Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler. Giorgio Vasari
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1568 wird der genealogische Aspekt der Lazzaro-Vita weiter verstärkt: Er wolle nichts dieser Familie Unwürdiges tun, die so illustre und verehrte Männer hervorgebracht habe und die ihm ein Ansporn zur Tugend seien, so Vasaris einleitende Worte der zweiten Fassung. Am Ende der Vita kommt Vasari auf sich selbst und den großen Familienaltar zu sprechen, den er für den Hauptchor der Pieve in Arezzo, adlige Bestattungsformen imitierend, für alle Abkömmlinge des Hauses Vasari entworfen hatte. Während er in seiner Autobiographie allein die religiösen Bildwerke an diesem Altar beschreibt, geht er in der Vita des Lazzaro auf die daran ebenfalls befindlichen Porträts seiner Ahnen ein. Als einzige Frau wird dabei seine Mutter namentlich erwähnt.
Vasari ist sich der dünnen Beweislage für das angebliche künstlerische Schaffen Lazzaros bewußt. Ganze fünf Mal bürgt er deshalb selbst für seine Zuschreibungen mit den Worten »lo pruovo in me stesso«. Manchen Beleg hätte er sicher erbringen können, wenn die schriftlichen Zeugnisse nicht »immer wieder von den Soldaten zerstört worden« wären, betont der Autor.
Interessant ist damit weniger Lazzaro, der in den erhaltenen Dokumenten als Sattler geführt wird, als vielmehr Vasaris Vorgehen, seinen persönlichen Künstlerahnen zu kreieren und mündliche Familienüberlieferung zur Beweisführung zu verdichten.
Vasari zählt in der revidierten, mehr als verdoppelten Fassung der Vita von 1568 verschiedene Arbeitsfelder auf, in denen sein Urgroßvater tätig gewesen sei: Neben Sätteln und Pferdeharnischen habe er Glasfenster, Bruderschaftsbanner und Hochzeitstruhen gefertigt und Fresken gemalt. Qualitativ sei er Piero della Francesca, mit dem er eng befreundet gewesen sei, in nichts nachgestanden. Im Zeichnen sei er sehr gut gewesen, genauso in der Perspektive, bei Aktbildnissen und der Darstellung einer Vielzahl von Gefühlen. In seinen Entwürfen habe er Erfindungsreichtum bewiesen und beständig künstlerische Studien betrieben.
Auch konkrete Werke nennt der Autor: das Fresko eines Heiligen Vinzenz Ferrer in San Domenico in Arezzo mit dem Wappen der Familie Vasari und Zeichnungen im Libro de’ disegni, der persönlichen Sammlung Vasaris.
Während Vasari seinen Urgroßvater Lazzaro also zum malenden Urvater der Familie Vasari stilisiert, war es vielmehr sein Großvater Giorgio, der die Familie mit den Künsten in Verbindung bringen und auch erste Kontakte zu den Medici pflegen sollte. Laut seines Enkels hatte Giorgio der Ältere vor den Toren Arezzos eine etruskische Töpferwerkstatt und die etruskische Vasenmaltechnik wiederentdeckt und vier vollständig erhaltene Vasen geborgen, die er Lorenzo de’ Medici schenkte. Spätestens hier wird klar, daß Vasari nicht auf die künstlerische Fama seiner Urahnen um ihrer selbst willen beharrt, sondern daß es ihm darum geht, den von ihm persönlich erreichten sozialen Aufstieg rückwirkend in seiner Familie zu zementieren. In den 1560er Jahren gehört Vasari zu einem Kreis von Personen, die in Rom für Cosimo und Francesco de’ Medici als Vermittler für Ankäufe antiker Statuen tätig sind. Nicht von ungefähr stellt er deshalb seinen Großvater als Archäologen, Antikenkenner und Wiederentdecker der etruskischen Töpferkunst heraus: Urgroßvater und Großvater antizipieren die Maßstäbe von Vasaris Wertesystem, knüpfen erste Kontakte zur Familie seines Förderers und Auftraggebers und markieren ganz nebenbei Arezzo als Wiege der Künste auf der toskanischen Landkarte.
