Die Löwenskölds. Selma Lagerlöf
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Nun gab es neue Untersuchungen und neue Verhöre, die schließlich damit endigten, dass Erik Ivarsson sowie sein Bruder Ivar und ihr Pflegesohn Paul als des Raubes und Mordes stark verdächtig ins Gefängnis geführt wurden.
Siebentes Kapitel
Eines lässt sich nicht leugnen: Bei uns in Värmland waren die Wälder weit und die Äcker klein, die Hofplätze waren groß, die Häuser aber eng, die Wege schmal, die Hügel aber steil, die Haustüren niedrig, die Schwellen aber hoch, die Kirchen unansehnlich, die Gottesdienste aber lang, die Lebenstage kurz, die Sorgen aber zahllos. Darum waren die Värmländer aber doch keine Kopfhänger oder Jammerlappen.
Wohl raffte der Frost die Ernte dahin, wohl wüteten die wilden Tiere in den Herden und die rote Ruhr in der Kinderschar, aber trotzdem hielten die Leute den Mut und die gute Laune so lange wie möglich aufrecht. Wohin wäre es sonst auch mit ihnen gekommen?
Dies beruhte aber vielleicht darauf, dass es in jedem Haus einen Tröster gab. Es gab einen, der sowohl zu den Reichen als auch zu den Armen kam, einen, der nie versagte und nie müde wurde.
Aber glaubt doch ja nicht, dieser Tröster sei etwas Feierliches oder Großartiges gewesen, so wie Gottes Wort oder Gewissensfrieden oder Liebesglück! Und glaubt auch nicht, es sei etwas Gemeines und Gefährliches gewesen, wie Trunksucht oder Würfelspiel! O nein, es war nur etwas ganz Unschuldiges und Alltägliches, nämlich nichts anderes als das Feuer, das an den Winterabenden auf dem Herd flammte.
Lieber Gott, wie machte es doch in der kleinsten Hütte alles so schön und behaglich! Und wie trieb es mit den Leuten seinen Spaß, den ganzen Abend hindurch! Es knisterte und prasselte, es war, als lachte es sie aus. Es zischte und sprühte, und dann war es, als wollte es jemand nachmachen, der misslaunig und zornig war. Bisweilen wusste es durchaus nicht, wie es mit einem knorrigen, alten Klotz fertig werden sollte. Dann füllte es die ganze Stube mit Rauch und Dunst an, wie wenn es den Leuten zu verstehen geben wollte, dass es von der Kost, die ihm dargereicht werde, nicht leben könne. Bisweilen, und gerade, wenn die Leute im besten Arbeitseifer waren, nahm es die Gelegenheit wahr und sank plötzlich zu einem Gluthaufen zusammen, sodass die Leute die Hände in den Schoß legen und hell auflachen mussten, bis es sich wieder zum Aufflammen bequemte.
Am allermutwilligsten aber war es, wenn die Hausfrau mit dem dreibeinigen Kochkessel daherkam und das Essen kochen wollte. Ein einziges Mal zeigte es sich da willig und dienstfertig und machte seine Sache rasch und gut, sehr oft aber tanzte es stundenlang leicht und ausgelassen um den Kochtopf, ohne ihn zum Sieden zu bringen.
Oh, wie leuchtete es in den Augen des Hausvaters auf, wenn er nass und verfroren aus dem schmutzigen Schnee heimkam und ihn das Feuer mit Wärme und Behaglichkeit empfing! Wie gut war es für ihn, an das wachende Licht zu denken, das gleich einem Leitstern für arme Wanderer in die dunkle Winternacht hinausströmte, zugleich aber auch ein Zeichen zum Erschrecken für Luchs und Wolf war!
