Vom Himmel in die Hölle. Christian Wilhelm Huber

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Vom Himmel in die Hölle - Christian Wilhelm Huber

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hochinteressant, weil er detailliert vom Werdegang der Familie Gundelach berichtete.

      Es begann in Bamberg. Die Familie nannte sich damals Gundloch. Die Gundlochs waren eine angesehene Patrizierfamlilie, die 1122 erstmalig urkundlich erwähnt wurde. 300 Jahre lang waren sie Domverweser und Ratsherren. In dem Dorf Oberhaid, acht Kilometer nordwestlich von Bamberg, besaßen sie mehrere Güter. Die dortige Kirche hatte kein Predigerrecht, sodass der Pfarrer Schack vom Nachbardorf Trunstatt in Oberhaid Gottesdienst hielt. Als Oberhaid das Predigerrecht erhielt, wollte Schack weiterhin seine Einkünfte beziehen, obwohl er nicht mehr predigte. Man verweigerte die Zahlung, es kam zu einem Rechtsstreit, in dem der Bamberger Bischof dem Pfarrer Schack Recht gab. Das erzürnte die Oberhaider. Besonders betroffen war Heinrich Gundloch, der größte Steuerzahler. Als sich Gundloch und Schack zufällig am 22. September 1409 auf dem Truhendinger Domherrenhof zu Bamberg trafen, kam es zu einer hitzigen Auseinandersetzung, bei der Gundloch so in Rage geriet, dass er Schack mit seinem Dolch erstach.

      Der Täter stellte sich sogleich und zeigte Reue. Ein Gericht unter dem Vorsitz des Bamberger Bischofs tagte, und am 30. Mai 1410 wurde der Urteilsspruch gefällt. Dem Heinrich Gundloch wurde »der Frevel gnädiglich vergeben«. Die Familie Gundloch sollte aber zur Buße ewiglich jährlich 50 Pfund Wachs spenden und, sehr peinlich, Heinrich sollte jedes Jahr vor der Prozession barfüßig und barhäuptig mit einer Zweipfundkerze in der Hand um den Hof der Burg zu Bamberg gehen.

      1413 wurden noch mehr Auflagen verlangt. Nachdem die Familie Gundloch auch noch eine Kapelle, die Katharinenkapelle in Bamberg, gebaut hatte, war das Maß voll. Die Gundlochs verließen Bamberg. Doch bis zu Albert Ehlert und seinen Söhnen war es noch ein weiter Weg.

      Ab 1460 gab es in Bamberg keinen Gundloch mehr. Man wandte sich nach Hessen, nach Großalmerode. Dort erschienen Heinrich und Kurt Gundlach 1461 erstmals in den Quellen – dieselben, die das letzte Mal 1453 in Bamberg genannt worden waren. Es gab eine Änderung der Schreibweise des Namens: aus Gundloch wurde Gundlach, was aber keine Absicht gewesen sein muss, sondern auch auf die Nachlässigkeit eines Schreibers zurückzuführen sein könnte.

      Großalmerode war das Zentrum der Glasmacher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, wie das in zahlreiche Einzelherrschaften gegliederte Deutschland damals genannt wurde. Die Gundlachs mussten sich umstellen und erlernten das Glasmacherhandwerk. Aufgrund ihrer Führungsqualitäten stellten sie ab 1537 ununterbrochen für die nächsten 150 Jahre die Vorstandsmitglieder der Glasmacherzunft. Jeden Pfingstmontag mussten alle Zunftmeister des Reiches nach Großalmerode kommen. Am Vormittag wurde getagt und neue Zunftregeln wurden beschlossen. Schirmherr war der Landgraf von Hessen. Nachmittags briet man einen Ochsen, und es gab ein Volksfest.

      Gerhard las tagelang in den Büchern und konnte sich nicht losreißen. Immer weiter vertiefte er sich in die Familiengeschichte und malte sich aus, wie seine Vorfahren ausgesehen hatten, wie sie gesprochen, wie sie sich vermehrt und über halb Deutschland ausgebreitet haben mochten.

      Im achten Kirchenbuch stieß er auf das 16. Jahrhundert. An dessen Ende wurde eine neue Wirtschaftsform entwickelt, der Merkantilismus. Um die Wirtschaft zu stärken, sollten möglichst alle benötigten Waren im eigenen Land hergestellt werden. Die absolutistischen Herrscher sorgten mit dirigistischen Eingriffen in die Wirtschaft dafür, dass möglichst viel exportiert und möglichst wenig importiert wurde. Glas gehörte zu den kostspieligen Produkten, sodass sich jeder Herrscher Glashütten in seinem Herrschaftsgebiet wünschte. Die Glasmacher waren gefragte Leute, und viele Fürsten baten die Spezialisten aus Großalmerode, bei ihnen eine Glashütte zu errichten.

