Ellenbogenfreiheit. Daniel C. Dennett
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Wenn der freie Wille von Bedeutung ist, muß es daran liegen, daß es schrecklich wäre, ihn nicht zu haben, und es muß einige Gründe dafür geben zu bezweifeln, daß wir ihn haben. Wovor fürchten wir uns? Wir fürchten uns davor, keinen freien Willen zu haben. Aber wovor fürchten wir uns genau? Und warum? Jeder, dem vor der Aussicht graut, keinen freien Willen zu haben, muß irgendeine Ahnung davon haben, wie schrecklich diese Lage wäre. Und in der Tat sind in der Literatur eine Menge von Analogien zu finden: Keinen freien Willen zu haben, wäre so ähnlich wie im Gefängnis oder hypnotisiert oder gelähmt oder eine Puppe zu sein oder … (die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen).
Ich glaube nicht, daß diese Analogien bloß nützliche Illustrationen sind, bloß plastische Erläuterungsmittel. Ich glaube, sie gehören zum Ursprung des Problems. Hätten wir sie nicht, um die philosophischen Diskussionen zu verankern, würde das Problem der Willensfreiheit wegdriften und wäre bestenfalls noch eine kuriose Frage, um Metaphysiker und Problemkrämer zu verwirren. Ein Aspekt davon läßt sich leicht erkennen. Angenommen, ein Philosoph würde behaupten, das Problem des freien Willens gelöst zu haben; dann könnte ein Laie sagen: „Lindert denn deine ,Lösung‘ meine Sorgen? Wenn nicht, dann ist sie, gleichgültig was sie sonst noch ist, keine Lösung für das, was ich das Problem des freien Willens zu nennen gelehrt wurde.“ Wenn wir uns von der Tradition leiten lassen, dann ist das Problem der Willensfreiheit wesentlich eines, um das wir uns Gedanken machen. Gedanken über den Willen, die von bloß esoterischem Interesse sind, sind gerade nicht das Problem des freien Willens, wie faszinierend sie auch für manche Spezialisten sein mögen.
Aber es ist mehr daran als das. Die Ängste verankern das Problem der Willensfreiheit nicht nur, sie bilden auch seinen Gehalt und gestalten die Dynamik der Argumentation und der Untersuchung. Eines meiner Themen wird sein, daß das „klassische“, „traditionelle“ philosophische Problem der Willensfreiheit in weit höherem Ausmaß ein Kunstprodukt traditioneller Methoden und Voreingenommenheiten der Philosophen ist als bisher angenommen.
Ich schlage vor, die Rolle dieser Ängste zu untersuchen und dabei manche – doch nicht wirklich alle – der Befürchtungen und Verwirrungen, die sich miteinander verschwören und „das Problem der Willensfreiheit“ schaffen, bloßzustellen und dadurch aufzulösen. Das Problem wird sich als ein falsch benanntes und nutzloses Amalgam von übereilten Problemstellungen und selbstgeschaffener Panik herausstellen, als falscher Vorwand für viel anderweitig motivierte Systembildung und metaphysisches Flickwerk.
Es gibt einige unzweifelhaft schreckliche Dinge in unserer Erfahrung, und wenn wir fürchten, daß wir keinen freien Willen haben, dann ist es immer deswegen, weil wir fürchten, daß etwas, das einem dieser schrecklichen Dinge in relevanter Hinsicht ähnelt, unser Schicksal ist. Nur deshalb, weil wir diese mißliche Lage genau kennen und befürchten, daß etwas ähnliches unser Los sein könnte, kümmern wir uns überhaupt um den freien Willen.
Ich werde eine Liste dieser Schreckgespenster vorlegen und sie kurz analysieren. Jedes von ihnen spielt eine Rolle in der traditionellen Diskussion über den freien Willen. Keines davon ist in allen Varianten leicht zu verjagen, aber wenn wir die Ängste untersuchen, dann mag das dazu führen, daß ein paar davon verschwinden. Das heißt (wie Mutter immer sagte): Wenn wir ihnen mutig in die Augen sehen (und unsere Augen nie auch nur ein bißchen abwenden und nie so geschäftig werden und Theorien erfinden), dann können wir feststellen, daß manche von ihnen bloß Erdichtungen unserer Phantasie sind. Wenn wir uns an die Schreckgespenster am Anfang zurückerinnern, dann werden wir in der Lage sein, ihre Schatten in den Untersuchungen weiterer Fragen in den folgenden Kapiteln auszumachen.
