Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen. Annerose Matz-Donath

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Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen - Annerose Matz-Donath

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die Käfige für kleine Tiere. Doch es gibt auch andere Fotografien. Solche von lächelnden Betreuerinnen zum Beispiel, die sich liebevoll über Drei- oder Vierjährige beugen, oder ein Bild, auf dem sich Kinder um einen Kinderstuhl mit Teddybär gruppieren. Gesunder „Freiluftschlaf der Jüngsten“ wird durch eine Reihe von Kinderwagen im Grünen hinter dem Haus bezeugt. So weit, so gut?

       „Wir haben bei dem Jugendamt, das auch damals schon regional zuständig war, einiges in Erfahrung bringen können. Gerne hat man uns allerdings nicht Auskunft gegeben. Da gab es zum Beispiel den folgenden Bericht:

       In ein Laufgitter, zwei mal zwei Meter groß, wurden immer zehn bis zwölf Kinder gesteckt. Die brabbelten vor sich hin: ‚Hä-hä-hä‘ und wackelten dabei hin und her. Dann fiel eins nach dem anderen um. Dieses Hin und Her von einem Bein auf das andere auf der Stelle – manchmal hat man das schon von Elefanten gesehen, im Zoo. Tierschützer laufen Sturm, wenn sie solche durch die Gefangenschaft geschädigten Tiere entdecken. Der Arzt, der manchmal ins Kinderheim kam, sagte nur: Da ist nichts dabei. Die sind alle gesund und in Ordnung. Kinder machen einfach so!

      Einmal hat allerdings der Arzt der Leiterin nahegelegt, die Stelle zu wechseln. Da hatte er bei einigen Kindern schwere Blutergüsse entdeckt, die offensichtlich von Mißhandlungen herrühren mußten.

      Wie man die Kinder dressiert hat, dass sie sich still verhielten, geht auch daraus hervor: Die Anlieger wußten nicht, sie haben es nie bemerkt, dass neben ihnen ein Kinderheim war.

      Seitdem wir uns wiedertreffen, einige, die damals zusammen waren, kommen auch manche Erinnerungen wieder. Tina Semmler weiß noch, dass man ihr einmal Erbrochenes wieder in den Mund gestopft hat – als Strafe, als hätte sie sich aus Bosheit übergeben. Eine andere Strafe war, dass man mit einer Wolldecke über dem Kopf im Bett stehen mußte, bis man umfiel. Oder dass sie einen im Keller mit einem kalten Wasserstrahl abgespritzt haben. Der Strahl war so stark, dass es einen wegschob oder man hinfiel. Oder man wurde in eine dunkle Besenkammer gesperrt. Tina meint sich zu erinnern, dass man sie einmal einen ganzen Tag in der Kammer gelassen hat. Sehr lang, unmenschlich lang für ein kleines Kind muß es jedenfalls gewesen sein.

      Ach, im Strafen waren sie erfinderisch! Zum Beispiel konnte man dazu verdonnert werden, dabeizusitzen – ohne sich zu mucksen natürlich – und hungrig zuzugucken, wie die anderen aßen.

       An etwas erinnere ich mich noch besonders: Alle Wände waren voller Bilder – Politiker, Staatsmänner und Soldaten, die das System damals ehrte. Die Namen kriegten wir eingepaukt und meisten einen kurzen Vers dazu – vier Zeilen oder so. Und wehe, wenn wir das nicht hersagen konnten aus dem Effeff – dann gab es wieder Strafen!

      Belobigungen gab es wohl auch. Doch bisher haben wir ehemaligen Heimkinder alle zusammen da nur eines herausgebracht: Wer ‚brav‘ gewesen war, durfte, wenn es draußen sehr heiß war, auf der Bank sitzen und die Beine im kalten Wasser baumeln lassen.

       Wir suchen noch weiter und haben auch noch Akten angefordert. Aber ob wir die je erhalten werden? In den Ämtern sitzen doch häufig noch die alten Leute von der SED, die das mit zu verantworten hatten. Und wenn nicht sie selbst, dann ihre Gesinnungsgenossen von damals!

       Nur eines muß ich noch sagen: Mit meiner Gesundheit war es nie weit her, solange ich denken kann. Seitdem mir das alles wieder gegenwärtig ist aber, kann ich kaum noch schlafen.“

      Seit der Öffnung der Nazi-KZs ist bekannt und erforscht, welche bleibenden Schäden politischer Terror sogar Erwachsenen setzte. Wie mußte das aber Kleinkinder treffen! Sie kannten ja kein anderes Leben. So mußten sie wohl für normal halten, was mit ihnen geschah. Was für ein Bild vom eigenen Wert als Mensch, als Person wurde jedem dieser hilflosen Kinder so in die Seele geprägt? War es ein Wunder, dass sie auch körperlich Schaden nahmen?

