Die Begine und der Siechenmeister. Silvia Stolzenburg

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Die Begine und der Siechenmeister - Silvia Stolzenburg

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Er errötete leicht, senkte den Blick und klammerte sich an seinem Kruzifix fest.

      »Ich hatte Angst um dich«, gestand Anna. »Ich habe befürchtet, dass man dich meinetwegen bestrafen würde.«

      »Es war nicht deine Schuld.«

      »Doch, das war es.«

      Er hob den Kopf und sah ihr kurz in die Augen, dann wandte er den Blick hastig wieder ab. »Ich habe mich auf den falschen Pfad begeben. Das wird nicht wieder passieren.«

      Die Worte schmerzten mehr, als Schläge es getan hätten. Was war mit der Ehrlichkeit, der Nähe, die sie geteilt hatten. Sie erinnerte sich an den Moment, in dem Lazarus sie vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Wie zwei Ertrinkende hatten sie sich aneinandergeklammert und Lazarus hatte sein Gesicht in ihrem Haar vergraben. Außerdem war da der Kuss … Sie schluckte die Tränen, die in ihr aufstiegen, und war froh, dass sie den Säugling im Arm hatte. Sonst wäre sie vielleicht der Versuchung erlegen, etwas Dummes zu tun.

      »Du bist eine Begine, ich bin ein Bruder des Heilig-Geist-Ordens«, fuhr Lazarus fort. »Unser Leben gehört Gott.« Er schluckte.

      »Aber du könntest um Entlassung bitten«, platzte es aus Anna heraus, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte.

      »Einem solchen Gesuch ist bis jetzt nie stattgegeben worden«, erwiderte Lazarus. »Ich kann den Orden nicht verlassen. Das wäre ein Bruch meines Gelübdes, eine Sünde und ein Verbrechen! Verstehst du das denn nicht?« Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. »Du bist eine Begine. Du kannst jederzeit aus der Sammlung austreten. Warum heiratest du nicht einen netten Patriziersohn? Dein Bruder wäre vermutlich glücklich darüber.«

      »Ich will keinen Patriziersohn!«, erwiderte Anna hitzig. »Ich …«

      »Sag es nicht!«, unterbrach Lazarus sie. »Dein Verlangen ist sündig. Tu Buße!« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte aus der Badestube.

      Anna sah ihm wie vom Donner gerührt hinterher, sie war fassungslos.

      Kapitel 8

      Der Spielmann Gallus setzte seine Kappe auf, strich die zwei roten Federn darauf glatt und sah an sich hinab. Er steckte in der bunten Tracht des Stadtpfeifers, die ihn mit Stolz erfüllte, und war auf dem Weg zu einer Hochzeit, auf der er spielen sollte. Braut und Bräutigam entstammten dem Patriziat der Stadt, weshalb Gallus hoffte, dass für ihn und die anderen Musikanten ein paar Leckerbissen abfallen würden. Obwohl er einen ordentlichen Lohn erhielt, lag der Traum vom großen Geld in weiter Ferne. Doch er war nicht bereit, ihn völlig aufzugeben. In dieser Stadt wimmelte es von reichen, einfältigen Gecken, denen man das Geld beim Glücksspiel aus der Tasche ziehen konnte. Ein paar gezinkte Karten hier, falsche Würfel da, schon wurde aus seinem bescheidenen Einkommen ein kleines Vermögen.

      Nach einem letzten Blick auf seine gestreifte Hose verließ er sein kleines sauberes Zimmer und machte sich auf den Weg zu dem prächtigen Haus des Bräutigams. Dort stand bereits eine lange Schlange von Kutschen und im großen Hof des Anwesens wimmelte von herausgeputzten Besuchern.

      »Musikanten müssen hinten rein!«, herrschte ihn ein Knecht an, als er durch das offene Tor spazieren wollte. »Da lang!« Er zeigte auf eine kleinere Tür in der Mauer.

