Ellenbogenfreiheit. Daniel C. Dennett

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Ellenbogenfreiheit - Daniel C. Dennett eva taschenbuch

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über den freien Willen geschrieben worden ist als über jedes andere philosophische Thema. Jeder Philosoph sollte sich wenigstens ein bißchen verunsichert fühlen, wenn er sieht, daß mit so viel Arbeit so wenig Fortschritt erreicht wurde.

      Das Problem mit der Philosophie, sagen manche, ist, daß sie keine Wissenschaft ist; wenn sie wissenschaftlicher wäre, dann würde sie ihre lösbaren Probleme vollständig lösen und den Rest beiseitelegen. Das Problem mit der Philosophie, sagen andere, ist, daß sie versucht, Dinge „wissenschaftlich“ zu sehen, die nur mit Mitteln der Kunst behandelt werden können. Wenn sie ihre Affäre mit der wissenschaftlichen Methode beenden würde, müßte sie ihre Projekte nicht länger in Begriffen vortragen, die das Scheitern garantieren. Das Problem mit der Philosophie ist, glaube ich, daß sie viel schwieriger ist, als es sich sowohl Wissenschaftler als auch Künstler vorstellen, denn sie teilt – notwendigerweise – die Zielvorstellungen und Methoden beider.

      Es gibt unabweisbare philosophische Fragen – „Haben wir einen freien Willen?“ ist eine davon –, die klare, wohlbegründete, folgerichtig hergeleitete Antworten verlangen. Wir sollten uns nicht mit verblümten, impressionistischen Antworten abfinden, wie attraktiv oder bewegend sie auch sein mögen. Aber die meisten Versuche, wirklich streng mit philosophischen Fragen umzugehen – und Fragen über die Willensfreiheit sind keine Ausnahme – verwickeln sich in die Probleme voreiliger Formalisierung. Es gibt eine Unzahl von bewußt technischen Arbeiten von Philosophen über das Problem des freien Willens, die, ironischerweise, nur von ästhetischem Interesse sind (für Kenner der Formelarchitektur oder des logischen Schattenboxens), weil sie einfach den Kontakt mit den wirklichen Problemen nicht herstellen können. Eine der Aufgabe angemessene Methode zu finden, ist das ewige erste Problem der Philosophie, und es gab nie einen weitgehenden Konsens über die richtige oder beste Methode. Jedes Buch über den freien Willen gibt ipso facto eine Erklärung über die Methode ab darüber, wie man sich dem Problem nähern sollte. Das vorliegende Buch wird sich in der unmittelbaren Folge dem Problem der Methode bewußter zuwenden. Meine Methode, die sich gleich in Aktion zeigt, nimmt die Wissenschaft sehr ernst, aber ihr Vorgehen ähnelt mehr dem der Kunst.

      Zu meiner Studentenzeit dachte ich, ich würde Bildhauer werden, und ich wandte mich mit mehr Energie Holz- und Steinblöcken zu als der Philosophie oder auch der Wissenschaft. Während ich an diesem Buch arbeitete, kam es mir in den Sinn, daß ich die Methoden, die ich im Atelier entwickelte, nicht aufgegeben, sondern einfach das Medium ausgetauscht hätte. Anders als ein Zeichner, der jede Linie mit dem ersten Strich des Zeichenstiftes gleich richtig treffen muß, hat der Bildhauer den Luxus, so lange kleine Stückchen abschlagen und schleifen zu können, bis die Linien und Oberflächen genau richtig aussehen. Zuerst bearbeitet man den Block grob, wobei man ab und zu einen Schritt zurückgeht und ihn argwöhnisch anschaut, um sicherzugehen, daß man sich dem anvisierten Endprodukt nähert. Erst nachdem der Block die richtigen Proportionen angenommen hat, kehrt man zu jeder einzelnen rohen, groben Oberfläche zurück und investiert sehr viel Arbeit, um die feinen Details genauso hinzukriegen.

      Manchen Philosophen ist diese Methode, wenn sie sie in der Philosophie antreffen, sehr unsympathisch. Sie haben keine Geduld mit flüchtig entworfenen Lösungen und wollen von Anfang an nichts anderes sehen als scharfe, klare Kanten. Ich strebe nach dem gleichen Endprodukt wie sie, ziehe aber ihre Strategie in Zweifel. Es ist einfach zu schwierig in der Philosophie, gleich den richtigen Start zu erwischen, und nirgends sind die Risiken ihrer Strategie deutlicher zu sehen als in der philosophischen Literatur über Willensfreiheit, die übersät ist mit brillanten, aber nutzlosen Fragmenten. Es ist eines der Themen dieses Buches, daß beim Problem des freien Willens wenig Fortschritte gemacht worden sind, weil die Philosophen einfach die Gestalt der Hauptsache nicht mehr sehen konnten, wenn sie sich in das Thema „freier Wille“ stürzten, um definitiv anzugeben, was sie bei ihrer etwas kurzsichtigen Betrachtung für die wichtigen Teile des Problems hielten.

