Debütantenball. Michaela Baumgartner

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Debütantenball - Michaela Baumgartner

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immer so schweigsam?«, fragte er.

      Sie lächelte sanft. »Ja, reden tun eh die anderen. Ich hör lieber zu.«

      Zufrieden ließ Stanislaus den Blick über sie gleiten. Wie hatte er die Stanzi bloß hübscher finden können als sie? Diese Mitzi hatte etwas Besonderes, stellte er fest. Und sofort überkam ihn die Lust, sich ihrer geschickten Lippen wieder zu bemächtigen. Bereitwillig erwiderte sie seinen Kuss.

      »Na, hörts ihr auf jetzt!«, drang die Stimme seines Freundes an sein Ohr. »Wir wollen Wein bestellen, und wenn ihr euch weiter so aufführts, traut sich die dralle Magd hier gar nicht mehr an unseren Tisch.«

      Verlegen lösten sie sich voneinander.

      »Recht so!«, nickte Georg. »Der Abend ist noch lang, dazu habt ihr später genug Zeit. Was sagst, Stanzi, wollen wir tanzen?« Soeben hatten ein paar kräftige Männer Tische zur Seite gerückt, um Platz für die Tanzenden zu schaffen.

      Begeistert hüpfte das Mädchen auf. »Ja, lass uns tanzen. Diesen neuen, den du so gut kannst, und von dem mir immer schwindlig wird, ich glaub, jetzt spielen sie ihn gerade …«

      »Musst denn du ständig so viel reden?«, schalt Georg sie lachend und zog sie hinter sich her.

      Stanislaus sah Mitzi fragend an. Die nickte. Zögernd stand er auf. Ein wenig neidisch beobachtete er Georg, der Stanzi derart virtuos über die Tanzfläche bewegte, dass ihre schwarzen Locken nur so flogen. Doch schon presste Mitzi ihren Körper ungeniert an seinen und plötzlich war ihm alles andere egal. Sie passte sich seinem Rhythmus derart geschickt an, dass sich seine Unsicherheit in Luft auflöste.

      Völlig außer Atem fanden sie sich nach einem ausgelassenen Galopp am Tisch wieder, um ihren Durst mit Wein zu löschen.

      »Ich wusste gar nicht, dass du so ein passabler Tänzer bist.« Georg prostete ihm zu.

      »Ich auch nicht«, grinste Stanislaus und drückte Mitzi fest an sich.

      »Schau, schau«, feixte Georg. »Das kann ja noch was werden mit euch beiden.«

      »Pass auf, Mitzi, dass er dir nicht die Ehr raubt«, ermahnte Stanzi ihre Freundin mit ernster Miene, der jedoch das Zucken um ihre Mundwinkel nicht entging.

      »Bei meiner Ehr«, konterte sie, »so gern hätt ich meine Ehr noch niemandem geschenkt.«

      Stanislaus verschluckte sich beinahe. So viel Schlagfertigkeit hatte er seiner schweigsamen Begleiterin gar nicht zugetraut. Doch als er in ihre Augen blickte, wusste er, dass es ihr heiliger Ernst zu sein schien.

      »Kinder, nicht so schnell«, rief Georg, »ein paar Glaserl Wein trink ma schon noch, dann macht’s umso mehr Spaß!« Übermütig drückte er Stanzi einen Kuss auf die Lippen.

      Stunden später, die Sonne warf ihre ersten Strahlen durch die kleinen Fenster, suchten sie in der schmucklosen Kammer der Mädchen ihre Kleider zusammen.

      »Sind sie nicht herzig?«, raunte Georg Stanislaus zu. Mit gemischten Gefühlen betrachtete Stani die beiden, die eng aneinander gekuschelt friedlich schliefen.

      Leise schlichen sie die schmale Holztreppe hinunter.

      »Ist das recht, was wir getan haben?«, fragte Stanislaus, wohl mehr sich selbst als seinen Freund.

      »Ah geh, Stani, zerbrich dir nicht den Kopf. Die machen das gern. Und irgendwann werden sie einen braven Mann heiraten, Kinder kriegen und sich voller Stolz an uns erinnern. Glaub mir, das Leben ist nicht kompliziert, solange jeder weiß, wo er steht.« Georg drehte sich zu ihm um. »Mach nicht den Fehler und verlieb dich in so eine.«

      Stanislaus zuckte unschlüssig die Achseln.

