2 Jahre später. Regina Mars

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2 Jahre später - Regina Mars

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Bist du von Wölfen großgezogen worden?«

      Er drehte sich wieder um. Ja, Arthur war ernst. Er schaute ihn an, fast … bewundernd.

      »Natürlich nicht! Was für Wölfe?«

      »Ich hab gehört, es gibt sie wieder. Hast du schon welche gesehen?«

      »Nein, und sie haben mich nicht großgezogen.« Kai verschränkte die Arme. »Ich hab … Ich erklär das später.«

      »Junge!«, rief sein Vater und inzwischen klang er etwas gereizt.

      »Komme!«, brüllte Kai und verließ schweren Herzens den Raum. Ob Arthur überhaupt irgendwas von dem kapiert hatte, was er erzählte? Der war aus einer anderen Welt, eindeutig.

      Während er den Rasen neben der Einfahrt mähte, schaute er immer wieder zur Villa hoch. Einmal glaubte er, eine Bewegung hinter einem der schnörkeligen Fenster zu sehen. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein.

      Der Schweiß tropfte ihm runter und durchnässte sein Shirt. Alle heulten rum, dass der Sommer nicht richtig in Fahrt kam, aber wenn man arbeitete, war es warm genug. Viel zu warm. Er stank. Gestern schon waren seine Sachen nicht frisch gewesen und jetzt roch er wie eine Sickergrube. Ob Arthur das gemerkt hatte? Heute Morgen, als er … halb auf ihm gelegen hatte. Kai schluckte. Es hatte sich gut angefühlt. Viel zu gut, dafür, dass er so wenig davon mitbekommen hatte. Ob er das nochmal … Aber dazu hätten sie sich nochmal besaufen müssen und das würde er nie wieder tun. Nie wieder.

      Sein eigener Gestank mischte sich mit den Abgasen des Rasenmähers. Grüne Halme klebten ihm an den Hosenbeinen, und als er sich durch das Gesicht wischte, merkte er, dass sie bis zur feuchten Stirn hochgeflogen waren.

      »Du müffelst, Junge«, sagte Paps, als er endlich mit dem Mähen fertig war. »Sobald wir zuhause sind, springst du unter die Dusche, ist das klar?«

      »Klar.« Er nickte. »Hab ich noch frische Klamotten?«

      »Was fragst du mich? Du hast die letzte Wäsche gemacht.«

      Richtig. Mit Arthurs feinen Hemden konnte er nicht mithalten, aber zumindest wollte er nicht mehr stinken.

      »Ich bleib ein paar Tage hier bei Arthur«, sagte er und rollte das Kabel auf, um seinem Vater nicht in die Augen blicken zu müssen.

      »Tust du das?« Sein Alter wirkte erstaunt. Klar, sonst übernachtete er höchstens mal bei Manolja. Und deren Eltern fanden das gar nicht gut. »Hat Arthur dich eingeladen?«

      Kai nickte. Er versuchte, nicht stolz zu grinsen.

      »Na dann …« Paps kratzte sich an der faltigen Wange. »Aber du kommst heim, sobald seine Eltern sich ankündigen, klar?«

      »Klar.«

      »Gut. Na, und arbeiten kannst du ja trotzdem hier. Wenn wir fertig sind, könntest du sogar ein paar Tage Urlaub haben, was?«

      »Das wäre mal ’ne Abwechslung.« Kai sah auf den Rasenmäher vor sich. »Kommst du klar?«

      »Ob ich klarkomme?« Sein Vater prustete entrüstet. »Natürlich komme ich klar. Als ob ich einen Hänfling wie dich bräuchte, um mir die Arbeit abzunehmen.«

      Sie wussten beide, dass das eine Lüge war.

      Später, gegen Mittag, als sie über den Baumarktparkplatz gingen, schob Kai den schweren Einkaufswagen. Schon jetzt hatte er mehr Kraft als sein Vater. Zumindest schmerzte sein Rücken nicht bei jedem Handschlag.

