Die Löwenskölds. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Die Löwenskölds - Selma Lagerlöf страница 24
»Du kannst tun, was du willst, der Baron ist fort. Ich habe ihn gebeten, dem Doktor entgegenzureiten, damit er rascher eintrifft.«
Jungfer Spaak hatte erwartet, Marit Erikstochter werde nun einige Versuche machen, den jungen Baron aus seiner Betäubung zu wecken. Zu ihrer großen Enttäuschung tat sie nichts dergleichen. Dagegen befahl Marit, man solle alle Kleider des jungen Barons herbeischaffen, sowohl diejenigen, die er jetzt trug, als auch solche, die er in früheren Jahren getragen hatte, soweit sie etwa noch vorhanden wären. Sie wollte alles sehen, was er je auf dem Leibe gehabt hatte, Strümpfe und Hemden, Handschuhe und Mützen.
An diesem Tag tat man auf Hedeby nichts anderes als nach diesen Sachen suchen. Obgleich Jungfer Spaak seufzte, weil sich Marit nur wie eine gewöhnliche Wahrsagerin mit den üblichen Zauberkünsten benahm, beeilte sie sich doch, aus alten Truhen auf den Dachböden, aus Laden und Schränken alles zusammenzusuchen, was dem Kranken gehört hatte. Die jungen Fräulein, die recht gut darüber Bescheid wussten, was Adrian je getragen hatte, halfen ihr beim Suchen, und so kamen sie bald mit einem ganzen Kleiderbündel zu Marit herunter.
Marit breitete die Sachen auf dem Küchentisch aus und untersuchte jedes einzelne Stück genau. Ein Paar alte Schuhe legte sie auf die Seite, ebenfalls ein Paar kleine Handschuhe und ein Hemd. Unterdessen murmelte sie eintönig und unablässig: »Ein Paar für die Füße, ein Paar für die Hände, eins für den Körper und eins für den Kopf.«
»Ich muss noch etwas für den Kopf haben«, sagte sie plötzlich mit ihrer gewohnten Stimme. »Ich brauche etwas, was warm und weich ist.«
Jungfer Spaak zeigte ihr die Hüte und Kappen, die sie herbeigeholt hatte.
»Nein, es muss etwas sein, was warm und weich ist«, sagte Marit. »Hatte Baron Adrian nicht auch eine Zipfelmütze, wie andere Jungen?«
Jungfer Spaak wollte eben sagen, sie habe keine gesehen, die Köchin nahm ihr das Wort vom Munde weg.
»Ich habe ja seine alte Zipfelmütze heute Morgen auf dem Wandbrett dort gefunden, aber die Jungfer hat sie mir weggenommen.«
Also musste Jungfer Spaak mit der Zipfelmütze herausrücken, die sie bis ans Ende ihrer Tage als ein teueres Andenken hatte behalten wollen.
Als Marit die Zipfelmütze bekommen hatte, fing sie wieder mit dem Gemurmel an; jetzt aber hatte ihre Stimme einen andern Ton. Es klang, wie wenn eine Katze vor Vergnügen schnurrt.
»Jetzt«, sagte Marit, nachdem sie die Mütze in ihrer Hand lange gedreht und gewendet und in sie hineingemurmelt hatte, »braucht es weiter nichts mehr, dies alles aber muss in das Grab des Generals gelegt werden.«
Als Jungfer Spaak dies hörte, war sie ganz verzweifelt. »Marit, wie kann Sie glauben, der Baron werde das Grab öffnen lassen, um solchen alten Plunder hineinzulegen?«, sagte sie.
Marit sah sie an und lächelte ein wenig. Sie fasste Jungfer Spaak an der Hand und stellte sich mit ihr so an ein Fenster hin, dass sie allen anderen in der Küche den Rücken zuwendeten. Darauf hielt sie der Jungfer Adrians Mütze vor die Augen und zerteilte mit den Fingern die Fäden der großen Troddel.
Nicht ein Wort sagte sie, und nicht ein Wort sagte Jungfer Spaak; diese aber war todesblass, als sie sich den anderen wieder zuwendete, und ihre Hände zitterten.
Marit machte nun aus den ausgewählten Sachen ein kleines Bündel und übergab es Jungfer Spaak.
»Jetzt hab ich das Meinige getan«, sagte sie. »Nun müsst ihr anderen es einrichten, dass dies hier in das Grab kommt.« Damit ging sie ihrer Wege.
Am Abend kurz nach zehn Uhr wanderte Jungfer Spaak nach dem Kirchhof. Sie hatte Marits kleines Bündel bei sich, sonst aber war ihr Gang nicht anders als eine Wanderung aufs Geratewohl. Wie es ihr gelingen sollte, die Sachen in das Grab des Generals hineinzuschaffen, davon hatte sie keine Ahnung.