      Macht Wissen jedoch nicht alles noch schlimmer, wenn es sogar den Schlaf raubt? Nein, Verdrängen macht krank! Das sagen die, die es wissen müssen, Ärzte und Psychologen. Der einzige Weg, der Hoffnung auf Heilung gibt, verläuft umgekehrt. Nur was das wache Bewußtsein benennen kann, das kann auch – bis in die Tiefenschichten der Seele hinein – ein einstmals Gequälter zu überwinden versuchen. Nicht die geringste Bedeutung dafür hat die Möglichkeit, Taten und Täter endlich öffentlich nennen zu können.

      Sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen – das ist auch dann der einzige Weg zur inneren Befreiung, wenn es besonders weh tut, weil in der eigenen Familie die Wunden geschlagen wurden, die heute noch schwären. Eines der kleinen Mädchen von damals, das nach der Verhaftung seiner Mutter beim Vater im Westen lebte, ist Monika Kerner. Jetzt, fünf Jahrzehnte später, zog auch sie Bilanz:

       „Was ich von meiner frühen Kinderzeit weiß, hat mir sehr viel später meine Mutter erzählt. Denn ich habe sie erst kennengelernt, als ich schon fünfzehn war.“

      Im Mai 1948 – wenige Tage vor Pfingsten – hatten sich aufgrund einer haltlosen Denunziation die Zuchthaustore hinter der Verhafteten geschlossen. Später Herbst war es, als sie 1959 nach fast zwölf Jahren zu ihrer Familie hätte zurückkehren können. Aber auch für sie gab es keine Familie mehr. Bis die Entlassene die Möglichkeit fand, wenigstens ihre Tochter zu sich nehmen, brauchte es wiederum mehr als ein Jahr.

      All die mutterlosen Jahre hatte das Kind, das junge Mädchen, ein wahres Aschenputtel-Schicksal durchlitten. Nur kommt in der Wirklichkeit keine gute Fee und kein Prinz verlassenen Kinder zu Hilfe. Über allen Erinnerungen der heute Fünfzigjährigen liegen die Schatten der Angst:

      „Meine erste eigene Erinnerung: ein Himmel voller Sterne zur Nachtzeit. Ein Erwachsener führt mich an der Hand. Das mag in Würzburg gewesen sein, bei Onkel und Tante meiner Mutter.

      Noch etwas anderes erinnere ich: Ich stehe in einem Gitterbett und sehe in einen entfernten Garten hinaus, wo eine schwarze Frau bügelt. Ich ängstige mich sehr. Vielleicht war die dunkle Frau eine Ordensschwester im Habit in dem Krankenhaus nahe bei Würzburg, in das meine Mutter mich Anfang 1948 hatte bringen lassen? In der ‚Ostzone’, wie man damals sagte, war es offenbar um die medizinische Betreuung der Kinder nicht gut bestellt. Ich sei gesund, beharrten alle befragten Ärzte in Halle. So blieb schließlich nur die Reise gen West und da stellte man wirklich fest, dass ich an einer schweren Hilusdrüsen-Tb litt. Ich war also wirklich sehr krank gewesen, wie meine Mutter so fest behauptet hatte.

       Als Zweijährige hatte ich also um meiner Heilung willen die erste Trennung meines Lebens hinter mich bringen müssen. Sie muß sehr schmerzhaft gewesen sein. Meine Mutter erzählt, am Bahnhof hätte mein Vater mich mit Gewalt aus ihren Armen und aus denen meiner Kinderschwester wegreißen müssen, und sie beide seien tief bekümmert nach Hause gegangen – mit einem schlechten Gewissen, als hätten sie eben eine Gewalttat begangen.“

      Der Ehemann und Vater Monika Kerners lebte damals schon im Westen. Er war Pilot gewesen, später Flug-Ausbilder. Militärische Routine hatte den Abiturienten in der Länge des Krieges zum Offizier werden lassen. Deshalb war er nach anfänglicher Zulassung wieder von der Universität Halle verwiesen worden.

      Doch das war nicht der Grund für seine Flucht in den Westen gewesen. Nächtlicherweile holten die Sowjets damals immer wieder Menschen ab, deren militärische Kenntnisse ihnen als möglicherweise nützlich erschienen. Als seine Frau, LDP-Journalistin, vom kommunistischen Polizeipräsidenten von Halle vertraulich erfuhr, dass auch Piloten mit besonderen Qualifikationen zu den Begehrten zählten, bat sie ihren Mann, sich vorsorglich im Westen in Sicherheit zu bringen. All das hörte Monika Kerner erst sehr viel später von ihrer Mutter: So sah es damals das Kind:

      „Als ich aus dem Krankenhaus

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