Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen. Annerose Matz-Donath

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Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen - Annerose Matz-Donath

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fast im gleichen Alter wie ich, waren lieb und herzlich. Doch bis heute erinnere ich mich mit Schrekken furchtbarer Prügelattacken ihres Mannes, meines Onkels, die aus mir unerfindlichen Gründen immer wieder über mich hereinbrachen. Mein Vater war entweder nicht da, wenn das geschah – oder er war nicht stark genug, dem entgegenzutreten. Ich weiß es nicht. Ich sah mich gestraft und als ‚verkehrt‘ verurteilt, ohne verstehen zu können, warum. Seit damals verließ es mich nie mehr, dieses Gefühl, eben nicht ‚in Ordnung‘ zu sein.

      Als ich viereinhalb war, trat eine Frau in mein Leben, die ich Tante Pia nennen mußte. Als ich ins zweite Schuljahr kam, zogen wir mit dieser Tante in eine gemeinsame Wohnung. Tante Pia kümmerte sich zwar um alles, was mich betraf, aber mit großer Distanz und Kühle. Ich erinnere mich nicht, dass sie mich jemals in die Arme genommen hat. Ihre Schwester, bei der ich die Sommerferien verbringen durfte, war der einzige Mensch, der mir Herzlichkeit und Wärme zeigte, bis ich 1960 meine Mutter wiedersah. Mein Vater hat es nie gewagt, vor Tante Pia seine Gefühle für mich offen zu zeigen. Denn dass er mich liebte – das glaube ich doch.

      Allmählich ging Tante Pia dazu über, mir fast täglich laut ins Gesicht zu sagen, was sie über mich und meine Mutter dachte. ‚Wer eingesperrt wird, hat auch etwas getan!’, war die ständige Litanei. Die Frau, die mein Vater geheiratet hatte, meine Mutter also, war ohne Zweifel überaus herrschsüchtig, geltungsbedürftig, ehrgeizig, kaltschnäuzig – und noch dazu unsauber! – gewesen. So das Urteil der Tante Pia, die meine Mutter nie gesehen hatte. Die hätte sich auch nur für ihre Karriere als Journalistin interessiert, die sie nun schließlich auch ins Zuchthaus gebracht hätte: ein Schicksal, das eine solche Frau nur zu Recht getroffen habe! Auch ‚Politik’ hätte diese Person ja nur gemacht, um besser ihren Liebschaften nachgehen zu können. So Tante Pia wieder und immer wieder. Offensichtlich hätte meine Mutter meinen Vater ja auch nie geliebt, wäre ihm nicht treu gewesen, und das einzige Kind hätte sie ja nur gewollt, um nicht in der Rüstungsindustrie arbeiten zu müssen.

       Das traf mich besonders. War das der Grund meiner Existenz? Und war ich überhaupt nur darum als Person so verkehrt, weil ich eine so verkehrte Mutter hatte? Ich haßte sie dafür, dass sie so schlecht war und mich so allein gelassen hatte – und habe doch zugleich nach ihr und ihrer Liebe geweint. Ja, ich habe es schließlich geglaubt, das mit meiner Geburt. Als meine Mutter zurückkam, habe ich es ihr vorgeworfen. Es hat lange gedauert, bis sie mich überzeugte, dass es Lüge war.“

      Als Studentin im Kriegseinsatz hatte Monikas Mutter sogar eine interessante Arbeit bekommen. Sie war als Prüfingenieurin angelernt worden und arbeitete in der Firma Telefunken in Erfurt im Endprüffeld der Rundfunkfabrikation.

       „Natürlich, mein Vater sei nun gerettet, meinte Tante Pia. Denn in ihr habe er eine wirklich gute Frau gefunden. Doch zwei Probleme blieben: Was würde geschehen, wenn diese schlechte Person etwa zurückkommen sollte – trotz der fünfundzwanzig Jahre Strafe? Und: Wie sollte man die Entwicklung des Abkömmlings dieser schlechten Person zum Guten lenken? Denn für Tante Pia gab es keine Zweifel: Aus einer schlechten Wurzel kommt nur ein schlechtes Reis!

