Corona in Deutschland. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Corona in Deutschland - Группа авторов страница 7

Corona in Deutschland - Группа авторов

Скачать книгу

allenthalben die Frage nach dem moralisierenden »Warum?« diskutiert wird. Zwar bleibt das Element der unmittelbaren göttlichen Strafe für individuelle sittliche Verfehlungen auf kleinere religiöse Zirkel beschränkt. Zu nennen sind etwa der auch im Westen einflußreiche radikal-muslimische Diskurs vom Coronavirus als der Strafe Allahs für die Sünden der abendländischen »Kreuzfahrernationen« oder die Uiguren-Verfolgungen der chinesischen »Polytheisten«.

      Im Westen begegnet man dagegen zunehmend dem Denkmuster, wir hätten es hier mit einer Reaktion der Natur auf die schier groteske Überheblichkeit des modernen Menschen zu tun, der irrigerweise glaubt, die gesamte Schöpfung beherrschen zu können. Die Seuche selbst erscheint dabei als nahezu beliebiger Auslöser einer Krise, die sich bereits seit Jahren, ja Jahrzehnten vorbereitet hat. Folglich wird in politischen Kreisen und in den Leitmedien die Frage nach der »post-Corona-Welt« regelmäßig mit der Forderung einer »neuen Normalität« verknüpft. Diese müsse sich irgendwie durch größeren Respekt für Mitmenschen und Umwelt kennzeichnen. Dieser lobenswerte Vorsatz bedient sich der impliziten psychologischen Verknüpfung zwischen Pandemie und einer (wie auch immer gearteten) kollektiven Verfehlung. Das Narrativ der »Strafe« wird von der Seuche bedient. Es bezeichnend, dass gegenwärtig vor allem der ökologische Diskurs den Platz der vorher religiösen Argumentation übernommen hat.

      Die Suche nach dem Sündenbock

      Während das Motiv der Seuche als Strafe für die eigene Sünde die Schuld beim Individuum sucht, kann die Verantwortung auch auf andere übertragen werden. Dies hat zur Folge, dass der eigene Lebenswandel nicht in Frage gestellt werden muss. Obendrein birgt dies die Möglichkeit, durch Verfolgung bzw. Austreibung die Seuche selbst zu beseitigen.

      Auch diese Denkfigur begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden. Erinnert sei an die biblische Tradition, der zufolge am jährlichen Jom Kippur (= dem jüdischen Versöhnungstag) der Hohepriester die kollektiven Sünden Israels öffentlich vor dem Volk bekanntmachte. Dabei wurde ein Ziegenbock unter der Aufsicht eines Priesters in die Wildnis getrieben, wo ihn die Strafe Gottes heimsuchen konnte. Bezeichnenderweise wurden die Tiere später von einer hohen Klippe außerhalb Jerusalems gestürzt, um eine versehentliche Rückkehr in die Stadt auszuschließen. Die nicht nur im Alten Orient weitverbreitete Sitte, die eigene (kollektive oder individuelle) Schuld symbolisch einem anderen Lebewesen aufzulasten, ist eng mit dem Opfergedanken und somit letztlich auch der Selbstopferung Christi verbunden. Während hierbei aber die Übertragung von der eigenen zur Schuld des anderen symbolischer Art blieb, lag in Gesellschaften, welche Seuchen und sonstige Katastrophen vor allem moralisch deuteten, der Reflex nahe, die Schuld auch konkret bei anderen zu vermuten. Hierbei boten sich mehrere Möglichkeiten an.

      Zum einen ließen sich ohnehin bereits gesellschaftlich ausgeschlossene bzw. marginale Gruppen als »Schuldige« ausmachen. In der Antike können etwa die Christen als Beispiel angeführt werden, welche nach dem Neronischen Brand Roms der Täterschaft beschuldigt und im Zirkus den wilden Tieren vorgeworfen wurden. Dabei wird im Bericht des Tacitus nur wenig Unterschied zwischen der unmittelbaren Täterschaft und einer mittelbaren Schuld gemacht. Auch die Antoninische Pest darf man möglicherweise mit Christenverfolgungen in Beziehung setzen. Aber am offensichtlichsten wird die Schuldzuweisung an eine Randgruppe bei den mittelalterlichen Pestausbrüchen, welche geradezu routiniert den Juden angelastet wurden und regelmäßig zu grässlichen Pogromen führten.

      Auch hier sind die Parallelen zur Gegenwart offensichtlich. In Somalia, Uganda und Burkina Faso wird Berichten von Organisationen wie »Open Doors« zufolge christlichen Minderheiten explizit die Schuld an der Corona-Krise zugeschoben. Gleichzeitig wird dies zum Anlass genommen, die jeweilige Minderheit zu verfolgen. Durchaus vergleichbare Denkstrukturen zeigten sich aber auch in verschiedenen europäischen Ländern, als es zu Aggressionen gegen Chinesen kam, denen die Schuld an der Einschleppung der Pandemie nach Europa gegeben wurde. Ansätze einer »Tribalisierung« der Krisenbewältigung ließen sich ebenfalls nachweisen, als es etwa in Frankreich aus innen- und sicherheitspolitischen Gründen zu der Entscheidung kam, die Durchsetzung der Quarantäneregeln in den »Problemvierteln« der Großstädte nicht in demselben Maße zu prüfen wie anderswo im Land – ein Entschluss, der bis heute für böses Blut sorgt.

