Die Löwenskölds. Selma Lagerlöf

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Die Löwenskölds - Selma Lagerlöf

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Unschuldigen zum Tode verurteilen müssten.

      Zum Schluss bat er noch den Herrn, sich der Gemeinde zu erbarmen, damit sie nicht Zeuge eines so großen Unrechts werde wie einst die Juden auf Golgatha.

      Alle hörten dem Propst mit entblößtem Haupt zu.

      Jetzt dachten sie nicht mehr an ihre armen irdischen Gedanken, eine andere Stimme hatte sich ihrer bemächtigt. Es war ihnen, als rufe der Propst selbst Gott zum Zeugen an, und sie fühlten dessen Nähe.

      Es war ein schöner Herbsttag. An dem hohen blauen Himmel zogen weiße Wölkchen dahin, die Bäume waren voll goldenen Laubes. Scharen von Zugvögeln flogen unaufhörlich über die Köpfe der Menge gen Süden. Es war ganz ungewöhnlich, wie viele Vogelscharen an diesem einen Tag vorüberzogen. Man dachte, das habe sicher etwas zu bedeuten. Sollte es ein Zeichen von Gott sein, dass er ihr Vorhaben billigte?

      Als der Propst geendet hatte, trat der Landeshauptmann vor und verlas das Königsurteil mit lauter Stimme. Es war lang, mit vielen Wendungen, die man nur schwer verstehen konnte.

      Aber eins wurde den Leuten doch klar: Die weltliche Macht legte gleichsam ihr Zepter und ihr Schwert, ihre Weisheit und ihr Wissen nieder und begehrte Führung von dem Allmächtigen; sie beteten, ja alle beteten, Gott möge helfen und leiten!

      Danach ergriff der Lehnsmann die Würfel und bat den Richter sowie mehrere von den anderen Anwesenden, mit ihnen zu würfeln, um ihre Richtigkeit zu erproben. Und die Leute hörten den Fall der Würfel auf das Trommelfell mit einem seltsamen Beben. Die kleinen Dinger, die schon so manchen Mannes Unglück gewesen waren, sollten jetzt für würdig erachtet werden, Gottes Willen kundzutun.

      Als die Würfel ausprobiert waren, wurden die drei Gefangenen herangeführt. Erik Ivarsson war der Älteste von ihnen, und ihm wurde der Becher zuerst gereicht. Zugleich aber tat ihm der Lehnsmann zu wissen, dass dies noch nicht die endgültige Entscheidung sei. Jetzt sollten sie zuerst darum würfeln, wie die Reihenfolge für sie bestimmt werde.

      Bei diesem ersten Umgang warf Paul Eliasson die niedrigste und Ivar Ivarsson die höchste Zahl. Er musste also den Anfang machen.

      Die drei Angeklagten trugen noch dieselben Kleider, die sie angehabt hatten, als sie auf dem Rückweg von der Sommeralm dem Rittmeister begegnet waren; doch waren sie jetzt zerrissen und beschmutzt. Und ebenso mitgenommen wie ihre Kleider sahen auch die aus, die sie trugen. Aber allen den vielen ringsum war es, als habe sich Ivar Ivarsson von den dreien am besten gehalten. Dies kam wohl daher, dass er Soldat gewesen und in Krieg und Gefangenschaft durch viel Leiden abgehärtet worden war. Er hielt sich noch stramm und zeigte ein mutiges, unerschrockenes Auftreten.

      Als Ivar Ivarsson an die Trommel trat und den Becher mit den Würfeln von dem Lehnsmann in Empfang nahm, wollte ihm dieser zeigen, wie er den Becher halten und wie er würfeln müsse. Doch da spielte ein Lächeln um die Lippen des Mannes.

      »Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit Würfeln spiele, Herr Lehnsmann«, sagte er so laut, dass alle es hörten. »Der Starke Bengt von Hedeby und ich haben uns an manchem Abend dort draußen in den Steppenländern damit die Zeit vertrieben. Niemals aber hätte ich geglaubt, ich würde je gezwungen sein, noch einmal mit ihm zu spielen.«

      Der Lehnsmann wollte ihn zur Eile mahnen; aber die ganze Volksmenge hörte ihm gern zu. Das war wahrlich ein tapferer Mann, der noch scherzen konnte, wenn er vor solchen Entscheidungen stand.

      Nun legte er beide Hände um den Becher, und man sah, dass er betete. Als er sein Vaterunser gesprochen hatte, rief er mit lauter Stimme: »Und nun bitte ich dich, Herr Jesus Christus, du, der meine Unschuld kennt, du mögest mir aus Gnade einen niedrigen Wurf gewähren, denn ich habe weder Kind noch Liebste, die um mich weinen werden.«

      Als dies gesagt war, warf er die Würfel auf das Trommelfell, dass es nur so dröhnte.

