Was jetzt zu tun ist. Hannes Androsch

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Was jetzt zu tun ist - Hannes Androsch

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      Wie wichtig Kooperation und Koordination in Zeiten globaler Krisen ist, beweist ein Blick in die Geschichte eindrücklich. Der Wiener Kongress 1814/15 brachte nach den napoleonischen Kriegen eine neue Weltordnung hervor, in der sich die Großmächte auf Grundprinzipien des Miteinander verständigten – das damals etablierte „europäische Konzert“ war eine Art Vorläufer des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, konnte aber nach einem Jahrhundert die Spannungen zwischen den europäischen Nationen nicht mehr ausgleichen. Während nach dem Ersten Weltkrieg die Pariser Vorortverträge von 1919 in einem Desaster endeten, war die Neuordnung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg von Erfolg gekrönt.

      Selbst nach der Implosion der Sowjetunion und im Angesicht des Aufstiegs Chinas wurde nach den großen externen Schocks des 21. Jahrhunderts die internationale Kooperation gesucht bzw. verstärkt, etwa nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, nach dem Tsunami im Indischen Ozean im Dezember 2004 oder nach der Finanzkrise 2007/08, als die G20 gegründet wurde.

      Noch vor Corona ist diese Solidarität durch Machtansprüche Chinas und Russlands, vor allem aber durch einseitige Schritte der USA brüchig geworden: durch die Kündigung des Pariser Klimaabkommens, des Iranabkommens, der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) und diverser Rüstungsabkommen, durch den Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Blockade der Welthandelsorganisation (WTO). Die in der Zwischenzeit angezettelten Handels- und Sanktionskriege schaden allen, auch den Urhebern.

      So haben wir heute weder eine bipolare noch eine unipolare, aber auch keine multipolare Welt – sondern eine Welt ohne irgendeinen Pol. Damit ist sie aber ohne Führung, die angesichts der gewaltigen globalen Bedrohungen so notwendig wäre. Die USA befinden sich, das wurde in den Wochen der Pandemie und in den riesigen Protestwellen nach einer Serie brutaler Polizeigewalt gegen Afroamerikaner deutlich, in einer Art Kaltem Bürgerkrieg. Sie haben zwar nach wie vor die robustere Wirtschaft, die stärkere Währung, exzellente Forschungseinrichtungen und Universitäten sowie eine zwar bedrohte, aber noch immer unabhängige Justiz: Doch von der Weltordnung haben sie sich abgekoppelt, und es ist fraglich, ob ein bloßer Wechsel des Präsidenten diesen Prozess umkehrt. China und andere Länder wiederum koppeln sich mit einem eigenen Internet auf einer technologischen Ebene ab und gehen mit zunehmender Härte gegen all jene vor, die nicht ihre Vorstellungen akzeptieren. Die digitalen Überwachungsmöglichkeiten schöpft das kommunistische Regime in einem Umfang aus, der noch vor wenigen Jahren unvorstellbar war. Im Fernen Osten und in Osteuropa drohen damit Überwachungsstaaten zu entstehen wie im Westen der Überwachungskapitalismus privater Tech-Giganten.

      Vielleicht können die Erfahrungen der Pandemie und der darauffolgenden globalen Wirtschaftsdepression die gefährliche Tendenz zum Auseinanderdriften ja noch umkehren. Was in der Geschichte oft erst nach Kriegserfahrungen gelang, könnte mit dem Corona-Schock in den Knochen gelingen: eine Verständigung auf gemeinsame internationale Spielregeln im Zeichen von Fairness, Solidarität und wechselseitigem Respekt.

      Die Finanzkrise 2007/08 hat die Schwächen des internationalen Finanzsystems aufgezeigt. Heute ist das Bankwesen vor allem in Amerika, aber auch in Europa – wenngleich nicht in gleichem Maße – stärker als davor. Auch die Behandlung der Eurokrise 2012 hat Schwächen aufgezeigt, die zum Teil beseitigt wurden. Es muss alles dafür getan werden, dass wir auch aus den Corona-Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen: für das Bildungswesen, für die Digitalisierung, für die Bekämpfung des Klimawandels, für unsere an die Wand gefahrene Wirtschaft, die robuster für externe Schocks gemacht werden muss, für unsere Rolle in Europa und Europas Rolle in der Welt. Darum soll es in diesem Buch gehen: Um einen Wiederaufstieg im Geist des Zusammenhalts, genau wie vor 75 Jahren. Und um Wachsamkeit, damit die Demokratie nicht langsam stirbt und endet.

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