       Heute weiß ich: In der streng katholischen Sicht der Pia hingen zwei große Flüche über dem Leben unserer kleinen Familie. Es war ihr eigener moralischer Zwiespalt, in ständigem Ehebruch zu leben – dazu noch mit einem evangelischen Mann! Und es war die Existenz einer minderwertigen Tochter von einer minderwertigen, ehr- und pflichtvergessenen Frau.“

      Auch die Mutter, Betty Prüfer, erinnert sich – an die Briefe, die sie von ihrem Kind in die Zuchthauszelle hinein erhielt. Einer hat sich besonders tief in ihr Gedächtnis eingegraben. Eines Tages öffnete eine der besonders kalten und harten Wachtmeisterinnen ihre Zellentür, einen Brief in der Hand. Und ehe sie den herausgab, sagte sie, Mitleid in Stimme und Blick: „Sie wissen, ich bin Ihnen ja nicht eben freund. Doch sie tun mir leid! Ich bin ja selber Mutter.“ Und dann mußte die Gefangene lesen, was ihre kleine Tochter ihr zu sagen hatte:

       „Schreibe mir doch nicht immer, du hast mich lieb! Wenn du mich wirklich lieb hättest, dann würdest du dich gut führen. Und dann hätten sie dich längst entlassen…“

      Ob ein Kind von elf Jahren wohl selber solche Gedanken und solche Worte findet? Dass sie solchen Brief schrieb, daran erinnert sich Monika heute nicht mehr. Doch sie hat nicht vergessen, welche Fragen sie damals bewegten:

       „Meine Mutter – wer war meine Mutter überhaupt? Alle Bilder, alle alten Briefe von ihr hatte mein Vater verbrannt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie sie wohl aussah. Als sie mich in die Klinik geben mußte, war ich ja gerade zwei!

      Niemand sagte mir jemals, dass sie in rechtswidriger Weise bei Ausübung ihres Berufes eingesperrt worden war. Keiner sagte mir, dass sie mutig für demokratische Prinzipien eingetreten war. Im Gegenteil, mit der Verhaftung war doch einer so bösen Person, die ‚Spionage getrieben‘ und ihre Familie vernachlässigt hatte, ganz recht geschehen, meinte ja meine Erzieherin Tante Pia. Dass sogar Spionage gegen die Sowjetunion – falls wirklich begangen! – eine Tat zum Schutze der Freiheit des Westens gewesen sein könnte – auch der Freiheit von Tante Pia! –,das kam keinem in den Sinn.

       Mag sein, Tante Pia hat meinen Vater wirklich geliebt. Das zu beweisen bekam sie in späteren Jahren ausreichend Gelegenheit, als sie ihn vor seinem Tode lange pflegen mußte. Was sie tat, den ihr ins Nest gelegten Kukkuck zu einem ordentlichen Menschen zu erziehen, das tat sie jedenfalls aus Pflicht, wie sie sie verstand. Das sehe ich heute.“

      „Tante Pia“ hat noch das Ende der Sowjetunion und den Zusammenbruch der DDR erlebt. Sie hätte erfahren können, dass die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation in Moskau inzwischen das Urteil gegen die ehemalige Frau Kerner, heute Prüfer, aufhob und die von ihr so übel verleumdete Frau als „ohne Schuld und Grund verhaftet“ rehabilitierte. Doch keiner hat es ihr gesagt. Es hätte ihr wohl auch nichts bedeutet. Was sie einem ihr anvertrauten Kinde angetan hatte, ist ihr wohl ebenfalls niemals klar geworden.

      2 Unabhängig vom Datum der Verhaftung durften die SMTer im Sommer 1949 zum ersten Mal das erste Lebenszeichen geben – ohne Absenderadresse. Erst ein Jahr später, im Sommer 1950, wurden ihnen bei strengster Zensur monatlich fünfzehn Zeilen nachhause und eine ebenso kurze Antwort von dort erlaubt. Zensiert wurde radikal und zwar mit der Schere. So glichen die Briefe der Eltern, Kinder und Ehegatten häufig fragilen Scherenschnitten. Manchmal kamen sogar nur unzusammenhängende Textfragmente bei den Gefangenen an.

      3 476 von 1.314 gefundenen SMTerinnen-Karteikarten wiesen die Frauen als Mütter von zumeist mehreren Kindern aus

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