Die Löwenskölds. Selma Lagerlöf

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Die Löwenskölds - Selma Lagerlöf

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Stirn des Rittmeisters anschwollen, und wie seine Fäuste sich ballten, bis die Knöchel weiß schimmerten. Ein furchtbarer Zorn hatte sich des Rittmeisters bemächtigt.

      Natürlich berichtete der Propst die Sache entsprechend seiner Ansicht. Er erzählte, wie der Zorn Gottes die Missetäter getroffen habe, und er wollte durchaus nicht ein Eingreifen des Toten anerkennen.

      Der Rittmeister aber erklärte alles, was er hörte, auf ganz andere Weise. Nein, sein Vater hatte in seinem Grab keine Ruhe gehabt, weil der Ring ihm von seinem Zeigefinger gezogen worden war. Jetzt fühlte der Sohn Angst und Gewissensqual, weil er bisher diese Sache allzu leicht genommen hatte. Er fühlte jetzt alles wie eine stechende, schmerzende Wunde in seinem Herzen.

      Der Propst, der wohl merkte, wie aufgeregt der Rittmeister war, fürchtete sich fast, den Verlust des Ringes zu bekennen; doch als er es tat, wurde es mit einer Art grimmiger Befriedigung aufgenommen.

      »Also einer von dem Diebsgesindel ist noch vorhanden, und er ist ebenso erbärmlich wie die anderen«, sagte Löwensköld. »Das ist gut. Der General hat die Eltern gestraft und fest dreingeschlagen, jetzt bin ich an der Reihe.«

      Der Propst fühlte eine unbarmherzige Härte in der Stimme des Rittmeisters, und ihm wurde vor Angst immer beklommener. Er fürchtete, der Rittmeister könnte Ingilbert mit seinen eigenen Händen erwürgen oder ihn zu Tode peitschen.

      »Ich habe es für meine Pflicht gehalten, dir, meinem hochgeschätzten Freund, die Botschaft des Toten zu überbringen«, sagte der Propst, »ich hoffe aber, dass du kein rasches, unüberlegtes Verfahren einschlägst. Ich habe im Sinn, jetzt gleich dem Lehnsmann von dem an mir begangenen Diebstahl Mitteilung zu machen.«

      »Damit kannst du es halten, wie du willst«, erwiderte der Rittmeister. »Es ist aber eine ganz unnötige Mühe, die du dir machst, denn jetzt werde ich diese Sache selbst in die Hand nehmen.«

      Da wurde dem Propst vollkommen klar, dass er hier auf Hedeby nichts mehr ausrichten konnte. Er ritt also so rasch wie möglich von dannen, um dem Lehnsmann noch vor dem Abend Nachricht zukommen lassen zu können.

      Der Rittmeister Löwensköld aber rief alle seine Leute zusammen und erzählte ihnen, was sich begeben hatte. Dann fragte er sie, ob sie am nächsten Morgen mit ihm ausziehen wollten, den Dieb zu fangen. Da war keiner, der sich weigerte, ihm und dem toten General diesen Dienst zu leisten. Und der Rest des Abends wurde dazu verwendet, alle möglichen Waffen hervorzusuchen: alte Donnerbüchsen, kurze Bärenspieße, lange Degen, Knüppel und Sensen.

      Sechstes Kapitel

      Nicht weniger als fünfzehn Mann leisteten dem Rittmeister Gefolgschaft, als er am nächsten Morgen früh um vier Uhr auf die Jagd nach dem Dieb auszog. Und alle waren von höchster Kampflust beseelt. Es handelte sich ja um eine gerechte Sache, und überdies stand der General hinter ihnen. Da der Tote die Sache nun so weit geführt hatte, würde er sie auch zu einem glücklichen Ausgang bringen.

      Die richtige Wildnis fing jedoch erst eine Weile jenseits von Hedeby an. Am Anfang ging die Wanderung durch ein weites Tal, das teilweise unbebaut und nur von kleinen Schuppen wie übersät war. Da und dort auf den Hügeln aber zogen sich ziemlich große Dörfer hin, und eines davon war Olsby, wo Bård Bårdsson seinen Hof gehabt hatte, ehe dieser von dem General eingeäschert worden war.

      Dahinter lag der große, tiefe Wald wie ein dichtes Fell über die Erde gebreitet, Baum an Baum ohne Unterbrechung. Und doch war es hier noch nicht mit aller menschlichen Macht zu Ende. Es gab schmale Pfade durch den Wald, die zu Sennhütten und Kohlenmeilern hinaufführten.

      Der Rittmeister und seine Leute nahmen gleichsam eine andere Haltung und ein anderes Aussehen an, als sie in den großen dunklen Wald kamen. Sie hatten ja früher schon hier Jagd auf Großwild gemacht, und jetzt bekam die Jagdlust in ihnen wieder die Oberhand. Sie begannen, scharfe Blicke in das Gestrüpp zu werfen, und sie schritten jetzt auch in ganz anderer Weise dahin, leichter und gleichsam schleichend.

