Berliner Novellen. Clara Viebig

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Berliner Novellen - Clara Viebig

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– –!« Einem Echo gleich kam es von den Lippen der jungen Frau, mit einer unglaublichen Bitterkeit wiederholte sie das Wort: »Verhungern! Nein, das sollen Sie nicht!« Sie ging an ihren Schreibtisch und kramte darin. »Hier« – es waren mehrere Scheine, die sie dem Mädchen reichte – »mein Geburtstagsgeld von Mama. Mehr habe ich jetzt nicht, aber ich will Ihnen schicken, sobald Mama mir wieder etwas gibt. Sie können sich darauf verlassen. Bitte, gehn Sie jetzt, und – meinem Mann« – zögernd, fast widerwillig glitten ihr diese zwei Worte über die Lippen – »bitte, sprechen Sie nicht mit meinem Mann!«

      »Das hat ja jetzt auch jar keinen Zweck mehr. Denken Sie vielleicht, ich will ihn ausquetschen, was ’rauspressen? Ne, gnäd’ge Frau, man hat doch auch seinen Stolz; ich will nur nich verhungern mit dem Kind, bis ich wieder Stellung gefunden habe. Wär’ ich nur erst gesund!«

      Das Mädchen hustete wieder krampfhaft, in der Brust rasselte es dabei. »Ich hab’ mich erkältet im Wochenbett. – Aber, gnäd’ge Frau, ich habe Sie schon zu lange belästigt, ich danke Ihnen vielmals!«

      Sie nahm die Scheine in die linke Hand und streckte die rechte, im schäbigen Glacé mit lauter aufgeplatzten Nähten, aus. »Sie sind sehr gut, gnäd’ge Frau, ich wünsche Ihnen alles Schöne, möcht’s Ihnen immer so gut gehn! Sie haben ja auch alles, was das Herz bejehrt!«

      Wohlgefällig glitzerten die schwarzen Augen durchs Zimmer. Dann drehte die schmächtige Person mit einem Aufleuchten der Blicke die Scheine hin und her. »Ich kann das aber eigentlich doch gar nich von Ihnen annehmen, gnäd’ge Frau – so viel! Ich nehme Ihnen ja alles Geld mit!«

      Die Frau Rittmeister machte eine abwehrende Handbewegung wie: ›Nehmen Sie nur!‹ Sie hörte kaum die Dankesworte, sie neigte nur den Kopf mechanisch.

      Gott sei Dank, jetzt schloß sich die Tür, jetzt waren die schwarzen Augen fort!

      Draußen verhallende Schritte auf dem Gang, die Entreetür fiel ins Schloß.

      Wieder allein!

      Mit einem wimmernden Laut bricht die Einsame zusammen, sie kann sich nicht aufrichten, nicht rühren, nur denken – denken.

      Im Schornstein pfeift der Wind, der Regen trommelt an die Scheiben: ›Tromtromtrom, die Einzige!‹ – ›Huhuhuh, die Einzige!‹ – – –

      Mit einem Stöhnen hält sich die junge Frau die Ohren zu; sie hört es doch, sie hört es immerfort: Die Einzige, die Einzige!

      Der Sonnenbruder

      Er hielt sich vorzugsweise gern im Freien auf, vom Morgen bis Mittag, vom Mittag bis Abend, und noch länger. Auf dem Schmuckplatz vor’m Landsberger Tor, besonders in den Anlagen des Friedrichshain, war seine Heimat. Da saß er auf irgend einer Bank.

      Die Sonne meinte es gut mit ihm. Sie wärmte ihm den Rücken und schien ihm, wenn er gähnte, bis in den Magen. Behaglich streckte er die Beine weit von sich in den Sand; die Hände vergrub er in den Hosentaschen, die Mütze hatte er tief über die Augen gerückt. Man hätte ihn für eine Figur aus dem Panoptikum halten können, so unbeweglich saß er. Er lauschte dem Gesang der Vögel, die am großen Froschteich in den Büschen jubilierten.

      Gelangweilte Kindermägde, den quietschenden Sportwagen vor sich herschiebend, hellgekleidete Buben und Mädchen, mit Eimer und Schüppe vom Spielplatz kommend, eilten an ihm vorbei. Schwitzende Pfennig-Rentiers, die gern ihre Zeitung im Freien lesen, geschwätzige Zimmervermieterinnen mit schlotternden Busen und Butterstullen, magere Jungfrauen mit verputzten Bandschnippelchen und feuchtschnauzigen Hündchen, alle mieden sie die grüngestrichene Bank, wo er saß. Höchstens ein Liebespaar, das im Drange seiner Gefühle nicht wußte wohin ließ sich beim Dämmerschein des sinkenden Abends, des regungslosen Zuschauers nicht achtend, bei ihm nieder; aber da floh er indigniert und suchte dunklere Schatten.

