Die Begine und der Siechenmeister. Silvia Stolzenburg

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Die Begine und der Siechenmeister - Silvia Stolzenburg

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du die anderen Ratsmitglieder?«, war die Gegenfrage.

      Anna schüttelte den Kopf. »Nur einige wenige. Ich verkehre nicht in diesen Kreisen.«

      »Aber du hast doch bestimmt jemanden, den du fragen könntest«, beharrte Gertrud.

      »Weshalb?«

      »Vielleicht ist es nicht wichtig«, wiegelte sie ab. »Aber falls der Herr mich zu sich nimmt …«

      »Du wirst nicht sterben!« Anna griff nach ihrer Hand. Sie war heiß und feucht. »Wir kümmern uns um dich!«

      Gertrud lächelte traurig. »Die Wege des Herrn sind unergründlich«, murmelte sie.

      »Soll ich jemandem eine Nachricht von dir überbringen?«, bot Anna an.

      Gertrud überlegte einen Augenblick, ehe sie verneinte. »Aber du könntest mir dennoch einen Gefallen tun.«

      Anna sah sie fragend an.

      »Frag nach Magnus Ungelter«, bat Gertrud.

      »Wer ist das?«

      »Ein Ratsherr.«

      »Soll ich ihn zu dir bringen?«

      »Nein!« Gertrud schüttelte heftig den Kopf. »Ich will nur wissen, wie es ihm geht.«

      Anna runzelte die Stirn. »Ist er ein Verwandter von dir? Dein Bruder?«

      Gertrud schwieg. »Tust du mir den Gefallen?«

      Anna nickte.

      »Er darf aber auf keinen Fall wissen, wer sich nach ihm erkundigt!« Etwas, das Anna nicht genau benennen konnte, schwang in ihrer Stimme mit. »Versprichst du mir das?«

      Obwohl Anna sich nicht sicher war, ob es klug war, so etwas zu versprechen, tat sie, was von ihr verlangt wurde. Hoffentlich brachte sie sich damit nicht erneut in Schwierigkeiten!

      Kapitel 12

      Am nächsten Morgen ging es Gertrud schlechter. Das Fieber brannte so heftig in ihr, dass sie kaum bei Besinnung war. Die Wunde unter ihren Rippen hatte sich entzündet, die Ränder waren flammend rot und eitrig.

      »Sie muss ins Spital«, sagte die Meisterin, nachdem Anna sie in die Herberge gerufen hatte. »Hier können wir sie nicht behandeln.« Sie schob das feuchte Haar zurück und fasste Gertrud an die Stirn. »Sie glüht.«

      »Wir könnten den Wundarzt rufen«, schlug Anna vor. »Sie ist zu schwach, um zu gehen.«

      »Sie wird nicht gehen müssen. Wir legen sie auf einen der Karren«, entgegnete die Meisterin. »Es wird Gerede geben, wenn wir sie nicht ins Spital bringen.«

      Anna verstand. Gerede war das letzte, das die Beginensammlung brauchen konnte, nachdem ihre Feinde im Rat nur mit Mühe zum Schweigen gebracht worden waren. Jetzt, wo dieser grässliche Johannes den Posten des zweiten Bürgermeisters bekleidete, war die Gefahr vermutlich noch größer als zuvor. Auch wenn sie hoffte, dass die Ereignisse der Vergangenheit sie nicht einholen würden, war sie sich insgeheim sicher, dass Johannes auf Rache sann. Er war ein bösartiger, gefährlicher Mann, den man nicht unterschätzen durfte.

      »Hilf mir, sie anzuziehen«, bat die Meisterin. Sobald Gertrud bekleidet war, wurden zwei Knechte gerufen, welche die Kranke auf eine Trage legten und zu einem der Karren brachten. »Bleib bei ihr auf der Pritsche«, trug die Meisterin Anna auf. Dann sah sie dem Fuhrwerk nach, bis es das Tor des Beginenhofes erreicht hatte.

