Briefe von Klara. Туве Янссон

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Briefe von Klara - Туве Янссон страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Briefe von Klara - Туве Янссон

Скачать книгу

signierte, zwar schauten wir nicht hin, aber wir wussten, was gerade geschah. Die Signatur erfolgte mit der gleichen langsamen Sorgfalt, die Farbe für die Buchstaben wurde immer wieder neu gemischt und übermalt; nichts, das kein organischer Teil des Werkes, des Absoluten, war, durfte sein Bild stören. Nachdem Robert alles endlich zu seiner Zufriedenheit vollbracht hatte, konnten wir mit unserer eigenen Arbeit fortfahren. Zu jener Zeit signierten wir unsere Bilder noch nicht. Eines Tages bekam ich einen Brief von Robert, er hatte ihn auf meine Staffelei gestellt. Er schrieb »Sie«.

      »Sie sind so fröhlich, Sie besitzen die leichte Freude. Soweit ich verstehe, gibt es niemanden, den Sie nicht gernhaben, weil es nämlich einfacher ist, jeden gernzuhaben. Ich habe Sie beobachtet; Sie fliegen lieber über alles hinweg, Sie wollen weder klettern noch sich durchbohren – oder warten.

      Ich wünsche Ihnen nichts Böses, im Gegenteil, bitte glauben Sie an meine Aufrichtigkeit – aber es muss mir gestattet sein mitzuteilen, dass ich, aus verschiedenen Gründen, die ausschließlich meine eigenen sind, mich gezwungen sehe, unsere Bekanntschaft zu beenden.

       Mit größtem Respekt Robert«

      Ich verstand das nicht, der Brief beunruhigte mich, nicht um Roberts willen, nein, ich fühlte mich eher unangenehm berührt. Hatte ich jemals auch nur ein Wort mit ihm gewechselt? Kaum. Als wir dann eines Tages alle auf dem Weg zur Kunstgeschichtsvorlesung den Hof überquerten, holte Robert mich ein und fragte: »Haben Sie verstanden?« Und ich sagte: »Vielleicht nicht unbedingt viel …« Ich war verlegen. Robert ging an mir vorbei, setzte seinen Weg über den Hof fort.

      Was hätte ich sagen sollen? Hätte er etwas erklären können, wollte er das überhaupt – also, ich meine, so benimmt man sich doch nicht! Aber trotzdem, ich hätte fragen können.

      Mit der Zeit kam heraus, dass Robert an jeden Einzelnen aus der Malklasse geschrieben hatte, und jeder Brief schloss mit einer sehr höflichen Kündigung der Bekanntschaft. Wir zeigten einander seine Briefe nicht und besprachen die Angelegenheit auch nicht. Vielleicht fanden wir es irgendwie komisch, auf etwas, das nie existiert hat, zu verzichten, aber wir sprachen es nicht aus. Alles ging so weiter wie immer, ganz so wie immer.

      Dann kam die Zeit, als wir unsere Leinwände signierten. Und sehr bald kam der Krieg.

      Nach dem Krieg stieß ich einmal zufällig auf einen Kollegen aus der Malschule, wir gingen in ein Café. Irgendwann kam ich auf Robert zu sprechen. »Weißt du, wo er sich heutzutage aufhält?«

      »Niemand weiß das. Er verirrte sich. Er ging über die Grenze.«

      »Wie meinst du das?«

      »Das war so typisch für ihn«, fuhr mein Studienfreund fort. »Also, er lief einfach in die falsche Richtung. Das war in jener Zwischenzeit, als nichts passierte, man wartete nur und machte Holzschnitzereien oder was immer man damals trieb. Robert war mit seinem Skizzenblock unterwegs, machte den Wald unsicher und kehrte dann mit seinen Skizzen zur Kantine zurück. Ich glaube, er wollte damals zur Kantine, dort gab es einen anständigen Mittagstisch. Aber er ging in die falsche Richtung. Er hatte keinen Orientierungssinn.«

      Ich habe ziemlich viel an Robert gedacht, vielleicht vor allem an seine Abschiedsbriefe. Inzwischen glaube ich zu verstehen, dass diese Briefe aus unwiderstehlichem Zwang geschrieben wurden und ein enormes Gefühl der Erleichterung und Befreiung hinterließen. Waren da noch andere, außerhalb der Schule, denen er auf dieselbe Art geschrieben hatte? Hatte er an seine Eltern geschrieben? Ja, mit Sicherheit an seine Eltern.