      So folgten auch die Gundelachs dem Angebot eines Fürsten und zogen 1655 nach Preetz in Holstein. 1705 erhielten sie von der schwedischen Verwaltung in Stettin eine Einladung, im Bereich der Ueckermünder Heide eine Glashütte zu bauen. Dort wuchs auf dem sandigen Boden bestes Brennmaterial: Buchenwald, soweit das Auge reichte. Johann Jürgen Gundelach folgte dem Ruf. Er besaß in Mecklenburg mehrere Glashütten, war Glasmeister, ein Unternehmer großen Stils. Als Standort für sein Heim und seine Manufaktur wählte er den Scharmützel, eine kleine Erhebung, auf der heute die Ferndinandshofer Kirche steht. Zur Herstellung von Glas benötigte man Pottasche, und im Dorf befand sich bereits eine Pottaschebrennerei. Außerdem war Ueckermünde mit seinem Hafen nicht weit, um Glaswaren zu verschiffen.

      Am 21. Dezember 1705 wurde in Stettin ein entsprechender Vertrag geschlossen, und 1707 konnte der Betrieb aufgenommen werden. Gundelach kam mit mehreren Verwandten, die ihn auch während seiner Abwesenheit vertraten, und Glashüttenarbeitern. In einer Glashütte wurden verschiedene Handwerker gebraucht: Aufbläser, Strecker, Hohlbläser, Schürer, Werker, Scheiterhauer, Aschefahrer, so hießen die Tätigkeiten. Gebraucht wurden zudem Fuhrleute und Kistenmacher.

      Das Unternehmen wurde jedoch schon bald vom Unglück verfolgt: 1708 griff die in Polen wütende Pest auf Ostpreußen über und tötete ein Drittel der Bevölkerung. 1712 drangen russische Soldaten bei der Verfolgung schwedischer Truppen in Vorpommern ein und plünderten die Glashütte vollständig aus. Man flüchtete ins Ausland – drei Kilometer weit, ins benachbarte Mecklenburg. Drei Jahre lag der Betrieb still, bis das Land im Juni 1714 an Preußen fiel. Die Hütte wurde instand gesetzt und die Arbeit wieder aufgenommen. Sie blieb in Betrieb, bis sie 1743 geschlossen wurde.

      Gundelach baute auf dem Scharmützel sein Haus, das erste in Ferdinandshof, und die Kirche. Von einer Reise nach Lübeck brachte er einen Taufengel mit. Gundelach starb 1737 in Ueckermünde und wurde in seiner Kirche beigesetzt. Neben ihm wurde Christoph Ludwig Henrici aus Ueckermünde begraben, Königlicher Amtsnotar, Wirklicher Kriegs- und Domänenrat, Amtmann von Königsholland, ein Verwaltungsbezirk, etwas kleiner als der spätere Kreis Ueckermünde.

      Preußen beteiligte sich unter Führung König Friedrich Wilhelm I., des Soldatenkönigs, an der Seite Russlands, Dänemarks und Sachsens am Großen Nordischen Krieg gegen Karl XII. von Schweden und bekam 1715 als Kriegsbeute einen Teil Vorpommerns, von der Oder bis zur Peene. Der westliche Teil, »Schwedisch-Pommern«, blieb schwedisch und wurde erst 1815 preußisch. Preußen ging es vor allem um den Hafen Stettin. Gerhard Ehlerts Heimat wurde also preußisch – und bis Meiersberg war es nicht mehr lange hin.

      Im Dezember 1747 tobte ein Orkan über Vorpommern, der in der Ueckermünder Heide großen Schaden anrichtete. Prinz Moritz von Dessau, höchster Beamter Pommerns, jüngster Sohn des »Alten Dessauers«, kam in Begleitung des Oberforstmeisters Meier, des höchsten Forstbeamten Vorpommerns mit Sitz in Torgelow. Nach der Besichtigung wurde beschlossen, am Waldrand mehrere Glashütten zu errichten, um die riesige Menge toten Holzes sinnvoll zu verarbeiten.

      Ehlerts Heimatdorf verdankt seine Entstehung also einem Naturereignis. Als Gründungsjahr wird 1749 angegeben, weil es am 1. Februar 1749 zum ersten Mal mit dem Namen Meiersberg – zu Ehren des besagten Oberforstmeisters Meier – schriftlich erwähnt wurde. Sicher ist, dass bereits 1748 mit dem Bau der Glashütte begonnen wurde. Auf deren Grundstück eröffnete Gerhards Großtante Anna Koppermann, Ehefrau von Otto Koppermann, dem jüngsten Bruder seines Großvaters Albert Koppermann, um 1900 einen Gemischtwarenladen, damals auch Kolonialwarengeschäft genannt. Um die Waren für ihr Geschäft einzukaufen, fuhr sie regelmäßig nach Stettin.

      Eine bemerkenswerte, tatkräftige Frau, dachte sich Gerhard beim Lesen der schwergewichtigen Lektüre. Denn Gerhards Großtante bewerkstelligte alles allein. Ihr Mann arbeitete mit vier anderen Koppermanns, darunter Gerhards Großvater, seit 1885 in Berlin als Maurer am Bau des Reichstagsgebäudes. Es war nicht das letzte Mal, dass die Familie Ehlert und ihre Vorläufer an epochalen deutschen Monumenten arbeiteten oder an epochalen Ereignissen teilhatten.

      Ihren vier Kindern schärfte Großtante Anna ein, auf dem Hof nicht zu buddeln, weil sich dort noch Relikte der aufgelassenen Glashütte in Form scharfkantigen Glasflusses befinden könnten. Das erzählte später ihre jüngste Tochter Wally dem kleinen Gerhard während eines Besuchs in Göttingen.

      Annas Geschäft ging irgendwann

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