Emilia Galotti: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Gotthold Ephraim Lessing

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Emilia Galotti: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen - Gotthold Ephraim Lessing

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       DER PRINZ

      Die hier in Guastalla mit ihrer Mutter wohnet?

       MARINELLI

      Ebendie.

       DER PRINZ

      Unfern der Kirche Allerheiligen?

       MARINELLI

      Ebendie.

       DER PRINZ

      Mit einem Worte – – (indem er nach dem Porträte springt und es dem Marinelli in die Hand gibt) Da!

      – Diese? Diese Emilia Galotti? – Sprich dein verdammtes »Ebendie« noch einmal und stoß mir den Dolch ins Herz!

       MARINELLI

      Ebendie!

       DER PRINZ

      Henker! – Diese? – Diese Emilia Galotti wird heute – –

       MARINELLI

      Gräfin Appiani! – (Hier reißt der Prinz dem Marinelli das Bild wieder aus der Hand und wirft es beiseite.) Die Trauung geschiehet in der Stille, auf dem Landgute des Vaters bei Sabionetta. Gegen Mittag fahren Mutter und Tochter, der Graf und vielleicht ein paar Freunde dahin ab.

       DER PRINZ

       (der sich voll Verzweiflung in einen Stuhl wirft)

      So bin ich verloren! – So will ich nicht leben!

       MARINELLI

      Aber was ist Ihnen, gnädiger Herr?

       DER PRINZ

       (der gegen ihn wieder aufspringt)

      Verräter! – Was mir ist? – Nun ja, ich liebe sie; ich bete sie an. Mögt ihr es doch wissen! Mögt ihr es doch längst gewußt haben, alle ihr, denen ich der tollen Orsina schimpfliche Fesseln lieber ewig tragen sollte! – Nur daß Sie, Marinelli, der Sie so oft mich Ihrer innigsten Freundschaft versicherten – o ein Fürst hat keinen Freund! Kann keinen Freund haben! –, daß Sie, Sie, so treulos, so hämisch mir bis auf diesen Augenblick die Gefahr verhehlen dürfen, die meiner Liebe drohte: Wenn ich Ihnen jemals das vergebe – so werde mir meiner Sünden keine vergeben!

       MARINELLI

      Ich weiß kaum Worte zu finden, Prinz – wenn Sie mich auch dazu kommen ließen –, Ihnen mein Erstaunen zu bezeigen. – Sie lieben Emilia Galotti!

      – Schwur dann gegen Schwur: Wenn ich von dieser Liebe das geringste gewußt, das geringste vermutet habe, so möge weder Engel noch Heiliger von mir wissen! – Ebendas wollt’ ich in die Seele der Orsina schwören. Ihr Verdacht schweift auf einer ganz andern Fährte.

       DER PRINZ

      So verzeihen Sie mir, Marinelli – (indem er sich ihm in die Arme wirft) und bedaueren Sie mich.

       MARINELLI

      Nun da, Prinz! Erkennen Sie da die Frucht Ihrer Zurückhaltung! – »Fürsten haben keinen Freund! Können keinen Freund haben!« – Und die Ursache, wenn dem so ist? – Weil sie keinen haben wollen. – Heute beehren sie uns mit ihrem Vertrauen, teilen uns ihre geheimsten Wünsche mit, schließen uns ihre ganze Seele auf: und morgen sind wir ihnen wieder so fremd, als hätten sie nie ein Wort mit uns gewechselt.

       DER PRINZ

      Ah! Marinelli, wie konnt’ ich Ihnen vertrauen, was ich mir selbst kaum gestehen wollte?

       MARINELLI

      Und also wohl noch weniger der Urheberin Ihrer Qual gestanden haben?

       DER PRINZ

      Ihr? – Alle meine Mühe ist vergebens gewesen, sie ein zweites Mal zu sprechen. –

       MARINELLI

      Und das erste Mal – –

       DER PRINZ

      Sprach ich sie – – Oh, ich komme von Sinnen! Und ich soll Ihnen noch lange erzählen? – Sie sehen mich einen Raub der Wellen: Was fragen Sie viel, wie ich es geworden? Retten Sie mich, wenn Sie können: und fragen Sie dann.

       MARINELLI

      Retten? Ist da viel zu retten? – Was Sie versäumt haben, gnädiger Herr, der Emilia Galotti zu bekennen, das bekennen Sie nun der Gräfin Appiani. Waren, die man aus der ersten Hand nicht haben kann, kauft man aus der zweiten: – und solche Waren nicht selten aus der zweiten um so viel wohlfeiler.

       DER PRINZ

      Ernsthaft, Marinelli, ernsthaft, oder – –

       MARINELLI

      Freilich, auch um so viel schlechter – –

       DER PRINZ

      Sie werden unverschämt!

       MARINELLI

      Und dazu will der Graf damit aus dem Lande. – Ja, so müßte man auf etwas anders denken. –

       DER PRINZ

      Und auf was? – Liebster, bester Marinelli, denken Sie für mich. Was würden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle wären?

       MARINELLI

      Vor allen Dingen eine Kleinigkeit als eine Kleinigkeit ansehen – und mir sagen, daß ich nicht vergebens sein wolle, was ich bin – Herr!

       DER PRINZ

      Schmeicheln Sie mir nicht mit einer Gewalt, von der ich hier keinen Gebrauch absehe. – Heute, sagen Sie? schon heute?

       MARINELLI

      Erst heute – soll es geschehen. Und nur geschehenen Dingen ist nicht zu raten. – (Nach einer kurzen Überlegung.) Wollen Sie mir freie Hand lassen, Prinz?

      Wollen Sie alles genehmigen, was ich tue?

       DER PRINZ

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