Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46. Rainer Huhle

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Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46 - Rainer Huhle

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mögen sich um bestimmte Ausnahmen bemüht haben gegenüber der Politik, die Juden auszurotten, aber ich habe kein Anzeichen dafür gefunden, daß irgendeiner der Angeklagten der Politik selbst widersprochen oder versucht hätte, sie aufzuheben oder auch nur zu mildern.

      Die Entschlossenheit, die Juden zu vernichten, war eine bindende Kraft, die jederzeit die einzelnen Teilkräfte dieser Verschwörung zusammenhielt. Über viele Fragen der inneren Politik bestanden Meinungsverschiedenheiten unter den Angeklagten, aber es ist nicht einer unter ihnen, der nicht den Schlachtruf des Nazismus willig wiederholt hätte: „Deutschland erwache, Juda verrecke!“

      Wie eine Regierung ihr eigenes Volk behandelt, wird gewöhnlich nicht als Angelegenheit anderer Regierungen oder der internationalen Gemeinschaft der Staaten angesehen. Sicherlich würden Unterdrückung oder Grausamkeit nur in seltenen Fällen fremde Mächte zur Einmischung berechtigen. Die Mißhandlung Deutscher durch Deutsche aber überschreitet, wie man jetzt weiß, nach Zahl und Art der Fälle und an Roheit alles, was für die moderne Zivilisation tragbar ist. Die anderen Völker würden, wenn sie schwiegen, teilhaben an diesen Verbrechen, denn ihr Schweigen wäre Zustimmung. Die Verfolgungen durch die Nazis kommen jedoch außerdem – wenn man das Ziel bedenkt, dem sie galten – internationalen Verbrechen gleich.

      Die freie Arbeiterschaft, die Kirchen und die Juden auszuschalten, sollte, wie wir gesehen haben, ihren störenden Einfluß beseitigen gegenüber dem Bestreben, einen Angriffskrieg heraufzubeschwören. Wenn die Verletzung von Vertragsverpflichtungen eine Angelegenheit des internationalen Rechtsgefühls und der internationalen Rechtsprechung ist, dann müssen auch die Vorbereitungen dazu eine Angelegenheit der internationalen Gemeinschaft sein. Der Schrecken war das Hauptmittel, den Zusammenhalt des deutschen Volkes im Dienste des Krieges zu sichern. Außerdem sollten die Grausamkeiten in Deutschland den Mitgliedern der verbrecherischen Organisationen die Möglichkeit geben, Greueltaten zu verüben und zu erproben, um später in den besetzten Gebieten in gleicher Weise zu verfahren.

      Durch die Polizeigliederungen, die vor Ihnen, meine Herren Richter, als verbrecherische Organisationen angeklagt sind, haben die Führer der Nazi-Partei eine Schreckensherrschaft errichtet, und jeder einzelne der Angeklagten hier hat zu seinem Teile geholfen, dieses grundlegende und ihnen allen bekannte Ziel zu erreichen. Diese polizeilichen Organisationen mit ihrer Beihilfe an Spitzelarbeit wurden dazu benutzt, jegliche Regung des Widerstandes aufzuspüren und niederzuhalten und jeglichen Vorbehalt oder irgendein Abweichen von dem allgemeinen Wege zu bestrafen. Frühzeitig wurden von diesen Organisationen Konzentrationslager eingerichtet und unterhalten, – Buchenwald im Jahre 1933, Dachau 1934. Aber diese schimpflichen Namen blieben nicht allein; die Landkarte Deutschlands wurde allmählich mit Konzentrationslagern übersprenkelt.

      Anfangs regte sich bei einigen Deutschen Widerspruch. In unseren Händen ist ein aufschlußreicher Brief, den der Reichsjustizminister Gürtner an Hitler gerichtet hat. Ein Beamter der Gestapo war angeklagt worden, weil in dem Konzentrationslager Hohnstein Verbrechen begangen worden waren. Der Gauleiter von Sachsen hatte sofort verlangt, daß das Verfahren eingestellt werde. Der Reichsjustizminister lehnte dies im Juni 1935 mit der folgenden Begründung ab:

      „In dem Lager ist es mindestens seit Sommer 1933 zu ungewöhnlich schweren Mißhandlungen der Häftlinge gekommen. Die Häftlinge – wurden nicht nur ähnlich wie in dem Schutzhaftlager Bredow bei Stettin grundlos mit Peitschen und anderen Werkzeugen bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, sondern man quälte sie auch auf andere Weise, so unter anderem mit Hilfe eines ausschließlich zu diesem Zweck konstruierten Tropfapparates, unter dem die Häftlinge so lange stehen mußten, daß sie schwere eitrige Verletzungen der Kopfhaut davontrugen...“ (787-PS).