      Zum anderen konnten Seuchen aber auch einzelnen Individuen angelastet werden, welchen eine unmittelbare persönliche Schuld an der Verbreitung der Krankheit zugeschrieben wurde. So kursierte während der Antoninischen Pest das Gerücht, einzelne Personen bemühten sich, aus der Situation Vorteile zu ziehen, indem sie Menschen heimlich mit kleinen, in Seuchenerreger getunkten Nadeln stachen, um so die Krankheit zu übertragen und von ihrem Tod (in welcher Weise auch immer) zu profitieren. Dass solche Berichte nicht immer ganz aus der Luft gegriffen sein müssen, zeigt etwa ein aus einem völlig anderen Kontext stammender Briefwechsel vom Juni 1763. Demnach hatten die Europäer einer Delegation der Lenni-Lenape-Indianer bewusst zwei Decken und ein Taschentuch aus dem Hospital des belagerten Fort Pitt gegeben, wo die Pocken wüteten.

      Auch hier liegen die Parallelen zur Gegenwart und den verschiedensten, überall in Medien und Internet kursierenden Theorien nahe, welche die Schuld am Covid-19-Ausbruch wahlweise amerikanischen, chinesischen, russischen Geheimdiensten oder einflussreichen Persönlichkeiten wie etwa Bill Gates zuschreiben. Alle diejenigen, die in irgendeiner Weise als »Gewinner« der Krise angesehen werden können, werden aufgrund psychologischer Verkürzung auch als Verursacher betrachtet. Damit geht eine oft bedenkliche Personalisierung der Pandemieursachen einher. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass einzelne Staaten, Gruppen oder Individuen bewusst Kapital aus der Krise schlagen können und auch den Verlauf zu beeinflussen trachten.

      Der Kampf gegen die Seuche

      Neben der Entsühnung der eigenen Sünden und der Ausweisung von Sündenböcken standen aber auch in der Vergangenheit bereits andere, aus einer materialistischen Perspektive »rationellere« Mittel zur Bekämpfung einer Seuche zur Verfügung.

      Die Abriegelung des eigenen Herrschaftsgebietes war eine erste, logische Maßnahme, um Kontakt mit von der Krankheit betroffenen Territorien zu verhindern. Diese altbewährte Taktik wurde beispielsweise bereits von Marc Aurel angewandt, der versuchte, Italien während der Antoninischen Pest abzuriegeln. Und auch König Kasimir III. (1310–1370) verordnete vor dem Hintergrund des »Schwarzen Todes« die Grenzschließung Polens: Seiner Maßnahme verdankte das Land, weitgehend unbeschadet der Pest entgangen zu sein. Wahrscheinlich erklärt diese historische Erfahrung die schnelle und harte polnische Grenzschließung im Jahre 2020. Und in der Tat scheint auch diese Maßnahme von ähnlichem Erfolg gekrönt zu sein, denn in Polen sind die Zahlen von Covid-19-Erkrankungen (bislang) auffällig niedrig.

      Neben der Isolierung der Krankheit durch Schließung der Grenzen wurde in der Vergangenheit gleichzeitig oft auch eine Isolierung der Kranken selbst veranlasst. Diese wurden in eigens errichtete Krankenhäuser oder Quarantäneanlagen gesperrt Man denke etwa an den Tempel des Heilgottes Aesculap auf der Tiberinsel in Rom mit angeschlossener medizinischer Anlage oder an die unter Marc Aurel belegten Quarantäne-Lager mit ausgedehnten Thermalbereichen für die von der Antoninischen Pest befallenen Truppen. Diese Anlagen wurden aus Anlass einer grassierenden Seuche errichtet und stellen offensichtliche Vorläufer der in Wuhan wie auch anderswo eigens errichteten Coronavirus-Krankenhäuser dar.

      Seuchen stellten aber auch seit jeher ein großes Risiko für das jeweilige Wirtschaftsleben dar. Versuche der Wirtschaftssteuerung im Kontext von Katastrophen findet man etwa, als nach dem Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. ein Stadtbrand und schließlich eine schwere Seuche ausbrach. Titus, der damals regierende Kaiser, reagierte in dieser Situation überaus offensiv und entschied, dass das Vermögen der beim Ausbruch des Vesuvs ohne Erben Umgekommenen zur Wiederherstellung der heimgesuchten Städte eingezogen werden sollte, verkaufte nach dem Brand von Rom eigenes Gut, um öffentliche Gebäude wiederherzustellen und »ließ kein Mittel der Religion und Arzneiwissenschaft unversucht, indem er alle Arten von Sühneopfern und Heilmitteln anwandte«,

Скачать книгу