Audiovisuelles Übersetzen. Heike E. Jüngst

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Audiovisuelles Übersetzen - Heike E. Jüngst страница 27

Audiovisuelles Übersetzen - Heike E. Jüngst narr studienbücher

Скачать книгу

ein Translationsmanagement mit Qualitätskontrolle eine wichtige Rolle spielt, existieren hier nicht einmal Überlegungen in diese Richtung.

      Gerade dort, wo keine nennenswerte Absprache zwischen den an der zielsprachlichen Fassung Beteiligten stattfindet, erscheint der Einsatz eines solchen Supervisors ausgesprochen sinnvoll. Mehr Zusammenarbeit fordert auch Seifferth:

      Es wäre dabei auch wichtig, dass der Auftraggeber die jeweiligen Synchronsprecher und die Übersetzer vor dem Beginn der Arbeit an einen Tisch bringt, denn dies würde auch dazu beitragen, dass der Übersetzer die handelnden Personen besser versteht, zumal die ausgewählte Stimme wesentlich zur späteren Sympathie und Popularität einer handelnden Person beiträgt. Der Auftraggeber sollte des Weiteren für eine Rückmeldung zur Qualität der Übersetzung sorgen, ein Qualitätsmanagement einführen, um im ständigen engen Dialog mit dem Übersetzer, dem Dialogbuchautor und dem Synchronregisseur die bestmögliche Synchronübersetzung zu schaffen. (Seifferth 2009: 128)

      Bei Seifferth wird auch der eigentliche SynchronisationsprozessSynchronisationsprozess, das EinsprechenEinsprechen des übersetzten und bearbeiteten Texts, beschrieben. Das Einsprechen selbst erfolgt im Synchronstudio durch Profisprecher, oft Schauspieler. Seifferth schildert ihren Besuch bei der Studio Hamburg Synchron folgendermaßen:

      Dieser Aufenthalt im Aufnahmestudio war aufschlussreich, um Rückschlüsse ziehen zu können auf Fehlerquellen, wie sie während des Synchronisationsprozesses, also bei der Aufnahme entstehen: Die Qualität hängt nur von einer beziehungsweise noch einer weiteren beisitzenden Person, die für die Technik zuständig ist, ab. Das bedeutet, dass Aussprachefehler überhört werden, eine Anlehnung an einen bestimmten DialektDialekt, hier Norddeutsch, eine Rolle spielt und somit immer wieder unidiomatisches Deutsch verwendet wird, insbesondere Grammatikfehler und Kollokationsverstöße. Auch bedeutet dies, dass das Skript in Teilen verändert wird. Bei der Serie The SopranosThe Sopranos, die hier synchronisiert wird, fiel auf, dass, beispielsweise abfällige ‚lustige‘ Bemerkungen über Juden, wie sie im mafiaähnlichen Milieu, besonders unter den Italo-Amerikanern, üblich sind, nicht ins Deutsche übertragen wurden, also die NulllösungNulllösung gewählt wurde – ein Beispiel dafür, dass … im Synchronisationsprozess regelrechte Zensierungen stattfinden. (Seifferth 2009: 5)

      Der Arbeitsablauf während der Synchronisation selbst ist nicht chronologisch. Früher teilte man die Szenen so ein, dass man die Arbeitstage der einzelnen SprecherSynchronsprecherSprecherSynchronsprecher ideal danach ausrichten konnte. So kamen zuerst die Szenen mit A, B und C; dann konnte C nach Hause gehen und die Szenen, in denen nur A und B auftreten, wurden synchronisiert. Es herrschte also ein ähnliches Arbeitsprinzip wie bei Filmen, wo man ebenfalls nicht chronologisch von Anfang bis Ende dreht, sondern den Arbeitsablauf nach Drehorten und eingesetzten Schauspielern aufteilt. Heute stehen die Sprecher allein im Studio; der Vorgang ist nun komplett fragmentarisiert und entfremdet.

      Auch spontane Entscheidungen, die sich nur im Zusammenspiel mehrerer Sprecher ergeben, gibt es nicht mehr. Bei der Synchronisation werden die Texte in sehr kurze TakesTake von ein bis zwei Sätzen aufgeteilt und die Sprecher stehen in einem nüchternen Tonstudio. Das gab es schon früher und das muss nicht einmal kostensparend sein:

      Häufig werden Takes ge-ixtge-ixte Takes, das heißt, in einem Take mit zwei Sprechern wird erst nur der eine und an einem anderen Tag der andere aufgenommen, wenn beide zusammen wegen Terminschwierigkeiten nicht im Studio sein können. Auch wenn Texte sich überlappen, wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, damit die Cutterin die Aufnahme exakter bearbeiten kann … Das Ixen treibt natürlich die Anzahl der Takes schnell in die Höhe, was sich wieder auf die Kosten auswirkt … Kalkuliert werden etwa 170 bis 200 Takes am Tag, das heißt, ein 90 Minuten langer Film ist in vier bis fünf Tagen ‚über die Bühne‘. (Blunck 1998: 285)