      »Hört jetzt, ihr Leute«, sagte der Rittmeister, »über eine Sache sind wir alle einig. Keiner von euch darf sich dieses Diebes wegen ins Unglück stürzen, sondern ihr müsst ihn mir überlassen. Gebt nur acht, dass ihr ihn nicht entwischen lasst!«

      Diesem Befehl wäre indes kaum Folge geleistet worden. Alle diese Leute, die noch tags vorher ganz friedlich ihrer Arbeit nachgegangen waren und Heu auf den Schober geworfen hatten, brannten jetzt vor Begierde, diesem Dieb Ingilbert einen tüchtigen Denkzettel zu geben.

      Sie waren aber gerade bis dahin gekommen, wo die großen Fichten, die seit Urzeiten hier aufragten, so dicht beieinanderstanden, dass sie ein ununterbrochenes grünes Dach über die Erde breiteten, unter dem das ganze Unterholz eingegangen und der Boden nur noch mit Moos bedeckt war, als sie drei Männer auf sich zukommen sahen, die eine aus Zweigen verfertigte Bahre trugen, auf der ein vierter Mann lag.

      Der Rittmeister und seine Schar liefen rasch auf sie zu, und die Träger machten halt, als sie eine solche Menge Menschen daherkommen sahen. Sie hatten einige große Farnkrautzweige über das Gesicht des auf der Bahre Liegenden gebreitet; es konnte niemand sehen, wer es war, die Leute von Hedeby aber glaubten es doch zu wissen, und ihnen allen lief ein kalter Schauder über den Rücken.

      Sie sahen zwar nicht den alten General neben der Bahre. O nein! Nicht einmal seinen Schatten! Trotzdem aber wussten sie: Er war gegenwärtig. Er war mit dem Toten aus dem Wald heruntergekommen. Er stand da und deutete mit dem Finger auf ihn.

      Die drei Männer, die die Bahre trugen, waren wohlbekannte, angesehene Leute. Es war Erik Ivarsson, der einen großen Hof in Olsby hatte, mit seinem Bruder Ivar Ivarsson, der unverheiratet geblieben war und noch immer bei seinem Bruder auf dem väterlichen Hof wohnte. Diese beiden waren schon bejahrte Leute; der dritte aber von ihnen war ein noch junger Mann. Auch er war dem Rittmeister und seiner Schar wohlbekannt. Er hieß Paul Eliasson und war ein Pflegesohn der Ivarssöhne.

      Der Rittmeister trat zu den Ivarssöhnen, und sie setzten ihre Bahre nieder, um ihn zu begrüßen und ihm die Hand zu geben. Aber es war, als sähe der Rittmeister die ausgestreckten Hände nicht. Er konnte kein Auge von den Farnkräutern abwenden, die das Gesicht des auf der Bahre Liegenden bedeckten.

      »Ist es Ingilbert Bårdsson, der hier liegt?«, fragte der Rittmeister mit sonderbar harter Stimme. Es klang fast, als spräche er gegen seinen Willen.

      »Ja, er ist es«, antwortete Erik Ivarsson. »Aber wie kann der Herr Rittmeister das wissen? Hat der Herr Rittmeister ihn an den Kleidern erkannt?«

      »Nein«, antwortete der Rittmeister, »ich habe ihn seit fünf Jahren nicht mehr gesehen.«

      Sowohl seine eigene Gefolgschaft, als auch die drei anderen Männer warfen nun verwunderte Blicke auf den Rittmeister. Alle meinten, er habe an diesem Morgen etwas Sonderbares und Unheimliches an sich; er war gar nicht so leutselig und freundlich, wie er sonst zu sein pflegte.

      Und nun fing er an, die Ivarssöhne einer Art von Verhör zu unterwerfen. Was sie denn zu dieser frühen Morgenstunde im Wald zu schaffen gehabt hätten, und wo sie mit Ingilbert zusammengetroffen seien? Die Ivarssöhne aber waren Großbauern, und es passte ihnen nicht, sich in dieser Weise ausfragen zu lassen; das Hauptsächlichste aber bekam der Rittmeister doch aus ihnen heraus.

      Sie waren am vorhergehenden Tag mit Mehl und anderen Nahrungsmitteln zu ihren Leuten auf die mehrere Meilen tiefer im Wald liegende Alm hinaufgestiegen und hatten dort übernachtet. In aller Frühe hatten sie sich wieder auf den Heimweg gemacht, und da war Ivar Ivarsson den beiden anderen etwas vorausgegangen. Ivar war nämlich Soldat gewesen,

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