Gleich nachdem Marit sich entfernt hatte, war der Baron mit dem Doktor dahergeritten gekommen, und Jungfer Spaak hatte gehofft, der Doktor werde Adrian wieder ins Leben zurückrufen können, ohne dass sie etwas Weiteres in der Sache tun müsste. Der Doktor aber hatte sofort erklärt, hier könne er nicht helfen, der junge Mann werde nur noch wenige Stunden am Leben bleiben.
Da hatte Jungfer Spaak das Bündel unter den Arm genommen und sich auf den Weg gemacht. Sie wusste, es gab keine Möglichkeit, den Baron Löwensköld zu bewegen, die Grabplatte abheben und das zugemauerte Grab öffnen zu lassen, nur um ein paar von Baron Adrians alten Kleidungsstücken hineinlegen zu lassen. Wenn sie ihm gesagt hätte, was sich wirklich in dem Bündel befand, dann, das wusste sie gewiss, würde er den Ring sofort seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben; damit aber hätte sie ja einen Verrat an Marit Erikstochter begangen.
An einem zweifelte sie gar nicht. Marit war es gewesen, die einstmals den Ring nach Hedeby geschafft hatte. Baron Adrian selbst hatte ja erwähnt, Marit habe ihm einmal seine Zipfelmütze geflickt. Nein, Jungfer Spaak wagte es nicht, den Baron über den wahren Zusammenhang dieser Sache aufzuklären.
Später wunderte sich Jungfer Spaak selbst darüber, dass sie an jenem Abend keine Angst gehabt hatte. Sie stieg über die niedrige Kirchhofmauer und wanderte zu dem Löwensköldschen Grab hin, ohne an etwas anderes zu denken, als wie sie den Ring da hineinbringen könnte.
Sie setzte sich auf die Grabplatte und faltete die Hände zum Gebet. »Wenn Gott mir nicht hilft«, dachte sie, »dann wird das Grab allerdings bald geöffnet werden; aber nicht des Ringes wegen, sondern für einen, um den ich ewig trauern werde.«
Mitten unter ihrem Gebet nahm die Jungfer eine kleine Bewegung in dem Gras wahr, das den niederen Grabhügel bedeckte, auf dem die Grabplatte lag. Ein kleines Köpfchen lugte hervor, verschwand aber sofort wieder, als die Jungfer zusammenzuckte. Denn Jungfer Spaak hatte ebenso große Angst vor Mäusen wie die Mäuse vor ihr. Dies aber rief in der Jungfer eine plötzliche Eingebung hervor. Rasch trat sie an einen großen Fliederbusch, brach einen langen dürren Zweig ab und steckte ihn in das Mauseloch hinein.
Zuerst steckte sie ihn senkrecht hinunter; da stieß sie aber gleich auf Widerstand. Dann versuchte sie, ihn schräg hinabzuführen, und da glitt er in der Richtung des Grabes weit hinunter. Sie verwunderte sich, wie tief er eindrang. Die ganze Gerte verschwand. Hastig zog sie sie wieder heraus und maß die Länge an ihrem Arm. Sie war drei Ellen lang. Die Gerte musste drunten in der Grabkammer gewesen sein.
Jungfer Spaak war in ihrem ganzen Leben noch nie so ruhig und geistesgegenwärtig gewesen. Es war klar, die Mäuse hatten sich einen Weg ins Grab hinunter gebahnt. Vielleicht hatte sich auch ein Spalt in der Mauer befunden, oder irgendein Ziegelstein war verwittert.
Sie legte sich flach auf den Boden, riss ein Stück vom Rasen los, schaffte die lose Erde beiseite und streckte den Arm hinein. Ohne ein Hindernis drang er tief hinunter, gelangte aber doch nicht bis zu der Mauer, ihr Arm war zu kurz.
Da knüpfte sie eilig das Bündel auf und nahm die Mütze heraus. Sie wand sie um die lange Gerte und versuchte, diese langsam in das Loch hineinzuschieben. Bald war sie verschwunden; nun schob sie die Gerte ebenso langsam und vorsichtig weiter und weiter hinunter. Da plötzlich, als die Gerte fast ganz drunten in der Erde war, fühlte sie, wie sie ihr mit einem Ruck aus der Hand gerissen wurde.
Möglicherweise konnte sie durch ihre eigene Schwere hinuntergefallen sein; aber nein, Jungfer Spaak war ganz sicher, sie war ihr entrissen worden.
Und jetzt endlich bekam sie Angst. Sie