Was jetzt zu tun ist. Hannes Androsch

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Was jetzt zu tun ist - Hannes Androsch

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ins Stocken geraten ist. Wir zehren von der Substanz, in den eindrucksvollen wirtschaftlichen Eckdaten sind keine Garantien für die kommenden Jahrzehnte enthalten. Beharrung, Erstarrung, Besitzstandsverteidigung und als Folge teilweise sogar Rückschritt prägten die letzten zwanzig Jahre, und dies, obwohl gerade Österreich in besonderem Maße von der Ostöffnung ab 1989, der 1995 erreichten EU-Mitgliedschaft und der Osterweiterung der Union ab 2004 profitiert hat. Unbestritten waren diese Jahre eine Zeit massiver Umwälzungen, dramatischer Veränderungen und auch neuer Gefahren – doch inzwischen sind wir im Mittelfeld steckengeblieben, in manchen Bereichen sogar deutlich zurückgefallen. Und das kann keine Option sein.

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      Es gibt unzählige Wettbewerbsrankings: zur Qualität des Wirtschaftsstandorts, zur Innovationsdynamik, zur Klimapolitik. Diese Rankings sind keine absolute Instanz. Letztlich entscheiden der Mix und die Gewichtung der verwendeten Kriterien über ihre Aussagekraft. Wenn wir jedoch weiterhin eine kleine offene Volkswirtschaft bleiben wollen, die Touristen aus aller Welt anlockt und deren Unternehmen Produkte und Dienstleistungen auf den Weltmärkten verkaufen wollen, müssen wir uns dem Wettbewerb stellen und jene Faktoren ernst nehmen, bei denen es hakt. Die anerkanntesten Rankings sind deshalb valide Standortbestimmungen in einem kompetitiven Umfeld und geben Hinweise darauf, wo es Verbesserungsbedarf gibt.

      › Es ist vor allem das sich verschlechternde Verhältnis zwischen Input und Output im Forschungsbereich, das uns Sorgen bereiten muss.

      Verbessert hat sich in den letzten zehn Jahren – Daten aus der Post-Corona-Zeit gibt es noch nicht – wenig. Insgesamt weisen diese Ranglisten nur mittlere, für ein Hocheinkommensland wie Österreich ungenügende Platzierungen aus; oft auch Verschlechterungen. Der jährlich erscheinende Monitoring Report der Wirtschaftskammer Österreich, der Österreichs Performance in über 150 internationalen Rankings zusammenfasst, zeigt einen deutlichen Abwärtstrend.

      Im World Competitiveness Report des Schweizer International Institute for Management Development (IMD) lag unser Land 2007 auf Rang elf, heute auf Rang 19. Wir sollten uns auch nicht damit zufriedengeben, dass Österreich in der aktuellen Ausgabe des wichtigsten EU-Innovationsrankings auf Platz neun verharrt, obwohl die Briten inzwischen ausgeschieden sind – 2009 hatten wir noch Platz sechs inne. Bei Digitalisierung, Roboterisierung und der Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) sind wir ein Entwicklungsland, weil wir weit entfernt von einem flächendeckenden Glasfaser- oder 5G-Netz sind. Bei der durchschnittlichen Geschwindigkeit von Festnetz-Internet liegen wir laut dem Speedtest Global Index weltweit auf dem 55. Platz – hinter Barbados, Malaysia und Moldawien.

      Es ist vor allem das sich verschlechternde Verhältnis zwischen Input und Output im Forschungsbereich, das uns Sorgen bereiten muss, weil die unweigerliche Folge eine verringerte Innovationsdynamik in Österreich ist. Innerhalb unserer Gesellschaft sind wir von einem Regulierungswahn, Vorschriftendschungel, Kompetenzwirrwarr und – als Folge – überbordender wie hemmender Bürokratie erfasst. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt haben wir zwar auf einen Rekordwert von 3,2 Prozent erhöht, den zweithöchsten Wert in der EU. Dennoch haben wir es nicht geschafft, zu den „Innovation Leaders“ aufzuschließen, weil es vor allem zu wenig Mittel für die Universitäten und die Grundlagenforschung gibt. Die öffentlichen Ausgaben für das Bildungssystem betragen vergleichsweise hohe 5,5 Prozent – in internationalen Leistungsvergleichen sind die österreichischen Schüler aber weit entfernt von der Spitze. Beim PISA-Test der OECD 2015 erreichten wir 492 Punkte, dem stehen Bildungsausgaben – laut einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria – von kaufkraftbereinigt 9.373 Euro je Schüler gegenüber. Finnland erreichte 523 Punkte bei Gesamtausgaben von nur 7.733 Euro, die Niederlande immerhin 508 Punkte mit 8.273 Euro pro Schüler. Dieses Differenzial hat sich 2018 nur geringfügig verkleinert. Die Annahme, dass viel zu viel des eingesetzten Geldes in den Strukturen versickert, bevor es die Schüler und Studierenden erreicht, liegt nahe.

