Die Begine und der Siechenmeister. Silvia Stolzenburg
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Читать онлайн книгу Die Begine und der Siechenmeister - Silvia Stolzenburg страница 11
»Woher willst du das wissen?«
»Wenn schon Schelmbein und Armsünderschmalz zauberkräftig sind …« Die Frau, die gesprochen hatte, bekreuzigte sich.
Anna runzelte die Stirn. Worum ging es? Als Schelmbein bezeichnete man die Knochen eines Hingerichteten, als Armsünderschmalz sein Fett. Diese Arme-Leute-Reliquien galten vielen Abergläubischen als heil- und zauberkräftig. Ein Diebesdaumen sollte gar Glück im Spiel bringen.
»Auf welcher Wiese war es denn?«, fragte ein Knecht, der sich zu der Gruppe gesellt hatte. »Ich will mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass du uns nicht zum Narren hältst.«
»Willst du behaupten, ich würde lügen?«, empörte sich der Mann in der Mitte.
Der Knecht schnaubte. »Du bist ein Wichtigtuer, das wissen wir alle.«
»Dann geh selbst zur Ziegenweide«, war die Antwort. »Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich gelogen habe.«
»Was soll das?«, ertönte die Stimme des Spitalmeisters, der mit wehendem Gewand auf die Gruppe zukam. »Was steht ihr hier rum und tratscht. Macht, dass ihr in die Kirche kommt!«
Anna beeilte sich, hinter eines der Fuhrwerke zu treten, damit der Magister Hospitalis sie nicht sehen konnte. Sie war ihm ohnehin ein Dorn im Auge, weil ihr Bruder, der Spitalpfleger, die Ordensbrüder zu immer mehr Sparsamkeit antrieb. Seit das Spital dem Rat unterstand, stritten die beiden regelmäßig wie zwei Kampfhähne. Sie beschloss, sich nach dem Stundengebet weiter umzuhören. Was der Mann erzählt hatte, klang erschreckend. Sie hoffte inständig, dass nicht schon wieder ein Mörder in der Stadt umging.
Kapitel 10
»Ich brauche Eure Hilfe!«
Johannes Schad, der zweite Bürgermeister der Stadt, musterte seinen Besucher mit hochgezogenen Brauen. Er saß in seinem Kontor und war dabei, sich einen Überblick über die Geldanlagen seines Vaters zu verschaffen. Seit er dafür gesorgt hatte, dass der verrückte Alte in ein Narrenhäuslein gesteckt worden war, hatte sich Johannes’ Besitz mehr als verdoppelt. Vieles steckte in Edelsteinen, Silbergeschirr und Häusern, er hatte bisher keine vollständige Liste des Grundbesitzes seines Vaters aufgestellt. Außerdem war er an einer Saline und der Silbergewinnung in Böhmen beteiligt. Hinzu kamen einige Verkaufsstände auf dem städtischen Markt, ein Schlachthaus, eine Mühle und eine Schmiede, die sein Vater vor einigen Jahren erstanden hatte.
Ärgerlich über die Unterbrechung legte Johannes den Federkiel beiseite und zeigte auf einen Sessel gegenüber seines Schreibtisches. Sein Besucher war ein Ratsherr, der vor einem Jahr zurück nach Ulm gezogen war.
»Es geht um meine … eine Frau«, sagte der Mann.
Johannes lächelte dünn. »Seid Ihr Eurer schon überdrüssig? Ihr habt sie doch erst vor Kurzem geheiratet.«
»Nein, nein.« Der Besucher schüttelte den Kopf. »Sie … Es ist …«, stammelte er.
