Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen. Annerose Matz-Donath

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Deutsche Frauen vor sowjetischen Militärtribunalen - Annerose Matz-Donath

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mitleiderregend elend und schlecht wie auch die Behandlung, die einfache Rotarmisten erfuhren:

      „Auch Schläge haben die Soldaten gekriegt! Beim geringsten Ding! Mit dem Stock haben sie gekriegt und mit der Peitsche! Die haben eine Angst gehabt! Schreckliche, schreckliche Angst haben die gehabt! Was man so gesehen hat – ich war ja in der Kaserne drin, da waren die Büroräume.

       Ach, und meine erste Aufgabe – daran erinnere ich mich noch heute: Ich mußte einen großen Korb voller Papiergeld sortieren – ganz zerknittertes, wie die Russen das so hatten, deutsches Geld und anderes dazwischen. Ich habe gebündelt und aufgelistet. Ach, ich hatte zwei Tage damit zu tun. Es waren etwas über 86.000 Mark. Als ich das nun dem Kommandanten bringe, guckt der mich groß an, zieht einen Zettel aus der Tasche – er hat den Betrag schon vorher genau gewußt!“

      Eine Prüfung auf Ehrlichkeit also. – Gelegentlich kamen andere Offiziere oder Dolmetscher ins Büro. Manchmal gab es dann ein Gespräch, ein paar Worte hin und her, soweit die Sprachkenntnis reichte.

       „Manchmal kam auch einer, der sprach Deutsch fast perfekt, genauso wie wir. Das fiel schon auf. Denn auch die Dolmetscher haben ja alle so einen bestimmten Akzent. Es war ein höherer Offizier. Hinterher ist mir aufgefallen, dass er immer kam, wenn ich allein im Büro war, dass er ein Gespräch mit mir führen konnte. Damals habe ich mir nichts dabei gedacht. Denn meine Chefin hat sich ja auch mit mir unterhalten. Eines Tages hat er mich so nebenbei gefragt, ob ich nicht einen Schneider wüßte. Er brauche einen Zivilanzug. ‚Nun sicher’, sage ich,’ es gibt hier schon Schneider. Ich kann mich ja mal erkundigen.’

      Ich bin nicht gleich – nein, ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen und habe gefragt: ‚Wozu brauchen Sie denn einen Zivilanzug?’ Die Frau des Kommandanten trug ja auch Zivil und war sicherlich eine Offizierin.

      Ein guter Stoff sollte es sein, wirklich ein guter Stoff, sagte er. ‚Ach ja,’ sage ich, ‚dann gehen Sie doch mal da und dahin.’ Ich habe ihm die Adresse aufgeschrieben. Es war gar nicht weit von der Kaserne.

       Eines Tages, vielleicht fünf Tage später, war der Mann weg! Aber sie haben ihn ja gekriegt, in Berlin. Sie fanden bei ihm den Zettel mit der Anschrift des Schneiders.“

      Drei lapidare Sätze einer harmlosen Auskunft – sie entschieden über das Schicksal einer jungen Mutter und ihres Kindes. Denn Margot war schwanger und freute sich schon auf die Hochzeit, als sie verhaftet und wegen Beihilfe zur Fahnenflucht zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt wurde.

      Wie die Vernehmungen waren? Keine Rücksicht auf die Schwangerschaft. Aber auch Mißhandlungen nicht, erinnert sie sich. Nur ein einziges Mal:

      „Wo ich in Untersuchungshaft war, da standen die Stühle fest. Die waren wie angenagelt. Man konnte nicht von der Stelle rücken. Der Vernehmer hatte an seinen Stiefeln so etwas wie Sporen dran. Er ging hinten an mir vorbei und hat so an meine Kniescheibe geschlagen, dass ein Riß drin war. In der linken Kniescheibe. Ich habe danach lange Zeit gelahmt, auch in Hoheneck noch. Aber ich habe keinem erzählt, wovon das war. Aus lauter Angst.

       Ich sollte eingestehen, dass der geflüchtete Offizier mir gesagt hat, er wollte fort. Sonst haben sie mir nichts getan, nur immer grelle Lampen direkt ins Gesicht … Und das Urteil in Potsdam, das war russisch. Das mußte man unterschreiben. Aber man konnte es nicht lesen.“

      Die DDR war gerade dreizehn Tage alt, als ihre Bürgerin Margot Schlieker, damals noch Fuhrmann, vom NKWD verhaftet worden war. Sie gehörte zu den ersten, die nicht mehr über das sowjetische SPEZLAG Sachsenhausen, sondern direkt aus der russischen Untersuchungshaft nach Hoheneck kamen – gerade zur Entbindung zurecht:

