Hannover sehen und sterben. Thorsten Sueße
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In Erinnerung an John Lennon (1940–1980),
dessen geniale künstlerische Kreativität ich immer
als Auseinandersetzung mit seiner schwierigen
Kindheit interpretiert habe.
Der Kriminalroman spielt in der Region Hannover.
Personen und Handlung sind frei erfunden, eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Geschehnissen wären rein zufällig.
Im Verlag CW Niemeyer sind bereits
folgende Bücher des Autors erschienen:
Toter Lehrer, guter Lehrer
Die Tote und der Psychiater
Schöne Frau, tote Frau
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.ddb.de © 2019 CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hameln www.niemeyer-buch.de Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: C. Riethmüller Der Umschlag verwendet Motiv(e) von 123rf.com Druck und Bindung: Nørhaven, Viborg Printed in Denmark ISBN 978-3-8271-9508-1
Thorsten Sueße
Hannover sehen
und sterben
4. Kriminalfall mit Dr. Mark Seifert
Dr. med. Thorsten Sueße, geboren 1959 in Hannover, verheiratet, zwei Kinder, wohnt seit vielen Jahren mit seiner Familie am südlichen Rand seiner Geburtsstadt. Er ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, leitet den Sozialpsychiatrischen Dienst der Region Hannover.
Bei der Darstellung der Handlung seiner Kriminalromane orientierte er sich an seinem eigenen Arbeitsalltag, der durch eine regelmäßige Zusammenarbeit mit der Polizei geprägt ist.
Der Autor veröffentlichte bisher unter anderem ein Fachbuch über die NS-„Euthanasie“ in Niedersachsen, ein Theaterstück und zahlreiche Kurzgeschichten in diversen Anthologien, außerdem schrieb er ein Drehbuch für einen Spielfilm. Als Auszeichnung für seine wissenschaftliche Dokumentation über die Tötung psychisch Kranker aus den niedersächsischen Heil- und Pflegeanstalten im Dritten Reich erhielt er (zusammen mit einem Koautor) den Dissertationspreis 1986 der Gesellschaft der Freunde der Medizinischen Hochschule Hannover.
Daneben betätigte er sich als Schauspieler, hauptsächlich im Bereich Theater, hatte aber auch Sprechrollen in Fernseh- und Kinoproduktionen.
Er ist Mitglied im Bundesverband junger Autoren und Autorinnen.
Hier gelangen Sie zur Internetseite von Thorsten Sueße: www.thorsten-suesse.de
Teil 1 Das erste Opfer des Rosenquarz-Mörders
Kapitel 1
Philipp Rathing beendete die Vorlesung seines Buches, indem er langsam den Kopf hob und für zwei Sekunden, ohne ein Wort zu sagen, den Blick durch die Reihen seiner zahlreichen Zuhörer schweifen ließ. Diese zwei Sekunden, kurz vor dem zu erwartenden Applaus, genoss er immer besonders, wenn das Publikum weiterhin an seinen Lippen hing, um sicherlich liebend gern noch die eine oder andere Passage aus seinem Roman vorgetragen zu bekommen.
Und wie jedes Mal an dieser Stelle verkündete er lakonisch, in einem gespielt belanglos klingenden Tonfall: „So, das war’s für heute Abend.“
Die Antwort war ein anhaltendes Klatschen. Philipp nickte lächelnd in die Runde. Die Autorenlesung, veranstaltet von der Buchhandlung Decius in der Celler Innenstadt, war zum Glück vollständig ausverkauft.
Es folgten die üblichen Fragen aus dem Publikum, in dem für Lesungen überdurchschnittlich viele Männer saßen – was sicherlich mit der Thematik des Romans „Hannover sehen und lieben“ zu tun hatte:
„Warum haben Sie das Thema Homosexualität in dieser ungewöhnlichen Weise behandelt? In manchen Punkten wirkt Ihre Darstellung tatsächlich missverständlich.“
„Gab es einen besonderen Grund, gerade über dieses Thema zu schreiben?“
„Halten Sie Homosexualität wirklich für psychotherapeutisch behandelbar?“
„Hatten Sie mit den schwulen Bikern oder dem Pastor vorher persönlich zu tun?“
„In der Zeitung liest man immer wieder von Anfeindungen gegen Sie und Ihren Roman. Was sagen Sie dazu? Haben Sie manchmal Angst, aus dem Haus zu gehen?“
Philipp antwortete mit wohlgesetzten, zuvor genau durchdachten Formulierungen, einem Mix aus Humor und sozialem Engagement, angelehnt an das Motto: Tu Gutes und rede darüber.
Auf das Frage-und-Antwort-Spiel folgte das Signieren der verkauften Romane. Dann die Verabschiedung mit Shakehands vom Veranstalter mit dem gegenseitigen Versprechen, beim nächsten Roman wieder für eine gemeinsame Veranstaltung in Celle zusammenzukommen. Für den Erfolgsautor aus Hannover, dessen Romane (zumindest früher) bundesweit auf der Spiegel-Bestsellerliste standen und auch schon in andere Sprachen übersetzt worden waren, gehörte Celle natürlich nicht unbedingt zu denjenigen Städten, in denen er im kommenden Herbst als Erstes sein nächstes Buch präsentieren wollte. Da hatte er Berlin, Hamburg, München oder Köln im Blick. Aber letztendlich durfte er sich nie zu schade sein, selbst in noch viel kleineren Städten als Celle aufzutreten.
Es war kurz nach 22 Uhr, als er in seinen BMW einstieg, um nach Hannover zurückzufahren. Seine gute Stimmung, gepuscht durch die gelungene Lesung, bekam einen erheblichen Dämpfer, als er sein iPhone wieder anstellte und sofort registrierte, dass ihm Melanie auf die Voice-Mailbox gequatscht hatte.
Hör ich mir ihr Gejammer jetzt an – oder erst morgen? Scheißegal, bring ich’s hinter mich.
„Das lasse ich mir nicht mehr bieten!“, tönte Melanies Stimme aus dem iPhone. „Ich will das jetzt klären. Melde dich kurzfristig!“
Das Wort „bitte“ hatte sie nicht verwendet. Er wusste, um was es ging.
Kein Bock, mir heute noch den Abend mit ihr zu versauen. Sie soll dankbar sein, dass ich überhaupt noch mit ihr und ihren Kindern Kontakt halte!
Er würde sie morgen Vormittag anrufen. Eine Strecke von vierzig Kilometern und ungefähr eine Dreiviertelstunde Fahrt lagen vor ihm. Das Gespräch mit dem Publikum in Celle ging ihm durch den Kopf.
Die meisten haben die feine Ironie meines Romans kapiert. Aber ein, zwei Hohlköpfe waren damit mal wieder überfordert. Fast wie dieser dämliche schwule Biker aus Hannover, der überhaupt nichts rafft.
Philipps Gedanken schweiften ab zu dem durchgeknallten Psycho, der den Autor in seinem eigenen Garten überfallen hatte. In seiner damaligen Verfassung war Ralf Grothe recht bedrohlich aufgetreten. Gut, dass Mark Seifert dafür gesorgt hatte, den Kerl für ein paar Wochen in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen. Inzwischen musste der Typ längst entlassen sein.
Solange