Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle страница 20
So verließ ich ihn, der noch immer seine schwarze Tonpfeife paffte, in der Überzeugung, bei meiner Rückkehr am nächsten Abend festzustellen, daß er alle Hinweise in Händen hielt, die uns zur Identität von Miss Mary Sutherlands verschwundenem Bräutigam fuhren würden.
Ein sehr ernster Fall forderte zu dieser Zeit meine berufliche Aufmerksamkeit, und den ganzen nächsten Tag verbrachte ich neben dem Bett des Leidenden. Erst kurz vor sechs Uhr fand ich die Zeit, in eine Kutsche zu springen und zur Baker Street zu fahren; fast fürchtete ich, zu spät zu kommen, um dem dénouement des kleinen Rätsels beizuwohnen. Ich traf Sherlock Holmes jedoch allein an; in die Tiefen des Lehnsessels gekuschelt schien seine lange, dünne Gestalt entschlummert zu sein. Eine gewaltige Menge von Flaschen und Reagenzgläsern sowie der stechende, saubere Geruch von Salzsäure sagten mir, daß er den Tag mit seinen geliebten chemischen Arbeiten zugebracht hatte.
»Na, haben Sie es gelöst?« fragte ich beim Eintreten.
»Ja. Es war Baryt-Bisulphat.«
»Nein, nein, das Rätsel!« rief ich.
»Ach, das! Ich dachte an das Salz, mit dem ich gearbeitet habe. Im übrigen war der Fall nie rätselhaft, wenn er auch, wie ich gestern sagte, einige interessante Einzelheiten aufweist. Der einzige Nachteil dabei ist, daß es, fürchte ich, kein Gesetz gibt, mit dem man dem Schuft zu Leibe rücken kann.«
»Wer ist es denn, und was hat er beabsichtigt, als er Miss Sutherland im Stich gelassen hat?«
Ich hatte die Frage kaum ausgesprochen und Holmes hatte noch nicht den Mund geöffnet, um zu antworten, als wir schwere Schritte im Flur und ein Klopfen an der Tür hörten.
»Das ist der Stiefvater des Mädchens, Mr. James Windibank«, sagte Holmes. »Er hat mir geschrieben, daß er gegen sechs Uhr hier sein würde. Treten Sie ein!«
Der Mann, der den Raum betrat, war stämmig und mittelgroß, in den Dreißigern, glattrasiert und blaßhäutig, mit einem sanften, einschmeichelnden Gesichtsausdruck und zwei überaus scharfen und durchdringenden, grauen Augen. Er warf jedem von uns einen fragenden Blick zu, legte seinen glänzenden Zylinder auf das Bord und ließ sich mit einer angedeuteten Verbeugung in den nächsten Sessel fallen.
»Guten Abend, Mr. James Windibank«, sagte Holmes. »Ich glaube, dieser mit der Maschine geschriebene Brief, in dem Sie sich mit mir für sechs Uhr verabredet haben, stammt von Ihnen.«
»Ja, Sir. Ich fürchte, ich komme ein wenig zu spät, aber ich bin nicht ganz mein eigener Herr, wie Sie wohl wissen. Ich bedaure es, daß Miss Sutherland Sie mit dieser Angelegenheit behelligt hat; ich glaube nämlich, es ist viel besser, wenn man solche Art Wäsche nicht in der Öffentlichkeit wäscht. Sie ist gegen meinen ausdrücklichen Willen gekommen, aber sie ist ein leicht erregbares, impulsives Mädchen, wie Ihnen aufgefallen sein mag, und es ist nicht einfach, sie zurückzuhalten, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat. Natürlich habe ich nichts Besonderes gegen Sie, da Sie ja nichts mit der offiziellen Polizei zu tun haben, aber es ist nicht sehr erfreulich, wenn über ein derartiges Mißgeschick einer Familie überall gemunkelt wird. Davon abgesehen ist es nutzlose Geldverschwendung – wie könnten Sie denn wohl je diesen Hosmer Angel ausfindig machen?«
»Im Gegenteil«, sagte Holmes ruhig; »ich habe gute Gründe, anzunehmen, daß es mir gelingen wird, Mr. Hosmer Angel zu entdecken.«
Mr. Windibank schrak heftig zusammen und ließ seine Handschuhe fallen. »Ich freue mich sehr, das zu hören«, sagte er.