      Die Fahrt zum Spital erschien Anna länger, als wenn sie den Weg zu Fuß zurücklegte. Bei jedem Holpern, jedem Rumpeln gab Gertrud ein Stöhnen von sich, schien jedoch zu schwach zu sein, um die Augen zu öffnen. Wie am Vortag hing der Nebel dicht zwischen den Häusern und verwischte alle Konturen. Die unheimliche Entdeckung auf der Ziegenweide und ein unbestimmtes Gefühl der Bedrohung taten ihr Übriges, um Anna schaudern zu lassen. Nach ihrer Ankunft in der Beginensammlung hatte sie wegen Gertrud den Kopf des toten Kindes beinahe vergessen. In der Nacht waren die Gedanken daran jedoch zurückgekehrt und hatten ihr den Schlaf geraubt. Wer tat so etwas Furchtbares? Was für einen Grund gab es für einen solchen Mord? War es überhaupt ein Mord? Oder hatte eine Mutter ihr totes Kind irgendwo abgelegt und Tiere hatten den Leichnam zerfetzt?

      Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, schalt sie sich wieder einmal und ließ den Blick zurück zu Gertruds bleichem Gesicht wandern. Auch wenn ihre Haut fleckig war, konnte man bei genauer Betrachtung erkennen, wie schön sie einmal gewesen sein musste. Wie alt sie wohl war?

      »Wir sind da!«, riss der Lenker des Wagens sie aus den Gedanken.

      Der Beschließer vertrat ihm den Weg.

      Anna kletterte von der Pritsche. »Wir bringen eine Kranke«, erklärte sie. »Der Wundarzt muss sich ihre Wunde ansehen.«

      Der Beschließer nickte und öffnete das große Tor, damit der Karren in den Hof fahren konnte. Vor der Dürftigenstube angekommen, holte Anna Hilfe und ließ Gertrud zu einem freien Lager bringen. Im Anschluss daran machte sie sich auf die Suche nach dem Wundarzt.

      »Er ist nicht da«, ließ sie eine der Mägde wissen. »Vielleicht kommt er heute gar nicht.«

      »Wieso?«

      »Er soll dem Henker bei einer Leichenschau helfen. Hast du es nicht gehört?«

      Anna heuchelte Unwissenheit.

      »Der Leibhaftige hat ein Neugeborenes aus dem Leib seiner Mutter gestohlen und es in der Mitte zerrissen.« Sie bekreuzigte sich. »Der Herr sei seiner armen Seele gnädig.« Sie ließ Anna stehen und eilte in eine der Badestuben, aus der kurz darauf ein Klappern erklang.

      Anna biss sich auf die Lippe. Gertrud brauchte dringend Hilfe, sie konnte nicht warten, bis der Wundarzt von der Leichenschau zurückkehrte. Wenn sich ihr Zustand weiter verschlechterte, starb sie. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach Lazarus zu machen.

      Sie fand ihn am Lager einer alten Frau, deren ganzes Gesicht von eiternden Geschwüren entstellt war. Er redete ihr gut zu, bestrich die Pusteln mit einer Salbe und sprach ein Gebet über ihr. Als er Anna kommen sah, richtete er sich hastig auf und machte Anstalten, ihr auszuweichen.

      »Bruder Lazarus!«, rief sie.

      Er hielt in der Bewegung inne und wandte sich widerwillig zu ihr um.

      Die Worte, die er ihr bei ihrer letzten Begegnung ins Gesicht geschleudert hatte, hallten in ihrem Kopf nach.

      »Dein Verlangen ist sündig. Tu Buße!«, hatte er ihr geraten. Das war leichter gesagt als getan, denn jedes Mal, wenn sie ihm in die Augen sah, regte sich etwas in ihr, das sich nicht unterdrücken ließ.

      Auch ihm war anzusehen, dass ihr Anblick ihn aufwühlte. Allerdings biss er die Zähne aufeinander, reckte das Kinn und fragte kühl: »Was gibt es?«

      Zu Annas Verdruss zitterte ihre Unterlippe. »Du musst nach einer Kranken sehen«, bat sie, um eine feste Stimme bemüht. »Eigentlich sollte sich der Wundarzt um sie kümmern, aber er ist bei einer Leichenschau.«

      »Davon habe ich gehört«, gab Lazarus zurück.

      »Wenn

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