AZ
DAS LEBEN DES MALERS LAZZARO VASARI AUS AREZZO
Vita di Lazaro Vasari Aretino. Pittore (1568)
Es bereitet wirklich große Genugtuung, einen Vorfahren in der Familie zu haben, der in irgendeinem Beruf, sei es an den Waffen, in einer geistigen Tätigkeit, in der Malerei oder welcher vornehmen Beschäftigung auch immer, herausragend und berühmt gewesen ist. Solche Menschen haben allein aus dem Grund, daß einer ihrer Ahnen in den Geschichtsbüchern ehrenvoll erwähnt wird, zumindest einen Anreiz zu rechtschaffenem Handeln und auch eine Hemmung, Dinge zu tun, die einer Familie, die so hervorragende und hochberühmte Persönlichkeiten hervorgebracht hat, unwürdig wären.1 Wie groß diese Genugtuung ist, die ich eingangs erwähnte, vermag ich selbst nachzuempfinden, da unter meinen Vorfahren der Maler Lazzaro Vasari2 war, der zu seiner Zeit nicht nur in seinem Heimatort, sondern in der ganzen Toskana berühmt gewesen ist; und sicher nicht ohne Grund, wie ich sehr wohl aufzeigen könnte, wenn es mir, wie im Fall der anderen, gestattet wäre, freimütig über ihn zu berichten. Da ich aber vom gleichen Blut bin, könnte man leicht auf den Gedanken kommen, ich würde mit einem Lob auf ihn übers Ziel hinausschießen. Seine Verdienste und die seiner Familie deshalb beiseite lassend, werde ich nur darauf eingehen, was hier auf keinen Fall verschwiegen werden kann und darf, will ich dem Wahren, von dem alle Geschichte abhängt, nicht Unrecht tun.
Der Maler Lazzaro Vasari aus Arezzo also war ein sehr guter Freund von Piero della Francesca3 aus Borgo San Sepolcro, mit dem er sich regelmäßig traf, als jener, wie gesagt, in Arezzo arbeitete. Wie so häufig brachte ihm diese Freundschaft nur Vorteile, denn wo Lazzaro zuvor getreu dem damaligen Brauch in diversen Werken ausschließlich kleine Figuren ausführte, begann er durch Piero della Francesca sich auch größeren Werken zuzuwenden. Sein erstes Werk in Fresko war ein Heiliger Vinzenz in San Domenico in Arezzo, in der zweiten Kapelle linker Hand vom Eingang der Kirche, zu Füßen desselben er sich zusammen mit seinem jugendlichen Sohn Giorgio4 in ehrbaren Gewändern aus jener Epoche auf Knien malte, wie sie sich jenem Heiligen anempfehlen, weil der Jüngling sich aus Unachtsamkeit mit einem Messer im Gesicht verletzt hat. Auch wenn sich keinerlei Inschrift darauf findet, bestätigten doch die Erinnerungen der Alten in unserer Familie und der Umstand, daß es das Wappen der Vasari trägt, den allgemeinen Glauben, daß es sich um ein Werk von ihm handelt. Davon muß es in jenem Konvent zweifellos Aufzeichnungen gegeben haben, weil aber ihre schriftlichen Zeugnisse und alles andere immer wieder von Soldaten zerstört worden sind, wundere ich mich nicht [über ihr Fehlen].5 Lazzaros Stil ähnelte dem von Pietro Borghese [Piero della Francesca] so sehr, daß zwischen dem einen und dem anderen kaum ein Unterschied zu bemerken war.6 Zu seiner Zeit war es üblich, die Harnische der Pferde mit verschiedenen Dingen und auch mit Wappenelementen zu bemalen, die jene, die sie trugen, auswiesen. Darin war Lazzaro ein vorzüglicher Meister, vor allem weil es ihm lag, mit großer Anmut kleine Figuren zu malen, die sich auf solchen Harnischen sehr gut ausnahmen.7 Lazzaro gestaltete für Niccolò Picci[ni]no8 und seine Soldaten und Hauptleute viele mit Szenen und Impresen angefüllte Werke, die jene in Ehren hielten und ihm so viel einbrachten, daß es ihm der daraus gewonnene Erlös ermöglichte, die meisten seiner Brüder wieder nach Arezzo zu holen, die in Cortona lebten und dort der Herstellung irdener Vasen nachgingen. Ebenfalls aus Cortona holte er seinen Neffen Luca Signorelli zu sich, den Sohn seiner Schwester, der eine schöne Begabung besaß und den er deshalb bei Pietro Borghese unterbrachte, damit er die Kunst der Malerei erlernen würde, was ihm ganz ausgezeichnet gelang, wie an entsprechender Stelle zu berichten sein wird.9Lazzaro selbst widmete sich unaufhörlich dem Studium der Kunst und wurde mit jedem Tag vortrefflicher, wie einige sehr gute Zeichnungen von seiner Hand bezeugen, die in unserem libro sind.10 Und weil er großen Gefallen an natürlichen Effekten und [der Darstellung von] Gefühlszuständen hatte und daher das Weinen, Lachen, Schreien, die Angst, das Zittern und Vergleichbares mehr hervorragend zum Ausdruck brachte, sind seine Malereien voll mit solchen Einfällen, wie man in einer kleinen Kapelle in San Gimignano in Arezzo sehen kann, die von seiner Hand freskiert ist; dort ist ein gekreuzigter Jesus und zu Füßen des Kreuzes die Madonna, der Heilige Johannes und Magdalena