»Es ist ein seltsamer Umstand«, meinte Holmes, »daß eine Schreibmaschine genausoviel Individualität besitzt wie die Handschrift eines Mädchens. Wenn sie nicht mehr ganz neu sind, schreiben keine zwei Maschinen genau gleich. Manche Typen sind mehr abgenutzt als andere, manche nutzen sich nur an einer Seite ab. An diesem Brief von Ihnen, Mr. Windibank, werden Sie feststellen, daß über jedem ›e‹ ein kleiner Fleck ist und ein kleiner Defekt im Schwänzchen des ›r‹. Es gibt noch vierzehn weitere Charakteristika, aber dies sind die wichtigsten.«
»In der Firma erledigen wir unsere gesamte Korrespondenz mit dieser Maschine, und zweifellos ist sie ein wenig abgenutzt«, erwiderte unser Besucher; er sah Holmes mit seinen hellen kleinen Augen aufmerksam an.
»Ich will Ihnen jetzt etwas zeigen, was wirklich sehr interessant ist, Mr. Windibank«, fuhr Holmes fort. »Ich beabsichtige, eines Tages eine weitere kleine Monographie über Schreibmaschinen und ihre Beziehung zu Verbrechen zu verfassen. Es ist dies ein Thema, dem ich eine gewisse Aufmerksamkeit gewidmet habe. Hier habe ich vier Briefe, die angeblich von dem vermißten Mann stammen. Sie alle sind mit der Maschine geschrieben. In allen Fällen ist nicht nur das ›e‹ verwaschen und das ›r‹ defekt, sondern Sie werden auch feststellen, wenn Sie sich meines Vergrößerungsglases bedienen wollen, daß die weiteren vierzehn Charakteristika, von denen ich sprach, sich dort ebenfalls finden.«
Mr. Windibank sprang aus seinem Sessel auf und ergriff seinen Hut. »Ich kann meine Zeit nicht mit dieser Art phantastischen Geschwätzes vergeuden, Mr. Holmes«, sagte er. »Wenn Sie den Mann fangen können, dann fangen Sie ihn, und lassen Sie es mich wissen, wenn Sie es getan haben.«
»Aber gewiß«, sagte Holmes; er trat vor und drehte den Schlüssel in der Tür um. »Hiermit lasse ich Sie wissen, daß ich ihn gefangen habe!«
»Was! Wo?« rief Mr. Windibank; er wurde bleich bis in die Lippen und starrte um sich wie eine Ratte in einer Falle.
»Oh, es hat keinen Sinn – wirklich nicht«, sagte Holmes sanft. »Sie kommen da unmöglich wieder hinaus, Mr. Windibank. Das war alles viel zu durchsichtig, und Sie haben mir ein schlechtes Kompliment gemacht, als Sie sagten, es wäre mir unmöglich, ein so einfaches Problem zu lösen. So ist es recht! Setzen Sie sich, und wir wollen alles durchsprechen.«
Unser Besucher brach mit verzerrtem Gesicht und glitzernder Nässe auf der Stirn in einem Sessel zusammen. »Es ... es ist nicht strafbar«, stammelte er.
»Ich befürchte sehr stark, daß das stimmt. Aber unter uns, Windibank, das war der grausamste, selbstsüchtigste und herzloseste Trick, der mir je als schäbiger Bagatellfall untergekommen ist. Ich will jetzt kurz den Verlauf der Ereignisse durchgehen, und Sie widersprechen mir, wenn ich mich irre.«
Der Mann hockte zusammengesunken in seinem Sessel, das Kinn auf der Brust, als wäre er völlig niedergeschmettert. Holmes legte seine Füße auf eine Ecke des Kaminsimses, steckte die Hände in die Taschen, lehnte sich zurück und begann zu sprechen, eher zu sich selbst, wie es schien, denn zu uns.
»Der Mann hat eine sehr viel ältere Frau wegen ihres Geldes geheiratet«, sagte er, »und er konnte über das Geld der Tochter verfügen, solange sie bei ihnen lebte. Für Leute in ihrer Lage war es eine beträchtliche Summe, und der Verlust hätte schon einiges ausgemacht. Also lohnte sich ein Versuch, das Geld zu bewahren. Von ihrer Veranlagung her war die Tochter gutmütig und freundlich, in ihrem Betragen aber auch liebevoll und warmherzig, daher war es offensichtlich, daß sie mit ihren ansehnlichen persönlichen Vorzügen und ihrem eigenen kleinen Einkommen nicht sehr lange allein bleiben würde. Nun liefe ihre Heirat natürlich auf einen Verlust von hundert Pfund pro Jahr hinaus; was also tut der Stiefvater, um das zu verhindern? Er wählt den naheliegenden Weg, sie häuslich zu halten, und verbietet ihr, die Gesellschaft von Leuten ihres Alters zu suchen. Er mußte aber bald feststellen,