      Ich will mich nicht damit aufhalten, die schauerlichen Vorgänge in den Konzentrationslagern im einzelnen zu beschreiben. Daß man Menschen schlug, ihnen die Nahrung entzog, sie quälte oder sie umbrachte, wurde zu einer alltäglichen Gewohnheit, – so sehr, daß die Peiniger abgestumpft und unbekümmert wurden. Wir werden Ihnen einen Bericht vorlegen, aus dem hervorgeht, daß in Plötzensee in einer Nacht 186 Personen hingerichtet wurden, während der Befehl nur für 180 Personen galt. Ein anderer Bericht beschreibt, wie die Familie eines Opfers versehentlich zwei Urnen mit Asche erhielt. Lagerinsassen wurden gezwungen, sich gegenseitig hinzurichten. Im Jahre 1942 erhielten sie fünf Mark je Hinrichtung, aber am 27. Juni 1942 wies SS-Brigadeführer und General der Waffen-SS Glücks die Lagerkommandanten an, dieses Honorar auf drei Zigaretten herabzusetzen. Im Jahre 1943 befahl der Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, daß die Prügelstrafe an russischen Frauen von Polinnen zu vollziehen sei und umgekehrt. Der Preis war jedoch nicht genau festgelegt: „einige Zigaretten“ wurden als „Belohnung“ zugestanden. Das Menschenleben war unter den Nazis immer mehr entwertet worden, bis es schließlich weniger galt als eine Handvoll Tabak, – Ersatztabak. Aber es gab auch einige Spuren menschlicher Milde; am 11. August 1942 erließ Himmler einen Befehl an die Kommandanten von vierzehn Konzentrationslagern, daß nur deutsche Gefangene das Recht haben, andere deutsche Gefangene zu schlagen (2189-PS).

      Geheimnis und Ungewißheit sollten außerdem die Qual von dem Lagerinsassen auf seine Familie und seine Freunde übertragen. Männer und Frauen verschwanden aus ihrer Wohnung, aus ihrem Geschäft oder von der Straße, – und man hörte nichts mehr von ihnen. Daß eine Benachrichtigung ausblieb, ging nicht auf eine Überlastung der Behörde zurück; es lag vielmehr Plan und Absicht darin. Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD berichtete, daß nach einem Führerbefehl sorgenvolle Unruhe in der Familie eines Festgenommenen hervorgerufen werden solle (Dokument 668-PS). Verschleppungen und geheime Festnahmen wurden in einer fast gespenstischen Findigkeit mit dem Stichwort „Nacht und Nebel“ umgeben (Dokument L-90, 833-PS).

      Eine der vielen Anordnungen für diese Angelegenheit gibt auch die Aufklärung:

      „Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht befiehlt, daß die von Zivilpersonen in den besetzten Gebieten begangenen Straftaten der bezeichneten Art von den zuständigen Kriegsgerichten in den besetzten Gebieten nur abzuurteilen sind, wenn

      a) das Urteil auf Todesstrafe lautet

      und b) das Urteil innerhalb von 8 Tagen nach der Festnahme verkündet wird.

      Nur wenn beide Voraussetzungen gewährleistet werden, verspricht sich der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht von der Behandlung der Strafverfahren in den besetzten Gebieten die erforderliche abschreckende Wirkung. Andernfalls sollen künftig die Beschuldigten heimlich nach Deutschland gebracht und die weitere Behandlung der Strafsachen hier betrieben werden. Die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme liegt

      a) in dem spurlosen Verschwindenlassen der Beschuldigten,

      b) darin, daß über ihren Verbleib und ihr Schicksal keinerlei Auskunft gegeben werden darf“ (833-PS).

      Zu plumper Grausamkeit kam wissenschaftliches Geschick. „Unerwünschte“ wurden ausgelöscht, indem man ihnen irgendwelche Lösungen in den Blutkreislauf einspritzte, oder sie erlitten in Gaskammern den Erstickungstod; man erprobte die Wirkung vergifteter Kugeln an ihnen (L-103).

      Neben allem Grausamen in diesen Versuchen stand das schmutzig Widerwärtige, nicht aus der Verkommenheit Untergeordneter entstanden, sondern ersonnen von führenden Köpfen der Nazi-Verschwörung. Am 20. Mai 1942 ermächtigte Generalfeldmarschall Milch den SS-Obergruppenführer Wolff, im Lager Dachau mit sogenannten „Kälteversuchen“ zu beginnen; vier Zigeunerinnen wurden dafür zur Verfügung gestellt. Himmler erlaubte dann, diese „Versuche“ in anderen Lagern fortzusetzen (1617-PS). Aus den Berichten des leitenden „Arztes“ von Dachau geht hervor, daß die Opfer in kaltes Wasser getaucht wurden, bis ihre Körpertemperatur auf achtundzwanzig Grad Celsius sank, worauf sie alle augenblicklich starben (1618-PS). Das war im August 1942. Aber der „Arzt“ verbesserte

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