, Marie Valerie fragt: »Atmet er noch?« Als der Leibarzt verneint, nähert sie sich ihrem Vater und drückt ihm als letzte Geste ihrer Liebe die Augen zu.

      In Wien hat sich bereits im Lauf dieses Tages herumgesprochen, dass der Kaiser im Sterben liegt. Als sich abends die Nachricht von seinem Ableben verbreitet, ist der Schönbrunner Schlosspark voll mit Menschen. Gleichzeitig füllt sich der Vorraum seines Schlafgemachs mit weiteren, telefonisch herbeigerufenen Personen, die Franz Joseph nahestanden, unter ihnen seine langjährige Seelenfreundin Katharina Schratt. Man hat sie in seinen letzten Lebenstagen nicht zu ihm gelassen, jetzt setzt Karl – der neue Kaiser Karl – ein Zeichen des Respekts. Er reicht der Hofschauspielerin den Arm und führt sie an das Bett seines eben verstorbenen Großonkels. Stumm legt Frau Schratt zwei weiße Rosen auf die Brust des Kaisers.

      Viele Bewohner Österreich-Ungarns befürchten, dass mit Franz Josephs Tod an diesem 21. November 1916 auch die altehrwürdige Monarchie im Sterben liegt. Sie wird ihn tatsächlich um nur zwei Jahre überleben.

      IN DIE FALSCHE FRAU VERLIEBT

       Wolfgang Amadeus Mozart heiratet Constanze statt Aloisia, 4. August 1782

      Wolfgang Amadeus Mozart * 27. 1. 1756 Salzburg, † 5. 12. 1791 Wien. Bedeutende Werke: Le nozze di Figaro (1786), Don Giovanni (1787), Così fan tutte (1790), Die Zauberflöte (1791) u. v. a.

      Zunächst meldet sich niemand, erst als die Zeitungsannonce zum vierten Mal erschienen ist, findet die Orgel einen Abnehmer, und das Ehepaar Mozart ist von seinen Geldsorgen befreit. Aber wie so oft wieder nur für ein paar Wochen.

      Auch das Kennenlernen seiner Frau Constanze ist schon die Folge finanzieller Engpässe gewesen. Als der 22-jährige Musiker aus seiner Stellung als Konzertmeister vom Salzburger Fürsterzbischof Colloredo nach langwierigen Streitereien entlassen wird, geht er auf Reisen, um Geldgeber und eine neue Anstellung zu finden. Über München und Augsburg gelangt Wolfgang Amadeus nach Mannheim, wo er beim Kurfürsten Karl Theodor vorspricht, jedoch einen negativen Bescheid erhält. Mannheim wird dennoch zur wichtigen Station Mozarts, weil er hier seine künftige Frau Constanze Weber kennenlernt.

      Mozart hat während dieser Reise – begleitet von seiner Mutter – mehrere Kompositionsaufträge angenommen, und so begibt er sich in Mannheim auf Suche nach einem Musiker, der seine neuen Werke kopieren soll. Man empfiehlt ihm den Bassisten und Theatersouffleur Fridolin Weber, der mit seiner Familie in beengten Verhältnissen lebt und deshalb glücklich ist, sein Einkommen durch Vervielfältigungen auf Notenpapier aufbessern zu können.

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