      Gallus verkniff sich eine giftige Bemerkung, weil er sich keinen Ärger mit dem aufgeblasenen Kerl einhandeln wollte, und tat wie geheißen. Sobald er den Hinterhof betreten hatte, wurde er von einem Bediensteten in schwarzer Tracht empfangen, der ihn eine kleine Treppe hinaufführte. Im zweiten Obergeschoss angekommen, ging es in einen riesigen getäfelten Raum, in dem sich eine lange Tafel befand. Das Licht der Sonne, die inzwischen den dichten Nebel vertrieben hatte, fiel durch Buntglasscheiben auf einen Fliesenboden, der auf Hochglanz poliert war. Trotz der Jahreszeit standen Vasen mit frischen Blumen auf dem Tisch und Kränze waren in regelmäßigen Abständen an der einzigen weiß getünchten Wand befestigt worden. Von der Decke hing ein gewaltiger Kerzenleuchter.

      »Stellt euch dort in die Nische!«, befahl der Bedienstete Gallus und zwei weiteren Spielleuten, die bereits im Raum warteten. »Man soll euch hören, aber nicht sehen.«

      Gallus verzog das Gesicht. Wofür hielt sich der Kerl? Er war auch nichts Besseres als er und die beiden Lautenschläger, die ihn von oben bis unten musterten.

      »Bist du der Stadtpfeifer?«, fragte einer von ihnen.

      Gallus nickte.

      »Ein gutes Auskommen«, brummte der zweite. »Besser, als von der Hand in den Mund zu leben.«

      Gallus schluckte die Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, da es keinen der beiden etwas anging, wie er früher gelebt hatte. Es war noch nicht lange her, dass er versucht hatte, sich durch Erpressung ein Zubrot zu verdienen. Dass ihn diese Eselei fast das Leben gekostet hatte, versuchte er jeden Tag aufs Neue zu vergessen.

      »Seid still und fangt an zu spielen!«, herrschte der Bedienstete ihn an. »Die hohen Herrschaften kommen!«

      Gallus und die anderen zogen sich in die Nische zurück und schlugen eine heitere Weise an, während der Bräutigam und die Braut, gefolgt von den Gästen, in den Saal einzogen. Es dauerte nicht lange, bis ein solches Durcheinander herrschte, dass man die Spielleute vor lauter Reden und dem Bellen zweier Hunde kaum hören konnte. Doch das war Gallus gleichgültig. Er verdiente an diesem Tag gutes Geld, da kratzte es ihn wenig, ob man ihm lauschte oder nicht.

      Kinder liefen durcheinander, Blüten wurden geworfen und schließlich nahmen die Gäste Platz an der Tafel. Die Tischdecken leuchteten in strahlendem Weiß, das Geschirr glänzte so, dass man sich darin spiegeln konnte. Nachdem einige Reden gehalten worden waren, die das Brautpaar priesen, begann eine Reihe von Küchenmägden, Gerichte auf riesigen Platten aufzutragen.

      Gallus traten fast die Augen aus dem Kopf, als er die in Schmalz ausgebackenen Hühner, den Speck, ein prächtiges Spanferkel und die zahllosen kleineren Gerichte sah. Innerhalb weniger Augenblicke duftete es im Raum nach teurem Pfeffer, Safran und Paradieskörnern. Außerdem brachten die Mägde Flussfische, frisch gebackenes Brot, Aniskuchen und viele andere Köstlichkeiten. Gallus lief das Wasser im Mund zusammen, was ihm das Blasen der Sackpfeife erschwerte. Während er und die Lautenschläger zu einer langsameren Melodie ansetzten, machten sich die Gäste über das Essen her, als ob sie halb verhungert wären.

      Stundenlang spielte Gallus sich die Finger und die Lippen wund, bis man ihnen endlich gestattete, in die Küche zu gehen und sich an den Resten der Tafel satt zu essen. Gierig stürzte er sich auf ein knuspriges Hühnerbein und grub die Zähne hinein.

      »Habt ihr schon gehört, was heute passiert ist?«, erkundigte sich eine der Küchenmägde.

      Gallus und die Lautenschläger sahen sie fragend an.

      »Was sollen wir gehört haben? Dass dein Herr und seine Braut sich bald die ganze Nacht vergnügen?«, scherzte einer der Lautenschläger.

      Gallus lachte und leckte sich Bratfett von den Fingern.

      Die Magd errötete. »Der schreckliche Fund«, flüsterte sie.

      »Was für ein schrecklicher Fund?«

      »Man hat etwas ganz Furchtbares in einem Futtertrog gefunden«, fuhr die Magd leise fort, da in diesem Augenblick die Köchin den Raum betrat und ihr einen finsteren Blick zuwarf.

      »Und? Was geht’s uns an?«, fragte Gallus achselzuckend.

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