      Unglaublich, so etwas zu wagen – die eigene Umgebung von sich zu distanzieren, alle diese Personen, entweder sie sind unerreichbar oder man hat sie zu nahe an sich herankommen lassen!

      … aus verschiedenen Gründen, die ausschließlich meine eigenen sind, sehe ich mich gezwungen …

      Aber so etwas macht man ja nicht.

      IM AUGUST

      Eines Abends im August saßen Tante Ada und Tante Ina auf der Veranda und erholten sich, die letzten Verwandten waren in ihre Autos gestiegen und weggefahren, und jetzt war nur der Wind draußen im Garten zu hören. Der Abend war sehr warm, aber man konnte keine Fenster aufmachen, denn dann flogen die Nachtfalter gegen die Lampe und lagen schließlich mit zitternden Flügeln über großen haarigen Körpern da, und sie zu töten, war scheußlich.

      »Ist alles gutgegangen?«, fragte Ina. »Es waren zu viele. Und warum mussten sie die kleinen Kinder mitbringen, es war doch eine Gedenkfeier? Wir haben den Salat vergessen.«

      Ada antwortete nicht, und ihre Schwester fuhr fort: »Müssen wir das jedes Mal am Todestag wiederholen? Das können doch die anderen übernehmen, in der Stadt ist das einfacher. Was ist eigentlich alles schiefgegangen?«

      »Nichts«, sagte Ada, »überhaupt nichts, nur, dass du sie in Verlegenheit gebracht hast. Du hast zu viel über Mama geredet. Warum willst du unbedingt, dass sie ein schlechtes Gewissen bekommen? Gestatte ihnen lieber, zu vergessen. Mama war schrecklich alt, und es ging sehr schnell.«

      Einem Nachtfalter war es gelungen hereinzukommen und sich an der Lampe zu verbrennen. Ada sagte rasch: »Lass mich« und zerdrückte das Insekt mit einer Kaffeetasse.

      »Mach die Lampe aus!«, rief Ina.

      Als es auf der Veranda dunkel wurde, kam der Garten näher, mit Silhouetten von Bäumen, die sich im Nachtwind bewegten. »Aber ich will, dass sie sich erinnern«, sagte Ina. »Warum soll ich die Einzige sein, die sich erinnert?«

      »Was weißt du schon, woran die sich erinnern«, bemerkte Ada. »Übrigens trafen sie Mama meistens nur an irgendwelchen Feiertagen. Das mit der Badezimmerdecke bedrückt sie nur.«

      »Und das geschieht ihnen recht, Ada, das geschieht ihnen ganz recht! Da war sie, ganz allein …«

      »Ja, ja. Ich weiß. Mama klettert auf eine Leiter, um die Badezimmerdecke zu streichen, selbstständig und wie immer klammheimlich. Und dann passiert Folgendes: Sie vertraut niemandem, nur sich selbst, sie fällt von der Leiter und bricht sich das Genick. Sie ist über achtzig. Ein guter Abgang. Und jetzt predigst du, wir hätten Gott weiß was tun sollen, um ihr noch weitere zehn Jahre zu ermöglichen! Ina, du weißt doch, im Innersten war sie ziemlich, ja – ziemlich …«

      »Überhaupt nicht«, protestierte Ina, »überhaupt nicht!« Sie fuhr hoch und begann auf der Veranda auf und ab zu gehen.

      »Sie war überhaupt nicht despotisch!«

      »Aber das hab ich nie gesagt!«

      »Aber das hast du damit gemeint!«

      »Setz dich«, sagte Ada, »setz dich um Himmels willen und beruhige dich. Ich weiß, was du nie aussprechen kannst, jetzt lass es ausnahmsweise mal gesagt sein – erinnere dich bitte: Was macht Mama jetzt, wo steckt sie, warum schweigt sie so hartnäckig, ist sie gekränkt oder geht es ihr irgendwie schlecht, was habe ich gesagt oder nicht gesagt oder getan – das alles wissen wir doch noch, na und?«

      »Du klingst so hart«, sagte Ina. »Mama war wunderbar.«

      »Setz dich endlich.«

      »Ada, weißt du, damals, als es passierte, hab ich Zahnschmerzen bekommen, und der Arzt sagte, das hätte damit zu tun, dass ich immerzu die Zähne zusammenbiss.«

      »Ja, ja, hast du schon erzählt. Setz dich. Du wirst

Скачать книгу