      Und alle, die außerhalb des Sperrringes standen, wünschten in diesem Augenblick, Ivar Ivarsson möge frei ausgehen. Er gefiel ihnen, weil er tapfer und gut war, und sie konnten jetzt nicht mehr begreifen, wie sie ihn jemals für einen Missetäter hatten halten können. Es war ihnen beinahe unerträglich, so weit weg zu stehen und nicht zu wissen, wie die Würfel gefallen waren. Der Richter und der Lehnsmann beugten sich vor, die Schöffen und die anwesenden Herrschaften traten näher, um den Ausfall zu betrachten. Alle schienen erstaunt zu sein; einige von ihnen nickten Ivar Ivarsson zu, zwei schüttelten ihm die Hand; aber die Menge erfuhr nichts; manche murrten und knurrten.

      Da winkte der Richter dem Lehnsmann, und dieser stieg auf eine der Treppenstufen vor dem Thinghaus, damit er besser gesehen und gehört werde.

      »Ivar Ivarsson hat sechs-sechs geworfen, was der höchste Wurf ist!«

      Da begriff man: Ivar Ivarsson war freigesprochen, und man freute sich darüber. Mehrere fingen zu rufen an: »Glück auf, Ivar Ivarsson!«

      Doch jetzt geschah etwas, was alle in Erstaunen setzte. Paul Eliasson brach in laute Freudenrufe aus. Er riss die Mütze vom Kopf und warf sie hoch in die Luft. Dies kam so unerwartet, dass die Wächter ihn nicht zurückhalten konnten. Aber man verwunderte sich über Paul Eliasson. Es war ja wahr, Ivar Ivarsson war wie ein Vater für ihn gewesen, und nun handelte es sich um dessen Leben. Aber konnte er sich wirklich darüber freuen, dass ein anderer freigesprochen wurde?

      Doch gleich darauf wurde die frühere Ordnung wiederhergestellt. Die Obrigkeit trat wieder nach rechts, die Gefangenen und die Wachmannschaft nach links, die anderen Zuschauer zogen sich zum Thinghaus zurück, und die Trommel stand nun von allen Seiten sichtbar in der Mitte des Platzes.

      Jetzt war Erik Ivarsson an der Reihe, die Todesprobe zu bestehen.

      Und heran trat ein gebrochener alter Mann mit wankendem unsicherem Gang. Konnte das Erik Ivarsson sein, der immer so fest und gebieterisch aufgetreten war? Seine Augen waren trüb, und viele meinten, er sei sich dessen, was vorging, nicht vollständig bewusst. Als er aber den Becher mit den Würfeln in die Hand bekam, machte er einen Versuch, sich aufzurichten und einige Worte zu sprechen.

      »Ich danke Gott, dass mein Bruder Ivar Ivarsson jetzt freigesprochen ist«, sagte er, »denn obgleich ich in dieser Sache ebenso unschuldig bin wie er, ist er doch immer der Bessere von uns beiden gewesen. Und ich bitte unseren Herrn Jesus Christus, mich einen niedrigen Wurf tun zu lassen, damit meine Tochter den heiraten kann, der sie liebt, und bis ans Ende ihrer Tage glücklich mit ihm leben kann.«

      Es war bei Erik Ivarsson wie bei vielen alten Leuten, seine frühere Kraft schien sich jetzt in seiner Stimme gesammelt zu haben. Was er sagte, wurde von allen gehört und rief tiefe Rührung hervor. Es sah Erik Ivarsson so gar nicht ähnlich, anzuerkennen, dass ein anderer mehr gewesen sei als er, und sich jetzt den Tod zu wünschen, damit ein anderer glücklich würde. In der ganzen Volksmenge war nicht einer, der ihn noch für einen Räuber oder Dieb halten konnte. Man stand mit Tränen in den Augen da und betete zu Gott, er möge ihm einen hohen Wurf verleihen.

      Er schüttelte die Würfel im Becher kaum, drehte diesen nur um und ließ die Würfel herausfallen. Seine Augen waren zu alt, um die Punkte darauf unterscheiden zu können, er wendete seinen Blick auch gar nicht dahin, sondern starrte nur ruhig geradeaus.

      Der Richter aber und die anderen eilten herbei, und jetzt sah man wie beim ersten Mal dieselbe Verwunderung auf ihren Gesichtern.

      Es war, als hätte die Volksmenge, die außerhalb der Absperrung stand, schon bevor der Ausfall kundgetan wurde, verstanden, was geschehen war. Eine Frau war die Erste, die ausrief: »Gott sei Lob und Dank, dass er dir geholfen hat, Erik Ivarsson!«

      Auch

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