Digitale Transformation von Arbeit. Hartmut Hirsch-Kreinsen

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Digitale Transformation von Arbeit - Hartmut Hirsch-Kreinsen

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über Produktions- und Arbeitsprozesse sowie Beziehungen zu Kunden und Absatzmärkten werden zunehmend Regelungsfunktionen von Wertschöpfungsprozessen technologisch erbracht, die zuvor auf organisatorischem Wege erbracht worden sind. Insofern kann von digitalen Technologien auch als Organisationstechnologie gesprochen werden. Wie im Folgenden noch genauer gezeigt werden soll (image Kap. 2.3), wird mit dieser Kategorie der zentrale Funktionszusammenhang digitaler Technologien und von Industrie 4.0 bezeichnet. Im Hinblick auf Arbeit lässt sich daher festhalten: Insofern es hierbei um die Regulation betrieblicher und überbetrieblicher Gesamtprozesse der Wertschöpfung geht (und weniger um Teil- und einzelne Arbeitsprozesse), eröffnen sich in dieser Perspektive sehr divergierende und weite Gestaltungsoptionen für Arbeit.

      Ohne Frage handelt es sich bei den vier genannten Funktionszusammenhängen um eine analytische Unterscheidung von Dimensionen (image Abb. 2.1), die sich empirisch oftmals nur schwer trennen lassen. Denn viele der digitalen Technologien vereinen mehrere Funktionalitäten in sich. So wird mit Organisationstechnologie im Grunde nicht nur die Funktion der Virtualisierung, sondern auch die der Vernetzung bezeichnet. Im Hinblick auf das sich jeweils einspielende Verhältnis von Technik und Arbeit verbindet sich damit jedoch die Konsequenz, dass sich je nach Funktionszusammenhang sehr unterschiedliche Relationen und Gestaltungskorridore für Arbeit ergeben.

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      2.3 Organisationstechnologie

      Die Kategorie der Organisationstechnologie geht auf eine von Willi Pöhler geäußerte Überlegung zurück, wonach die neuen Technologien auf eine rationelle Verzahnung von Produktionstechnik und Arbeitsorganisation zielen und Teilprozesse nach einem vorgegebenen Schema organisieren (zit. n. Brandt et al. 1978, S. 20). Ähnlich argumentiert Gert Schmidt (1989, S. 247), der von Informationstechnologie als einem »Organisationsphänomen« spricht, in dem die Apparatur mit organisatorischen Regelungskomplexen verschmelze. Daher gelte es, »nicht mehr nur dem Einfluss der Technologie auf die Arbeitsorganisation, sondern vor allem umgekehrt den Auswirkungen ökonomisch bedingter Organisationsprinzipien auf den technischen Wandel nachzugehen.« (Brandt et al. 1978, S. 20 f.)

      Organisationstechnologie umfasst demnach Planungs-, Steuerungs- und Kontrollverfahren, die früher organisatorisch erbracht worden sind, setzt sie in Daten und Informationen über einen anzustrebenden Produktionsablauf um und steuert auf diese Weise nicht mehr allein Arbeit, sondern den Produktionsprozess in seiner Gesamtheit mit seinen technischen, sozialen und organisatorischen Elementen in der betrieblichen wie auch überbetrieblichen Dimension. Die Spezifika dieser Kategorie verdeutlichen Brandt et al. mit der Formulierung: »Organisierung heißt (…) nicht nur Veränderung des materiellen Produktionsgefüges, sondern zugleich Entwicklung eines betrieblichen Informationsprozesses, über den die Steuerungsfunktionen, die aus der unmittelbaren Sphäre der einzelnen Teilarbeiten herausgenommen worden sind, zentral koordiniert und gelenkt werden können.« Daher »ist der Informationsprozeß (…) ein die materielle Produktion organisierender Prozeß und die damit verbundene Informationstechnologie eine Organisationstechnologie der materiellen Produktion.« (ebd., S. 64 ff.)

      In leicht modifizierter Weise lassen sich daher die damaligen Bestimmungen von Organisationstechnologie auch für die aktuelle Debatte und die Funktionen von digitalen Technologien übernehmen:

      • Organisationstechnologie ist nicht nur auf Teilprozesse zugeschnitten, sondern bezieht sich auf einen organisatorischen Gesamtzusammenhang der Produktion;

      • ihre Funktion besteht darin, Produktionsmittel und Arbeitskräfte zu steuern und nicht die Produktion direkt auszuführen; und

      • sie schafft keine Produktionskapazitäten, sondern nutzt vorhandene Kapazitäten aus und optimiert diese nach vorgegebenen Kriterien.

      Die besondere ökonomische Bedeutung der solchermaßen verstandenen Organisationstechnologie lässt sich dabei vornehmlich auf mehrere Rationalisierungsziele zurückführen: die Synchronisation von Teilarbeiten und die Integration des Produktionsprozesses zu einem Kontinuum, die Eliminierung unproduktiver Zeiten und die massive Beschleunigung der Prozesse sowie ihre gleichzeitige Standardisierung und Flexibilisierung (vgl. Benz-Overhage et al. 1982, S. 40). Im Verlauf der industriesoziologischen Debatte wurden Ende der 1980er Jahre ähnliche Überlegungen von Norbert Altmann, Dieter Sauer et al. mit der Kategorie der »Systemischen Rationalisierung« gefasst (vgl. Altmann et al. 1986).

      Diese Bestimmungen lassen sich unmittelbar mit der Vision Industrie 4.0 verknüpfen. So wird mit Industrie 4.0 insbesondere auf die Bewältigung schnell wachsender Flexibilitätsanforderungen der Absatzmärkte, eine zunehmende Individualisierung der Produkte, kürzer werdende Produktlebenszyklen sowie eine steigende Komplexität der Prozessabläufe und Produkte abgestellt. Die bisherigen technologischen und wirtschaftlichen Grenzen des Einsatzes von Produktionstechnologien sollen angesichts steigender Flexibilitätsanforderungen der Absatz- und Zuliefermärkte deutlich hinausgeschoben werden. Acatech folgend ist das Ziel des Konzepts Industrie 4.0 eine Individualisierung von Produkten: »Industrie 4.0 ermöglicht die Berücksichtigung von individuellen kundenspezifischen Kriterien bei Design, Konfiguration, Bestellung, Planung, Produktion und Betrieb einschließlich kurzfristiger Änderungswünsche. Dank Industrie 4.0 kann dabei selbst die Produktion von Einzelstücken und Kleinstmengen (Losgröße 1) rentabel werden.« (Forschungsunion/acatech 2013, S. 19) Zudem soll es möglich werden, Geschäftsprozesse und Lieferketten im Hinblick auf Qualität, Zeit, Risiko, Robustheit, Preis, Umweltverträglichkeit etc. dynamisch zu gestalten. Dieser Perspektive zufolge werden sich daher herkömmliche Wertschöpfungsketten in Richtung verstärkter Markt- und Serviceorientierung verändern und neue Geschäftsmodelle etablieren. Grundsätzlich wird erwartet, dass Betriebe damit eine neue Qualität der flexiblen technisch-organisatorischen Prozessgestaltung erreichen, die den dynamisch sich wandelnden Marktbedingungen Rechnung trägt.

      Obgleich man annehmen darf, dass die zunehmende Dominanz marktökonomischer

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