Sozialstaat Österreich (1945–2020). Emmerich Tálos
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sozialstaat Österreich (1945–2020) - Emmerich Tálos страница 10
![Sozialstaat Österreich (1945–2020) - Emmerich Tálos Sozialstaat Österreich (1945–2020) - Emmerich Tálos](/cover_pre870549.jpg)
Die besondere Bedeutung der Kriegsopferversorgung zeigte sich nicht nur am anfänglichen Mittelaufwand (1950: 40% der Sozialausgaben des Bundes), sondern auch an der großen Zahl von Leistungsempfänger/innen: 1950 bezogen 510.474 Personen oder fast acht Prozent der Bevölkerung entsprechende Leistungen. In den nachfolgenden Jahrzehnten reduzierte sich diese Zahl durch Tod der Empfänger oder Verlust der Anspruchsberechtigung (Waisen) deutlich (1979: 201.560) (Bundesministerium für Soziale Verwaltung 1979, 47). Mit Stand Jänner 2019 gab es 2.348 Bezieher/innen einer Beschädigtenrente.
Ziel der Leistung der Heeresversorgung (seit 2015 Heeresentschädigung) ist es, Gesundheitsschädigungen auszugleichen, die Staatsbürger in Erfüllung ihrer Wehrpflicht oder als freiwillige Präsenzdiener, als Zeitsoldaten oder im Milizdienst erlitten haben. Die Leistungen umfassen Renten (bei mindestens 25% Minderung der Erwerbsfähigkeit) und eine Palette einkommensunabhängiger Zusatzleistungen sowie Hinterbliebenenrenten. Am Stichtag 1. Jänner 2017 betrug die Zahl der Versorgungsberechtigten 1.808 Personen (siehe Sozialstaat Österreich 2018).
Eine Ergänzung des Spektrums der Leistungen des Versorgungssystems brachte die 1972 eingeführte Versorgung von Verbrechensopfern (Verbrechensopferentschädigung). Damit ist Opfern von Verbrechen (und ihren Hinterbliebenen) ein eigener Versorgungsanspruch eingeräumt, der sowohl auf Gesundheitsschädigungen als auch (einkommensproportional) auf Einkommensausfälle bezogen ist. Als Leistungen sind sowohl der Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges, die Heilfürsorge als auch Rehabilitationsmaßnahmen vorgesehen. Im Jänner 2019 gab es 204 Leistungsbezieher/innen.
Das Ziel des 1945 provisorisch und 1947 neu geregelten Opferfürsorgegesetzes sind die Entschädigungen für Personen, die im Zweiten Weltkrieg beim Kampf für ein freies, demokratisches Österreich Schaden genommen haben oder in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 politisch verfolgt worden waren. Die Leistungen bestehen neben diversen Begünstigungen in einer Opferrente, die für verfolgungsbedingte Gesundheitsschäden gebührt, und eine Unterhaltsrente, die der Sicherung des Lebensunterhalts dient und einkommensabhängig ist. Darüber hinaus sind ebenso wie bei den anderen Leistungen Hinterbliebenenversorgungsleistungen vorgesehen. Im Jänner 2019 bezogen 917 Personen derartige Leistungen (Sozialleistungen im Überblick 2019).
1.5. Sozialstaat für alle: Der Versichertenkreis wird größer
Einer der Kernpunkte der Sozialstaatsentwicklung im 20. Jahrhundert ist die Ausweitung des Versichertenkreises der Sozialversicherung. Im Unterschied zur Ersten Republik resultierte die Erweiterung nach 1945 in erster Linie aus der personellen Ausdehnung der Pflichtversicherung in allen Sozialversicherungszweigen (siehe Grafik 1.1.). Dabei folgte diese Ausweitung der traditionellen Orientierung der österreichischen Sozialversicherung an Erwerbstätigen: Die in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen wurden ebenso wie die Bauern und freiberuflich Selbständigen (Ärzte, Apotheker, Dentisten, Tierärzte) in einem sukzessiven Prozess von den 1950er bis in die 1970er Jahre, teilweise nicht ohne Widerstände,1 in die Versicherungszweige der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung einbezogen. Damit war die Zielvorstellung einer Sozialversicherung für alle (bezahlt) arbeitenden Menschen – von wenigen Ausnahmen (wie Prostituierten und geringfügig Beschäftigten) abgesehen – weitgehend realisiert. Seit den 1970er Jahren sind zudem auch Schüler und Studierende unfallversichert. Für die Pensionsversicherung wurde die Möglichkeit einer begünstigten Weiter- und Selbstversicherung geschaffen. Zugleich mit der Ausweitung der Direktversicherten stieg die Zahl der durch die Sozialversicherung indirekt Erfassten (Familienangehörige ohne eigenständigen Versicherungsschutz, anspruchsberechtigte Hinterbliebene). Durch die Einbeziehung von Familienangehörigen, von Pensionsbeziehern, von Arbeitslosen und Bezieher/innen von Sozialhilfeleistungen erreichte die Krankenversicherung (im Sachleistungsbereich) das Niveau einer Volksversicherung (Tabelle 1.3.). Diese beachtliche Expansion der personellen Reichweite wird durch das Faktum untermauert, dass im Jahr 1890 erst 6,8%, im Jahr 1930 bereits 60% der Bevölkerung krankenversichert waren.
Tabelle 1.3. Geschützte Personen in der Krankenversicherung*
Geschützte Personen | Anteil der geschützten Personen an der Bevölkerung in Prozent | |||
Insgesamt | Versicherte | Angehörige | ||
Jahr | Absolutzahlen (in Tausend) | |||
1948 | 4.455 | 2.970 | 1.455 | 63,5 |
1950 | 4.586 | 3.177 | – | 66,1 |
1955 | 4.895 | 3.450 | 1.445 | 70,2 |
1960 | 5.460 | 3.651 | 1.809 | 77,5 |
1965 | 6.648 | 4.186 | 2.462 | 91,6 |
1970 | 6.782 | 4.375 | 2.407 | 91,8 |
1975 | 7.284 | 4.600 | 2.684 | 96,9 |
1979 | 7.450 | 4.775 | 2.675 | 99,3 |
* Diese Statistik ist fallbezogen und berücksichtigt mehrfache Versicherungsverhältnisse einer Person nicht. Andererseits