In seinem Buch „Der Begriff des Geistes“ versuchte Ryle, indem er uns schockierte oder beschämte, uns eine schlechte Denkgewohnheit dadurch zu nehmen, daß er die Taktik benützte, die von ihm angegriffene Ansicht „mit absichtlicher Geringschätzung als (das) ,Dogma vom Gespenst in der Maschine‘“ zu bezeichnen2. Wenn ich von diesen Schreckgespenstern rede, rede ich auf ähnliche Weise mit absichtlicher Respektlosigkeit (und einer Spur von Karikatur in diesem ersten Kapitel). Denn ich bin der Auffassung, daß diese Metaphern die meiste Arbeit beim Vorantreiben des Problems der Willensfreiheit hinter den Kulissen geleistet haben und daß sie nicht im geringsten den Respekt und den Einfluß verdienen, derer sie sich gewöhnlich erfreuen. Meine Absicht ist also, die Sensibilität ihnen gegenüber zu verstärken und ihren traditionellen Ruhm mit meinen pejorativen Charakterisierungen auszuhöhlen. Einmal ruhiggestellt, werden sie in den folgenden Kapiteln mit einer mehr chirurgischen Einstellung angegangen werden.
2. Die Butzemänner
Die ersten der Schreckgespenster sind in ganz wörtlichem Sinn Butzemänner – Butzemenschen, wenn Sie darauf bestehen –, denn sie werden als Handelnde aufgefaßt, die mit uns in der Kontrolle über unsere Körper wetteifern, die mit uns konkurrieren, die Interessen haben, welche den unseren zuwiderlaufen oder wenigstens unabhängig von ihnen sind. Diese gräßlichen Gesellen werden von den Philosophen oft als Miesmacher benützt und auf die Bühne geholt, wann immer die Angst nachläßt, wann immer die Dringlichkeit des behandelten Themas zweifelhaft wird. Wenn Verwickeltheit auf Verwickeltheit folgt, beginnt der Leser zu gähnen und unruhig zu werden, aber er wird schnell wiederbelebt mit einer andeutungsweisen Analogie: „Das aber wäre so, als ob Sie sich in den Klauen von … befänden“.
Der unsichtbare Gefängniswärter: Gefängnisse sind schrecklich. Gefängnisse sollten gemieden werden. Jemand, der das nicht versteht, gehört nicht zu uns. Wenn Gefängnisse also etwas Schlechtes sind, womit kontrastieren sie dann? Wenn man nicht im Gefängnis ist, ist man frei (in einem wichtigen Sinne), und jeder von uns kann sich dankbar klarmachen, wie froh wir sind, nicht im Gefängnis zu sein. „Aha!“ sagt der Angstmacher. „Was macht Sie so sicher, daß Sie nicht im Gefängnis sind?“ Manchmal ist es offensichtlich, daß man im Gefängnis ist; aber manchmal ist es das nicht. Ein durchtriebener Gefängniswärter mag die stählernen Stäbe in den Fensterrahmen verstecken und Pseudo-Türen an den Wänden anbringen (wenn man eine öffnen würde, sähe man die Steinwand dahinter). Es könnte einige Zeit dauern, bis der Gefangene merkt, daß er im Gefängnis ist.
Sind Sie sicher, daß Sie nicht in einer Art Gefängnis sind?3 Hier ist man eingeladen, eine Reihe von Übergängen in Betracht zu ziehen, die uns von offensichtlichen Gefängnissen zu verschleierten (aber trotzdem fürchterlichen) Gefängnissen bringen, bis zu völlig unsichtbaren und unentdeckbaren (aber trotzdem fürchterlichen?) Gefängnissen. Nehmen wir ein Reh im Magdalen College Park. Ist es eingesperrt? Ja, aber es ist nicht schlimm. Das Gehege ist ziemlich groß. Angenommen wir setzen das Reh in ein noch größeres Gehege – den New Forest mit einem Zaun rundherum. Wäre das Reh immer noch eingesperrt? Mir wurde gesagt, daß im Staat Maine das Rotwild sich während seines Lebens nie weiter als fünf Meilen von seinem Geburtsort wegbewegt. Wenn eine Umzäunung außerhalb der normalen uneingeschränkten Grenzen der Wanderungen, die ein Reh zu seinen Lebzeiten unternimmt, angelegt werden würde, wäre das eingezäunte Reh eingesperrt? Vielleicht; aber zu beachten ist, daß es für unsere Intuitionen einen Unterschied darstellt, ob jemand die Umzäunung angelegt hat. Fühlen Sie sich auf dem Planeten Erde eingesperrt – so wie Napoleon auf Elba festhing? Es ist eine Sache, auf Elba geboren zu werden und zu leben und eine andere, von jemandem nach Elba gebracht