Was jetzt zu tun ist. Hannes Androsch

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Was jetzt zu tun ist - Hannes Androsch

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in Deutschland und in der Schweiz, waren von Beginn an stumpf. Bis Mitte August 2020 sind nach wie vor erst rund zehn Prozent der in Aussicht gestellten 50 Milliarden Euro ausbezahlt. Zum Vergleich: In der Schweiz waren schon nach wenigen Wochen 15 Milliarden Franken in der Wirtschaft und 271 Millionen Franken bei den Kunstschaffenden angekommen. Die staatlichen Garantien für Hilfskredite sind in Österreich so formuliert, dass sie praktisch wertlos sind. Durch diese extrem bürokratischen und zu langsamen Hilfen für in Not geratene Unternehmen hat man ein langsames Ausbluten der heimischen Volkswirtschaft riskiert. Es fehlen nach wie vor ein überzeugendes und rasch wirksames Konjunkturpaket – Deutschland hat noch vor dem Sommer ein 130-Milliarden-Euro-Paket auf den Weg gebracht – sowie ein großes mittelfristiges Zukunfts- und Modernisierungsprogramm, um das deutlich verlangsamte Innovationstempo wieder zu beschleunigen.

      Die neuen, in der Regel extrem jungen Machthaber haben gelernt, wie man mit Zinnsoldaten spielt, aber nicht, wie man eine Schlacht schlägt. Dieses Krisenmanagement ist eine Gefahr für die liberale Marktdemokratie und den Rechtsstaat.

      Almosenpolitik für die von den wirtschaftlichen Folgen besonders hart Getroffenen passen zu dieser Auffassung von Politik. Angst statt Aufklärung und Bittstellerei statt Hilfsanspruch wirken vielleicht kurzfristig, schädigen aber langfristig sowohl das Wirtschaftsleben und das Bildungswesen als auch die Demokratie.

      Statt auf europäischer Ebene gemeinsame Wege zu beschreiten, wurde bei jeder Corona-Pressekonferenz unzutreffend das Mantra „Wir sind besser als die anderen Länder“ wiederholt. Aus parteipolitischen Gründen vermied man den Schulterschluss in Form eines nationalen Krisenstabs. Diese Haltung manifestierte sich auch in den lange blockierten Bemühungen, als Teil der EU Lösungen für die durch die Krise besonders in Not geratenen Staaten wie Italien, Spanien und andere zu finden. Das chaotische Grenzöffnungsmanagement erfolgte zunächst einzig nach nationalistisch-egoistischem Muster.

      Es lohnt sich deshalb an diesem kritischen Punkt der Entwicklung noch einmal zu rekapitulieren, warum der Wiederaufstieg nach 1945 geglückt ist – und was davon 75 Jahre später beherzigt werden sollte.

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      Die Zweite Republik nahm ihren Anfang am 27. April 1945 mit der „Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs“, mit der die militärische Annexion, also der „Anschluss“ an das Deutsche Reich vom 13. März 1938, für null und nichtig erklärt wurde. Zum damaligen Zeitpunkt befanden sich noch weite Teile des Landes unter der Herrschaft des im Untergang befindlichen Hitler-Deutschlands. Im Konzentrationslager Mauthausen sowie seinen zahlreichen Nebenlagern wurden im Namen des Nationalsozialismus noch immer Menschen ermordet. Erst mit dem völligen Zusammenbruch der Nazi-Diktatur und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 1945 fand das Morden auch in diesen Landesteilen Österreichs ein Ende.

      Wer damals durch Wien streifte, sah eine Stadt in Trümmern, hungernde Menschen, viele ohne ein Dach über dem Kopf, aber auch schon die ersten, die damit begannen, den Schutt wegzuräumen und Straßen freizulegen. Es herrschte großer Mangel an Lebensmitteln, die rationiert waren, und an Heizmaterial.

      75 Jahre später ist Wien einer der Amtssitze der Vereinten Nationen und gilt als die lebenswerteste, sicherste und grünste Stadt der Welt. Dass dieses zerstörte Österreich in den nächsten Jahrzehnten zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt werden würde, wagte in diesen Tagen niemand auch nur zu hoffen.

      Der wirtschaftliche und soziale Aufstieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war nicht nur einzigartig, sondern unerwartet und unerwartbar. Das wird umso deutlicher, wenn man von 1945 noch einmal 75 Jahre zurückgeht: 1870/71 wurden mit dem Deutsch-Französischen – genau genommen: preußisch-französischen – Krieg und der Ausrufung des Deutschen Kaiserreiches im Spiegelsaal von Schloss Versailles die Karten in Mitteleuropa völlig neu gemischt. Die Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland wurde auf Jahrzehnte hinaus zum bestimmenden Faktor der Außenpolitik dieser beiden Länder und damit für ganz Europa.