       „Die Mütterstube in Hoheneck war das Furchtbarste – ja, das Furchtbarste! –,was es überhaupt gab! Die Entbindung im sogenannten Krankenhaus erst, in diesem Krankenbau, die war glatt menschenunwürdig! Alle Turmposten waren dabei, buchstäblich jeder von den Kerlen, der sowas mal sehen wollte. Das ging ‚Achtung! Die Entbindung! Kommt schnell!’ durch den ganzen Bau. Und dann kamen die Kerle an und starrten mir auf den Bauch…

       Ja, alle, die Lust hatten, haben zugeguckt. Wenn ich heute noch daran denke…! Und hinterher – ebenso fürchterlich! Da gab es nichts zu essen. Nur Hirse – und die war angebrannt. Und man hatte doch soviel Hunger. Hinterher, nach der Anstrengung. Man wollte doch so gerne was essen! – Nein, es war grauenhaft.“

      Es entzieht sich jeder Beschreibung, was Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbett hinter Gefängnismauern bedeuten – schon ohne solche Brutalitäten. Nicht ohne Grund nimmt in zivilisierten Staaten selbst bei schweren kriminellen Delikten das Strafrecht Rücksicht auf die besondere Situation von Gebärenden und Wöchnerinnen. In der Sowjetunion dagegen wie auch in der DDR hätte solch rücksichtsvolle Menschlichkeit den gefährlichen Ruch des „Versöhnlertums“ gehabt. Die „Mütterstube“ in Hoheneck war nichts anderes als eine kahle Doppelzelle, nicht besser als die der anderen Gefangenen. Dass sie als „Stube“ bezeichnet wurde, war im Grunde der pure Hohn:

      „Uns in der Mütterstube hatten sie dunkelblaue Kleider verpaßt. Dicker Stoff, Stehkragen und hier vorne Knöpfe so herum. Aber stillen konnte ja fast keine. Milch für die Kinder konnten – oder mußten – wir uns aus der Küche holen. Einen Viertelliter pro Tag, den wir mit Wasser verdünnten.

       Die sogenannte Mütterstube war immerhin nicht zugeschlossen wie die Zellen sonst. Wo diese ‚Mütterstube‘ eigentlich lag, könnte ich jetzt nicht mehr sagen. Zu dem übrigen Gefängnisbetrieb hatten wir ja keinen Kontakt. Ich sehe mich nur noch mit einem kleinen Topf in der Hand zur Küche gehen. Eine Totenstille war. Auf einmal kommt ein Offizier in dunkelblauer Uniform, schon älter, und fragt: ‚Wo wollen Sie hin? Und wo kommen Sie her?’ Ich bin ganz perplex. Denn wir haben doch keine Männer bei uns im Haus gesehen, überhaupt nicht. Bloß die Torposten. Und da sage ich ganz verdattert: ‚Ich komme aus der Mütterstube und gehe in die Küche, Milch holen.’ Jede holte sie sich da für ihr Baby extra, alleine.“

      Es war der Anstaltsleiter gewesen, dem Margot zu ihrem Unglück über den Weg gelaufen war. Denn das Gespräch blieb nicht ohne Folgen – und in Hoheneck waren Folgen fast immer nur negativer Natur. Drei Tage später wurde den Müttern verboten, selbst in die Küche zu gehen. Die Milch wurde nun gebracht und vor der Türe der Mütterzelle abgestellt. Auch der letzte bescheidene Kontakt zu anderen Kameradinnen war den Müttern damit genommen. Nun waren sie völlig von allen abgeschnitten – in der Isolierung noch einmal isoliert! Darunter litten alle:

       „Es war zwar immer beim Milchholen Polizei dabei gewesen, aber immerhin – doch immer mal ein paar Schritte heraus aus der Enge und ein paar andere Gesichter sehen. Nun waren wir in der Mütterstube ganz eingesperrt!“

      Kamen sie überhaupt je aus ihrem Raum heraus, etwa zum Rundgang auf den Hof, an die freie Luft, mit oder ohne Kinder? Margot Schlieker kann sich beim besten Willen heute daran nicht mehr erinnern. Die quälenden Eindrücke jener Zeit sind zu übermächtig geblieben – vor allem die Sorge um die Ernährung der Kinder:

       „Zu der verdünnten Milch gab es immer einen Brei, einen grauen Brei. Süßlich war er, wahrscheinlich aus Hirse oder gemahlenem Reis. Obst oder mal Gemüse, eine Möhre vielleicht – nein, das gab es überhaupt nicht. Von Mohrrübensaft oder irgendwelchen Saftgetränken für Kinder oder Mütter haben wir nicht einmal geträumt! Was wir hatten? Irgendwelches miese Trockengemüse, Kartoffelschalen praktisch – und Wasser.“

      Soweit man weiß, haben alle Kinder diese Mangelernährung überlebt. Ob sie Spätschäden – und wenn, dann

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