      Aus dem groben Marmorblock des Problems entstehen ein hervorragend ausgearbeitetes Gesicht und ein paar sehr schön polierte Hände und Füße – aber für die Ellenbogen wurde kein Platz gelassen. Die meiste Arbeit in diesem Buch wird im groben Bearbeiten der Gestalt von denjenigen Teilen bestehen, die die Philosophen gewöhnlich mit einer Katzenwäsche hinter sich lassen.

      Es wird oft bemerkt, daß das Problem der Willensfreiheit ein einzigartig verpflichtendes oder sogar fesselndes philosophisches Problem ist: Menschen, die sonst überhaupt keinen Geschmack an der Philosophie finden, können dazu gebracht werden, sehr gründlich über das Problem nachzudenken, und sie können wirklich geplagt werden von der Vorstellung, daß die Antworten auf die Fragen sich als „die falschen“ herausstellen könnten.

      Dies hat dazu beigetragen, daß es bei diesem Problem an Fortschritten mangelt, weil sich die Philosophen, teilweise weil sie Opfer ihrer eigenen Angstmacherei geworden sind und teilweise weil sie die selbstgebastelte Dringlichkeit benutzt haben, um die Entwicklung metaphysischer Systeme und Theorien zu „motivieren“, eine Reihe von unerreichbaren Zielen gesetzt haben: die Erfindung unmöglicher philosophischer Talismane, die die nicht vorhandenen Übel abwehren sollen.

      Ich möchte nicht unterstellen, daß die Philosophen absichtlich und wissentlich die Glut der Angst geschürt oder daß sie die Angst unredlich ausgeschlachtet haben, um eine Pseudomotivation für ihre metaphysischen Fingerübungen zu geben. Wir Philosophen sind eher die Opfer als die Täter der heraufbeschworenen Illusionen. Schließlich sind wir ja die wichtigste eigentlich angesprochene Leserschaft für die Literatur, die sich unschuldig verschwört, um die Fehldeutungen in die Welt zu setzen. Und unsere Komplizenschaft, durch die das Leben der Fehler verlängert wird, rührt teilweise her von dem natürlichen und im Grunde allgemeinen Wunsch, sich an einem Projekt zu beteiligen, dessen Wichtigkeit auch Zuschauern klargemacht werden kann. Wenn dies dazu führt, bestimmte Dinge hier und da zu überdramatisieren, ein paar Kontraste hervorzuheben und ein paar Grenzen zu verschärfen, dann tun wir nur, was jeder andere in seinem eigenen Arbeitsbereich auch tut.

      Man beachte zum Beispiel, daß eine meiner Anfangsprämissen – daß die Menschen sich sehr stark für den freien Willen interessieren –, unter meinen Händen bereits eine vertraute Übertreibung erfahren hat. Es ist ja nicht so, als ob sich jeder auf die gleiche Weise dafür interessierte, einen freien Willen zu haben, wie sich jeder dafür interessiert, etwa Schmerzen zu vermeiden oder Liebe zu finden. Wir sollten uns an den Luxus unserer eigenen Teilnahme an dieser Erörterung erinnern. Die meisten Menschen – 99 Prozent und noch mehr, zweifellos – waren und sind immer zu beschäftigt damit, am Leben zu bleiben und sich in schwierigen Umständen durchzuschlagen, als daß sie Zeit fänden oder Lust hätten, sich mit Willensfreiheit auseinanderzusetzen. Politische Freiheit ist für viele von ihnen eine größere Sache, aber die metaphysische Freiheit ist es einfach nicht wert, daß man sich um sie kümmert. Wie Dewey einmal sagte: „Was die Menschen im Namen der Freiheit hoch geachtet haben und wofür sie gekämpft haben, ist verschiedenartig und komplex – aber sicher war es nie eine metaphysische Freiheit des Willens.“ (Dewey 1922, S. 303).

      Die meisten anderen Menschen haben sich also über den freien Willen noch nicht den Kopf zerbrochen. Für uns (lieber Leser) ist es aber beruhigend, glauben zu können, daß wir dank unserer Muße und intellektuellen Neigungen ihre mißliche Lage genauer betrachtet haben als sie. Das mag wahr sein. Aber wir sollten vorsichtig sein, wenn es darum geht, unsere ganz spontanen und gegenseitig anerkannten Intuitionen – daß das Problem der Willensfreiheit eine der ganz großen Fragen ist – ungeprüft zu akzeptieren. Denn wir sind

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