      Pro Einwohner geben wir für die Verwaltung pro Jahr 822 Euro aus, Personal- und Sachaufwand zusammengenommen. Bei der Qualität der öffentlichen Verwaltung nach dem WGI-Index der Weltbank liegt Österreich mit einem Indexwert von 1,44 jedoch lediglich im oberen Mittelfeld. Dänemark gibt 557 Euro pro Kopf und Jahr aus, also um 265 Euro weniger, kommt aber auf einen Wert von 1,67.

      › Wir sind Meister im Konservieren von Strukturen geworden.

      Zur Ineffizienz der Verwaltung trägt auch die Länderebene bei. Die Bundesländer sind historisch gewachsen und haben als regionale Ankerpunkte der Identität sicher ihre Berechtigung, aber im Lauf der Jahrhunderte ist ein Zuständigkeitswirrwarr entstanden, der das Ganze bremst. Jeder Versuch einer Föderalismus- und Staatsreform ist aber bislang gescheitert.

      Das Bundesheer kann wegen Unterfinanzierung keinen Output liefern: Wir haben zu wenige Unterkünfte, unzureichende Bekleidung, einen Mangel an Fahrzeugen. Oder wie es der Kurzzeit-Verteidigungsminister Thomas Starlinger, Mitglied der Übergangsregierung Bierlein, 2019 gesagt hat: „Das Heer ist pleite, aber wir machen quasi eine Mobilmachung.“ Die völlig unnötige Einberufung der Miliz in der Corona-Krise passt in dieses Bild des politischen Missmanagements. Untertroffen wurde diese Sinnlosmaßnahme nur noch vom darauffolgenden chaotischen Versuch einer ohnehin verfassungswidrigen Heeresreform.

      Wir sind Meister im Konservieren von Strukturen geworden. Aber wenn man will, dass alles so bleibt, wie es ist – das hat schon der italienische Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa gemeint –, dann muss man alles ändern. Und genau das tun wir nicht. Vom Bundeskanzler bis zur Gewerkschaft und Arbeiterkammer wird etwa verkündet, die Pensionen seien sicher. Das mag stimmen, aber es geht auf Kosten des Bundesbudgets und damit zu Lasten der Zukunftsaufgaben. Fast ein Viertel der Gesamtausgaben des Bundesbudgets sind Pensionszuschüsse. Seit 1978 wird der demographische Wandel, also das Altersbeben einer immer älter werdenden Gesellschaft, jedoch negiert, Reformen scheitern oft am Njet der Gewerkschaften. Di Lampedusa würde sagen: Wenn die Pensionen sicher sein sollen, muss sich das Pensionssystem ändern.

      In diesem Zusammenhang wird man fragen müssen: Wohin sind eigentlich die 62 Milliarden Euro Zinsersparnisse – das ist in etwa ein durchschnittliches Jahresbudget – der sieben ÖVP-Finanzminister seit 2010 gekommen, die nicht aufgrund eigener Leistung, sondern einzig aufgrund der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken zustande gekommen sind? Gilt es schon als politische Leistung, ein unerwartetes Geldgeschenk im Budget versickern zu lassen?

      Wir sind mit Skandalen und Personalien derart beschäftigt, dass für echte Reformen keine Zeit bleibt. Es aber so zu machen, wie man es schon immer gemacht hat, wird zielsicher zum Niedergang führen. Und selbst wenn man will, dass alles so bleibt, wie es ist, muss man sich penibel auf die Risiken der Zukunft vorbereiten, um gegensteuern zu können. Auf beschämende Weise haben jedoch die letzten Monate klar gemacht, dass wir auf wesentliche Katastrophen wie Pandemien, Blackouts oder Cyberattacken unzureichend vorbereitet sind. Erst jetzt sind entsprechende gesamtstaatliche Krisen- und Katastrophenpläne in Ausarbeitung, obwohl sich diese Gefahr – wie im Fall von Corona – seit 20 Jahren angekündigt hat, von Sars über Mers über die Vogelgrippe bis Ebola. SARS-CoV-2 hat hoffentlich auch den Sinn dafür geschärft, dass Biowaffen Verheerendes anrichten könnten.

      Dieses Zurückfallen in so vielen Bereichen rächt sich nun umso mehr, als die nötigen Mittel zum Wiederhochfahren der Wirtschaft den Investitionsspielraum anderswo einengen werden. Die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte werden auf uns zurückfallen, wenn wir nicht schnell handeln. Denn das „Geschäftsmodell“ der österreichischen Volkswirtschaft – wie vieler anderer auch – steht zur Disposition.

      Die Folgen werden Geschäftsschließungen, Insolvenzen, ein Anstieg des schon davor überhöhten Arbeitslosensockels bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel sein, von Erntehelfern über Pflegepersonal bis zu Informatikern. Unter solchen Umständen werden auch die sozialen Spannungen zunehmen, damit wächst die Gefahr grundrechtsgefährdender, autoritärer

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