Johannes lehnte sich zurück und verschränkte die Hände vor dem Bauch. Der Kerl war aufgeregt wie eine Jungfrau vor der Hochzeitsnacht. Auch wenn ihm der Besuch ungelegen kam, konnte er ihn zu seinem Vorteil nutzen. Es gab noch immer einige Mitglieder im Rat, die ihn voller Misstrauen beäugten. Die Anschuldigungen dieser verdammten Anna Ehinger und des Pfaffen waren nicht bei allen auf taube Ohren gestoßen. Hätte sein Prokurator nicht dafür gesorgt, dass die Anklage gegen ihn und seinen Vater fallengelassen worden war, säße er jetzt nicht in seinem Kontor. Obwohl er versuchte, sich zusammenzureißen, trieb ihm die Wut auf diese vermaledeite kleine Hure das Blut in die Wangen. Wenn sie dachte, dass sie ungeschoren davonkommen würde, irrten sie und ihr Bruder Jakob sich gewaltig. Dieser Mistkerl machte im Rat immer wieder Stimmung gegen Johannes, aber als zweiter Bürgermeister saß er am längeren Hebel. Wenn die Ehingers nicht aufpassten, war ihre Zeit als eine der angesehensten Familien der Stadt bald vorbei! »Warum kommt Ihr zu mir?«, fragte er.
Der Ratsherr sah ihn an und schien nach einer passenden Antwort zu suchen.
Johannes begriff. Er hatte all die Gerüchte gehört, das Gerede, dass vielleicht doch etwas dran war an den Anschuldigungen gegen ihn und seinen Vater. Eine Verurteilung hatte er abwenden können, aber gegen das Geschwätz der Ulmer konnte er nichts ausrichten.
»Ich habe gehört, dass Ihr Leute kennt, die …«
»Die was?«
»Die Arbeiten verrichten, die etwas schmutziger sind.«
Johannes lachte. »Ihr braucht einen gewissenlosen Handlanger? Wofür?«
»Nicht für das, was Ihr denkt!«, beeilte sich sein Besucher zu sagen. »Ich muss etwas herausfinden. Und dafür brauche ich einen verschwiegenen Mann.«
»Da kann ich Euch nicht helfen«, erwiderte Johannes kühl. Er würde den Teufel tun und einem Kerl, den er kaum kannte, einen Rat geben, der am Ende gegen ihn verwendet werden könnte.
»Ich benötige nur eine Information über jemanden.«
»Über eine Frau?«
Der Ratsherr nickte.
»Wo ist sie?«
»Im Beginenhof.«
Jakob horchte auf. »Sie ist eine von diesen gottlosen Weibern?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Sie hat dort in der Herberge Unterschlupf gefunden.«
»Warum interessiert Ihr Euch für sie?«
»Das ist eine Sache, die nur mich und Gott etwas angeht.«
»Dann kann ich Euch leider nicht helfen.« Johannes erhob sich und bedeutete seinem Besucher, dass die Unterredung beendet war. Wenn der Kerl ihm nicht traute, gab es für ihn keinen Grund, ihm zu helfen. Zwar war die Vorstellung, den Beginen auf irgendeine Art und Weise schaden zu können, verlockend, aber er würde ganz gewiss nichts tun, das ihn selbst in Schwierigkeiten bringen konnte.
»Wartet!« Der Ratsherr hob bittend die Hände. »Schwört, dass Ihr nichts von dem verraten werdet, was ich Euch jetzt anvertraue!«
Johannes überlegte nicht lange. Geheimnisse waren mehr wert als Gold. Wer das Geheimnis eines anderen kannte, hatte diesen in der Hand. Ob der Narr wusste, was er tat? Er hob die Hand und sagte: »Ich schwöre, bei Gott und allen Heiligen.«
»Dann hört gut zu.«
Kapitel 11
Als sich der lange Tag im Spital endlich dem Ende neigte, war Anna so erschöpft wie lange nicht mehr. Der Tod des Knaben, das Leiden des Amputierten, das besessene Kind und die Begegnung mit Lazarus hatten sie ausgelaugt. Sie fühlte sich innerlich leer und war froh, als es endlich Zeit war, das Spital zu verlassen. Die Dämmerung zog bereits am Horizont auf und brachte die Nebelschwaden zurück, als sie sich dem Tor näherte.
»Hier kannst du nicht durch«, ließ sie der Beschließer wissen.
Ein Fuhrwerk versperrte den Weg.
»Geh hinten raus!«
Wenig