      Er hatte ein schlechtes Gewissen. Ein verdammt schlechtes, aber ein paar Tage in der Villa waren mehr, als er sich je erträumt hatte … Irgendwie. Er kapierte nicht ganz, was los war. Aber er wollte bei Arthur sein. Eine Erinnerung blitzte in seinem Kopf auf, zu kurz, um sie richtig fassen zu können. Außerdem konnte sie nicht stimmen. Er hatte doch nicht … Hatte er echt gedacht, dass er Arthur küssen wollte? Nein. Bestimmt nicht.

      Sie luden Säcke voll Gartenerde und Dünger in den Transporter. Kai achtete darauf, immer die schwereren zu übernehmen. Der Himmel war trüb und bedeckt, doch die Luft war schwülwarm. Paps’ wettergegerbter Nacken glänzte vor Schweiß. Er knallte die Tür des Transporters zu. Scheppernd fiel sie ins Schloss.

      »Bring du den Wagen weg.« Paps streckte sich ächzend. »Du brauchst die Bewegung, Moppel.«

      Kai, laut der Schulärztin an der Grenze zum Untergewicht, schnaubte.

      »Ich mach das, aber nur, weil du zu fett bist, um dich zu bewegen.«

      Sein Vater war ebenso mager. Lag wohl in der Familie. Aber »Junge, bring bitte den Wagen zurück, weil mein Rücken saumäßig wehtut und ich vor Schmerzen kaum laufen kann« wäre zu traurig gewesen.

      Kai ließ sich Zeit, als er den leeren Wagen über den fleckigen Asphalt schob. Einmal hätte ihn fast ein Auto erwischt, das ausparkte. Was konnte er anziehen, das Arthur beeindruckte? Die Antwort war: Nichts. Konnte er ihm irgendetwas mitbringen? Was tat Arthur gerade? Ganz alleine in der Villa liegen und lesen? Mit Freunden telefonieren? So reichen Adelssprösslingen, die bestimmt viel cooler waren als Kai?

      »Alter, was stinkt hier so?«

      Kai schrak zusammen. Von einer Sekunde auf die andere waren all seine Sinne geschärft. Er hörte das nervende Sirren der Strommasten, das Rauschen der Umgehungsstraße, die schrillen Schreie der Vögel, überdeutlich. Sein Blick flitzte über die Reihen der parkenden Autos. Kein Mensch zu sehen. Mist. Nur neben ihm, da waren sie.

      Markus und Horst. Sie saßen auf Betonpollern, direkt neben dem Unterstand für die Einkaufswagen. Warum zur Hölle hatte er sie nicht bemerkt? Warum hatte er geträumt?

      »Ich glaube, das ist er. Der stinkt doch immer«, sagte Horst, Markus’ bester Freund. Beide hatten es bereits mit fünfzehn geschafft, Männerkörper zu entwickeln, während Kai immer noch ein Lauch war. »Weißt ja, er hat sich noch nie gewaschen.«

      Markus lachte. Etwas Kaltes kroch Kais Nacken hoch.

      »Wenn der sich auszieht, rieselt’s bestimmt.« Ein Grinsen, das Kais ganzes Blickfeld ausfüllte. Markus stand auf. Kai wich zurück. Er stieß gegen den Einkaufswagen und hätte ihn fast umgeworfen. Höhnisches Lachen schallte über den Parkplatz.

      »Meinst du?«

      »Klar. Soll ich es dir beweisen?«, fragte Markus und Kai wusste endgültig, dass er in Schwierigkeiten war. Hektisch sah er sich um. Niemand. Nur Autos und Asphalt. Hinter dem Transporter stieg eine Rauchwolke auf. Paps konnte ihn nicht sehen.

      Gut. Immerhin.

      »He, Stinker …« Markus kam näher. Schnupperte irritiert. »Alter, das ist ja noch schlimmer, als ich dachte. Du riechst wie ein Mülleimer.«

      »Ich arbeite halt.« Kai ballte die Fäuste. Mit einem von beiden konnte er fertig werden. Eventuell. Schade, dass sie zu zweit waren. »Würd dir auch mal guttun, dann müsstest du nicht auf dem Parkplatz rumlungern …«

      Markus’ Hand schoss vor und packte seine Schulter.

      »Vorsicht, Stinker.« Kai hörte Horsts Lachen. Aber er sah nur die Mitesser auf Markus’ Nase. Furcht krallte sich in seinen Bauch.

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