      Der Nachttau störte ihn nicht. Den fröstelnden Schauer vertrieb er sich mit einem Schluck aus der Pulle, deren Pfropfen aus der hinteren Rocktasche ragte; nie versäumte er’s, sich die Flasche allabendlich in der nächsten Destille frisch füllen zu lassen.

      Durch fortgesetzte Übung hatte er es dahin gebracht, im Sitzen schlafen zu können, das Liegen auf der harten Bank machte die Glieder zu steif. So brauchte er in der Frühe nur die Arme einmal über den Kopf zu recken, das Maul aufzureißen, daß die junge Sonne seinen hintersten hohlen Zahn vergoldete, und er war allert, zu neuen Taten bereit. Die Vögel tirilierten in allen Büschen dem Morgen entgegen; mit einem gewissen Stolz empfand es der Frühaufsteher: er war der erste Berliner, der die liebe Sonne sah. Liebkosend fingerte sie ihm um’s stopplige Kinn.

      Menschenleer war noch der Hain, leerer als am späten Abend; keine leidigen kosenden Liebespaare, keiner, der sich mit Selbstmordabsichten hinter den Büschen am großen Teich verlor. Auch noch kein Schutzmann vigilierte – alles rein, keine blanken Knöpfe blinkerten!

      Ach ja, die Polizei, wenn die nicht wäre! Wenn’s den verdammten Kerlen einfiel, eine Razzia abzuhalten, war man selbst im Hain nicht sicher. Dann hieß es: den Harmlosen gespielt, den müden Arbeiter vorgeschwindelt, der, vom Bau kommend, auf einer Bank vom Schlummer überfallen worden war.

      Ede Papeczinski hatte eine instinktive Abneigung gegen alles, was Uniform hieß; wenn er nur eine von weitem sah, drückte er sich gleich um die nächste Ecke. Zwar fand er sich auch wohl ein, wenn die Wache am Kastanienwäldchen aufzog, oder die Truppen mit klingendem Spiel von der Parade auf dem Tempelhoferfeld durch die Friedrichstadt einmarschierten; aber es fiel ihm nicht ein sich unter die Schar der entzückten Rowdies zu mischen, die kameradschaftlich, rechts und links, in gleichem Schritt und Tritt, die Truppen geleiteten. Er kam nicht des militärischen Schauspiels wegen, nur einzig und allein um der Damen und Herren willen, die, neugierig gedrängt, auf dem Trottoir standen und so gut wie neue Taschentücher und auch Portemonnaies bei sich trugen. –

      Nun suchte die Polizei schon eine ganze Weile nach dem stellenlosen Arbeiter Eduard Papeczinski. Ein Glück, daß er das bei Zeiten erfahren! Nicht, daß er was von der Polizei zu befürchten gehabt hätte, aber –

      »Du, Ede«, hatte sein Freund, der Schnaps-Willem, gesagt, mit dem er öfters beim Gläschen zusammen gekommen und der ihn jetzt höchst geheimnisvoll auf einer Bank des Friedrichhains aufsuchte, »du, Ede, se suchen dir! In de Penne haben se schonst zweemal nach der jefragt. De sollst ieben, sagen se, irjendwo wärtser in irjend so’n Lausenest, ieben wie jeder Mutter Sohn. Jriffe kloppen, mit de Beene strampeln un – puff, vorbeischießen, det et knallt.«

      Schnaps-Willem schnitt eine Grimasse: »Det wäre nischt vor mir, jut, det ik aus de Jahre ’raus bin! Aberst du, junges Huhn, du wirst der janz schneidig machen in de Uhneform. Haste die an’n Leibe, stellste ooch wat vor. Denn biste nobel, denn jehörste nich mehr mank de Karnallje!«

      Puh – Uniform! Ede wurde von einem Grausen geschüttelt; schon das Wort »Uniform« machte ihm Aufstoßen. Unwillkürlich drehte er den Kopf hin und her, als fühlte er bereits die lästig würgende Binde am Halse. Au, und die Kommißstiefel drückten! Er war jetzt an Laatschen gewöhnt. Voller Entsetzen gedachte er seiner Militärzeit, der ganzen Drillerei für nichts und wieder nichts, der Märsche im Laufschritt, des Putzens des Schießprügels und der vielen Knöpfe. Aber da war er wenigstens doch noch ein paar Jahr jünger gewesen, schlanker in der Taille und behender auf den Beinen. Jetzt, seit dem Frühjahr, seitdem er nicht mehr bloß wochenweise, nein, gänzlich die Arbeit eingestellt, hatte er sehr an Embonpoint zugenommen. Das Essen machte es freilich nicht – das hatte er sich fast abgewöhnt – aber die Sonne nährte ihren Mann. Auf der märkischen Heide gab’s keine grüngestrichenen Bänke, auf denen man in beschaulicher Ruhe sich die Sonne in den Magen scheinen lassen konnte.

      »

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