      Da packte Georg ihn hart an der Schulter. »Hast g’hört! Ich mein’s nur gut mit dem Mädel. Wenn du sie spüren lässt, dass du sie wirklich gernhast, machst sie unglücklich. Hast mich verstanden?«

      Stanislaus nickte. Nachdenklich folgte er seinem Freund durch die erwachende Stadt. Obwohl es ein herrlicher Tag zu werden versprach, wollte sich die dazu passende Hochstimmung nicht einstellen.

      *

      Sie lehnte ihren Kopf zurück. Das Schaukeln der Kutsche beruhigte sie. Sophie liebte den neuen Landauer, den ihr Vater vor Kurzem für die Familie erworben hatte. Den ganzen Sommer über hatte sie mit offenem Verdeck fahren können, was sie die regelmäßigen Besuche bei ihrer Tante Louise noch intensiver hatte genießen lassen. Mama hatte Papa – wie konnte es anders sein – wegen dieser enormen Ausgabe gescholten. Die Kutsche sei nicht nur zu groß für die ohnehin beschränkten Stellplätze des Stadthauses, sondern auch viel zu teuer. Außerdem würden sie, seit er in Diensten des Obersthofmeisters, des Fürsten von Trauttmansdorff, stand, ohnehin nie mehr verreisen. Papa jedoch hatte ihre Argumente lachend vom Tisch gewischt, sie auf die Wange geküsst und ihr versprochen, sie in Kürze zu einer Reise nach Prag zu entführen. Mamas Augen hatten geleuchtet und Papa hatte sein Versprechen tatsächlich wahr gemacht. Seither stand der Landauer zu Sophies alleiniger Verfügung. Da Papa von seinen Geschäften beinahe rund um die Uhr okkupiert wurde, benutzte er die Hofequipagen, Georg fand Kutschenfahrten generell unter seiner Würde – außer an der Seite seiner jeweils aktuellen Herzdame natürlich –, und Mama ging so gut wie nie mehr aus.

      Sophie zog den Schal fester um ihre Schultern. Es war erst Oktober, aber trotz des sonnigen Wetters und des geschlossenen Verdecks fröstelte sie. Wieder zog sie den zerknitterten Brief aus ihrem Retikül. Hoffentlich war Tante Louise zu Hause. Es war Dienstag und Sophie kam unangemeldet. Doch sie musste sie sprechen. Und zwar dringend.

      »Dorothea, wir sind da«, weckte sie ihre Begleitung lautstark aus deren kurzen, aber geräuschvollen Schlummer. Sophie seufzte. Warum nur bestand Mama hartnäckig darauf, dass sie auf jedem ihrer Wege, und mochte er auch noch so kurz sein, das in die Jahre gekommene Dienstmädchen mitschleppte? Dorothea war beinahe taub, ihre gichtigen Knochen schmerzten, jedes Rumpeln der Kutsche entlockte ihr ein Stöhnen. Doch Mama blieb unerbittlich. Niemals, niemals!, würde sie zulassen, dass ihre Tochter sich ohne Anstandsdame außer Haus begab. Im Haushalt war Dorothea so gut wie gar nicht mehr zu gebrauchen, weshalb Sophie den Verdacht hegte, dass es ihrer Mutter weniger um den makellosen Ruf ihrer Tochter ging als um ihr teures Porzellan und sie deshalb die gute Seele lieber mit Sophie auf den Weg schickte.

      Dorothea fuhr hoch. Ihre Haube war verrutscht und bedeckte das halbe Gesicht. Sanft rückte Sophie das Spitzenhäubchen gerade. Seit sie denken konnte, hatte Dorothea in ihrem Haushalt gelebt. Sie mochte sie sehr. Dennoch, manchmal hatte sie das Gefühl, dass eher sie auf ihre Begleiterin aufpasste als umgekehrt.

      »Wir sind da!«

      »Schon?«

      Statt einer Antwort schubste Sophie sie ungeduldig zur Tür, die der Kutscher in diesem Moment öffnete. Als auch Sophie ausgestiegen war, blickte sie sich um. Der Pferdeknecht führte die beiden Braunen, die Tante Louise in der Regel für ihre Ausfahrten vorspannen ließ, gerade zu den Stallungen. Gut. Sophie seufzte erleichtert. Sie war also zu Hause.

      »Begleite Dorothea in die Küche, Josef. Es wird nicht allzu lange dauern.«

      Der Kutscher nickte und sah Sophie kopfschüttelnd nach, die, ohne eine Antwort abzuwarten, ins Haus stürmte.

      »Gott sei Dank, Ihr seid da!« Völlig außer Atem betrat Sophie den Salon ihrer Tante.

      »Guten

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