      Der SynchronregisseurSynchronregisseur muss dafür sorgen, dass die Schauspieler immer eine Vorstellung davon haben, in welchem Handlungszusammenhang das jeweilige Take steht (vgl. Bräutigam 2009: 38). Auch unter Sprechern gibt es Bedauern dieser Situation gegenüber:

      … wie lustig muss es zugegangen sein, als er [Synchronsprecher Norbert Gastell] sich hier noch gemeinsam mit anderen SimpsonsDie Simpsons-Sprechern wie der Münchnerin Sabine Bohlmann duellierte: von Vater Homer zu Tochter Lisa. Vor ein paar Jahren kam irgendwer darauf, es sei effektiver, jede Stimme einzeln aufzunehmen. Track by Track. „Wir trauern den alten Zeiten nach. Heute sind wir allein in unser Kabuff eingesperrt“, sagt Gastell, „wenn mich jemand fragt: ‚Hey, Homer, wie geht es Marge?‘ Dann sage ich: Keine Ahnung, ich habe meine Frau noch nie gesehen.‘“ Anke Engelke spricht Mrs. Simpson in Köln ein. (Zirnstein 2012: 56)

      Profis können in einer solchen Situation trotzdem arbeiten, und die Anmerkung von Herbst, die deutschen Synchronfassungen wirkten im Vergleich zu den Originalen fade (in Blum 1994), ist bei den meisten Filmen nicht gerechtfertigt.

      Viele Informationen über den Synchronisationsprozess haben eher Anekdotencharakter und richten sich an ein interessiertes Laienpublikum. Denn viele finden die Arbeit von Synchronsprechern faszinierend. Auf manchen DVDs findet man daher als Extra einen kurzen Bericht von der Synchronarbeit, bei dem man die Schauspieler beim Einsprechen sieht. Von den in diesem Buch angeführten Filmen ist das Willkommen bei den Sch’tisWillkommen bei den Sch’tis, aber auch Die Biene Maja – Die HonigspieleDie Biene Maja – Die Honigspiele.

      Typisch ist ein Interview, das Link und Nassif mit dem Schauspieler Christoph Maria Herbst im Morgenmagazin (Moma) vom 29.05.2019 führten. Herbst schildert, wie er eine Rolle im Trickfilm Mr. Link – Ein fellig verrücktes AbenteuerMr. Link – Ein fellig verrücktes Abenteuer eingesprochen hat (Transkription Jüngst):

      Link: Aber du stehst da alleine. Du hast keinen zum Anspielen so richtig.

      Herbst: Du sagst es. Und, erm, das ist schon hart. Du musst dann da für Stimmung sorgen und ich hab, ich glaub, ich war drei, vier Tage im Studio, und da musst du schon gegen dich ansprechen, auch gegen dich anspielen.

      Nassif: Und das geht wirklich so Fitzelchen für Fitzelchen durch 90 Minuten (Herbst: Genau) Spielfilm?

      Herbst: Also der Film wird dann für den Synchron in so Bits und Bytes irgendwie aufgedröselt, und die Premiere des Films war jetzt letzten Sonntag in Berlin, und da haben wir alle, Kollegen … diesen Film zum allerersten Mal gesehen, weil, du hast das Endprodukt, hast du nie gesehen, sondern eigentlich nur deine eigene Tonspur.

      In diesem Interview sieht man auch Ausschnitte aus der Arbeit im Synchronstudio:

      2:43 Herbst: Ich glaub‘ der Schrei am Ende ist zu offen, ne, wenn der mit dem Gesicht auf dieses Eis klatscht, dann müsste das eigentlich so’n bisschen …

      2:49 Regie: So’n bisschen abgedeckt sein.

      2:50 Herbst: Ma nomma eine.

      Die neue DialogspurDialogspur wird mit dem IT-BandIT-Band abgemischt; eventuell muss der Tonmeister noch Stimmen an die Klangeffekte bestimmter Räume (Kirchenhall etc.) anpassen (vgl. Seifferth 2009: 23). Bei diesen Abmischungen gibt es kulturspezifischekulturspezifisch Unterschiede und Präferenzen:

      Wenn man amerikanische Filme in der Originalfassung im Kino sieht, ist das beinahe so wie in der Oper: ich habe mich gewundert, dass ich alles Mögliche nicht verstehe und dachte, meine Sprachkompetenz ist zu eingeschränkt. Aber als ich die Filme zusammen mit Amerikanern gesehen habe, ging es denen nicht anders. Das heißt, in der amerikanischen Synchronisation kommt es gar nicht darauf an, dass man immer alles versteht, was gesagt wird. Die Musik schiebt sich manchmal in den Vordergrund und verunmöglicht die Verständlichkeit der Sprache. Wenn man sich diese Filme in der deutschen Synchronisation ansieht, wird immer Wert darauf gelegt, dass alles verständlich bleibt. Die Filme sind so gemischt, dass die Musik leiser

Скачать книгу