      Österreich, das nach der Schlacht bei Königgrätz 1866 aus dem Deutschen Bund hinausgedrängt wurde und sich als Österreich-Ungarn Richtung Südosten gewandt hatte, befand sich in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens in einem Dauerkrisenmodus. Nach dem Ersten Weltkrieg stand auch die Erste Republik, ausgerufen am 12. November 1918, von Beginn weg unter keinem guten Stern. Aus dem Vielvölkerstaaat wurde ein Rumpfstaat mit 6,5 Millionen Einwohnern. Von außen erzwungen, von politischen Parteien geschaffen, aber von diesen ebenso wenig geliebt wie von weiten Teilen der Bevölkerung, blieb diese Erste Republik auf der Suche nach seiner Identität allein auf die Identifikation mit dem jeweils eigenen politischen Lager beschränkt. Die tragischen Konsequenzen zeigten sich spätestens ab 1927 mit dem Brand des Justizpalastes und gipfelten 1933 in der so genannten „Selbstausschaltung“ des Parlaments, d. h. der nach einem Putsch errichteten ständestaatlichen Diktatur unter Dollfuß und Schuschnigg, und im Bürgerkrieg vom Februar 1934. Erst ganz am Schluss, als die junge Republik von Adolf Hitler bedroht wurde, entwickelten doch noch viele Österreicherinnen und Österreicher eine Treue zu ihrem Land, die größer war als die Treue zu ihrer politischen Gesinnungsgemeinschaft.

      Nach sieben Jahren NS-Diktatur, dem Zweiten Weltkrieg und der Shoah war dann auf Grundlage der damit verbundenen Erfahrungen der Grundstein für die Identitätsstiftung der Österreicher gelegt. Zudem bewirkte die Tatsache, dass sich viele österreichische Politiker aus allen politischen Lagern in nationalsozialistischen Konzentrationslagern wiedergefunden hatten, einen Gesinnungswandel. In Dachau und anderen NS-Schreckensorten hatte sich die spätere Führungsgarnitur der Zweiten Republik als Gefangene getroffen: Leopold Figl, Alfons Gorbach, Franz Olah, Fritz Bock, Rosa Jochmann, Karl Seitz und viele andere. 1945 war die Bereitschaft zu einem Neubeginn im Zeichen eines politischen Pragmatismus gewachsen, der sowohl das Lagerdenken überwand als auch den Glauben an die Lebensfähigkeit Österreichs propagierte. Das war für Bundespräsident Karl Renner auch der Grund, 1946 erstmals der Ostarrichi-Urkunde zu gedenken, jenem Dokument, das 950 Jahre zuvor die Schenkung eines Grundstücks bei Amstetten an das Kloster Freising bestätigte. Die erstmalige Nennung des Namens „Österreich“ sollte das Nationalbewusstsein stärken und die junge Republik legitimieren.

      Wenige Zahlen können den danach einsetzenden, spektakulären Wohlstandszugewinn verdeutlichen: Bei einer Einwohnerzahl von 6,5 Millionen gab es im Jahr 1945 in Österreich ca. 10.000 PKWs, derzeit sind es 5,5 Millionen bei rund 8,9 Millionen Einwohnern. Die Zahl der Telefonanschlüsse lag damals bei 175.000, heute gibt es in Österreich mehr als sieben Millionen Mobiltelefone.

      Doch der erfolgreiche Weg nach 1945 geschah nicht auf jener „Insel der Seligen“, von der Papst Paul VI. im Jahr 1971 in Bezug auf Österreich gesprochen hatte. Der Erfolg war vielmehr sowohl dem günstigen Umfeld geschuldet, etwa der massiven Unterstützung durch den Marshallplan („European Recovery Program“) der Amerikaner, der Wirkung des Korea-Kriegs und dem großzügigen Schuldenerlass von 1953, als auch Ergebnis eigener Anstrengungen und der stabilisierenden Wirkung der Sozialpartnerschaft, die sich beispielsweise in der geringen Anzahl von Streiktagen niederschlug. All dies hat bis 1975 zu einem wachstumsstarken „Goldenen Zeitalter“ geführt, in Deutschland „Wirtschaftswunder“ genannt.

      Gleichzeitig aber gab es Hindernisse auf diesem Weg, denn der Eiserne Vorhang und die damit verbundene Abtrennung von unseren östlichen Nachbarn bedeutete, am Rand des aufblühenden Westeuropa platziert zu sein und kaum Austausch mit den ehemaligen Kronländern der Habsburgermonarchie entfalten zu können. Eine weitere massive Bremse waren die zehn Jahre Besatzungszeit – ein Ergebnis der Tatsache, dass Österreich als Teil der so genannten „Deutschen Frage“ betrachtet wurde. Deutschland sollte Mitteleuropa stabilisieren und durfte deshalb nicht zu schwach sein – aber auch keinesfalls so stark, um noch einmal die Hegemonie über den Kontinent zu erlangen. „Die Amerikaner drinnen, die Russen draußen, die Deutschen am Boden“ – so formulierte es der erste Generalsekretär der NATO, Lord Ismay.

      Die Geschichte der Zweiten

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