Das Herdfeuer aber konnte noch mehr als wärmen und leuchten und Essen kochen. Es verstand sich auf noch merkwürdigere Dinge als Funkeln, Sprühen, Prasseln und Treiben von Unsinn. Es war auch imstande, die Lust zum Spiel in der Menschenseele zum Leben zu erwecken. Denn was ist die Menschenseele, ja auch sie, anderes als eine spielende Flamme! Sie flattert in und über und um den Menschen her, wie die Feuerflamme über und um das raue Holz, ja, in ihm drinnen flackert. Wenn nun die an einem Winterabend um das Herdfeuer Versammelten eine Weile schweigend dagesessen und in die Flammen geschaut hatten, dann begann das Feuer mit jedem Einzelnen in seiner eigenen Sprache zu reden: »Bruder Seele«, sagte die Feuerflamme, »bist du nicht auch so eine Flamme wie ich? Warum bist du so traurig und bedrückt?« – »Schwester Flamme«, antwortete wohl die Menschenseele, »ich habe Holz gespalten und den ganzen Tag den Haushalt versorgt. Jetzt kann ich nichts anderes mehr tun, als still dasitzen und dich ansehen!« – »Ja, das weiß ich wohl«, antwortete dann das Herdfeuer. »Jetzt ist Feierabend. Mach es wie ich, flackere, und leuchte! Spiele, und wärme!«
Und die Seelen gehorchten dem Herdfeuer und begannen zu spielen. Sie erzählten Geschichten, sie gaben einander Rätsel auf, sie strichen die Geigensaiten. Sie ritzten Ranken und Rosen in Werkzeuge und Ackergeräte. Sie spielten allerlei Spiele und sangen Lieder. Sie lösten Pfänder aus und erinnerten sich an alte Sprichwörter. Und unterdessen taute die Eiseskälte in ihren Gliedern, die Missgestimmtheit in ihren Herzen auf. Sie lebten wieder auf und wurden vergnügt. Das Herdfeuer und das Spiel vor dem hellen Feuer weckten in ihnen wieder die Lust, das karge, mühselige Leben fortzusetzen.
Was aber vor allem zu dem Herdfeuer gehörte, das war doch wohl das Erzählen von merkwürdigen Heldentaten und Abenteuern. Das war es, was Alt und Jung erfreute, ja, es war etwas, wovon sie nie genug bekommen konnten. Denn Heldentaten und Abenteuer hat es ja, Gott sei Dank, von jeher genug auf dieser Welt gegeben.
Niemals aber gab es deren so viele wie zur Zeit des Königs Karl. Er war der Held unter den Helden, und von ihm und seinen Mannen gab es eine Überfülle von Geschichten zu berichten. Sie vergingen nicht mit ihm selbst und mit seiner Herrschermacht, nein, sie lebten nach seinem Tod weiter, und sie waren seine beste Hinterlassenschaft.
Von niemand erzählte man so gern wie vom König selbst; aber gleich nach ihm redete man am liebsten vom General auf Hedeby, den man ja selbst noch gesehen und gesprochen hatte und von Kopf bis Fuß beschreiben konnte.
Der General war so stark gewesen, dass er Eisen biegen konnte, wie andere Hobelspäne auseinanderrollen. Als er einmal hörte, drunten in Svartsjö wohne ein Schmied, der die besten Hufeisen in der ganzen Gegend mache, ritt der General gleich hinunter in die Schmiede und bat den Michel, ihm sein Pferd zu beschlagen.
Als nun der Schmied mit einem fertigen Hufeisen aus der Schmiede trat, fragte der General, ob er es ansehen dürfe. Das Hufeisen war stark und gut gemacht; der General aber lachte nur, als er es sah. »Das nennt ihr hier ein Hufeisen?«, sagte er, und zugleich bog er das Hufeisen auseinander und zerbrach es. Der Schmied erschrak, er glaubte, er habe eine schlechte Arbeit geliefert.
»Es muss ein Sprung im Eisen gewesen sein«, sagte er und brachte rasch ein anderes Hufeisen herbei. Es ging aber mit diesem genau wie mit dem vorigen, nur mit dem Unterschied, dass der General dieses wie eine Schere zusammendrückte, bis es auch zerbrach.
Doch nun begann Michel Lunte zu riechen, und er sagte: »Entweder bist du der König Karl selber, oder du bist der Starke Bengt auf Hedeby.«
»Ei, Michel, da hast du nicht schlecht geraten«, versetzte der General, und dann gab er ihm die volle Bezahlung für vier neue Hufeisen und überdies noch für die zwei, die er vor den Augen des Schmiedes zerbrochen hatte.
Es waren auch noch viele andere Geschichten über den General im Umlauf, und sie wurden ins Unendliche erzählt und wieder erzählt; im ganzen Bezirk gab es niemand, der nichts von dem General gewusst und nicht Ehrfurcht und Bewunderung für ihn gehegt hätte. Und von seinem Ring wusste man natürlich auch.
Man wusste, er war mit ihm begraben worden; die Habgier der Menschen aber war so groß gewesen, dass er ihm von seinem Finger weg gestohlen worden war.
Wenn also irgendetwas imstande war, die Leute im höchsten Grade neugierig und erregt und empört zu machen, so war es die Nachricht, dass der Ring zwar wiedergefunden worden, jedoch abermals verloren gegangen war, sowie dass man Ingilbert im Wald tot aufgefunden und die Ivarssöhne nun im Verdacht habe, sich den Ring angeeignet zu haben, und dass sie deshalb jetzt im Gefängnis saßen. Als die Kirchenbesucher am Sonntagnachmittag heimwärts wanderten, wurde ihnen daheim kaum erlaubt,