Emilia Galotti: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Gotthold Ephraim Lessing
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Der Prinz. Vortrefflich! – Bringen Sie ihn zu mir heraus. Gehen Sie, eilen Sie. Ich werfe mich sogleich in den Wagen. (Marinelli geht ab.)
SIEBENTER AUFTRITT
DER PRINZ
Sogleich! sogleich! – Wo blieb es? – (Sich nach dem Porträte umsehend.) Auf der Erde? Das war zu arg! (Indem er es aufhebt.) Doch betrachten? Betrachten mag ich dich fürs erste nicht mehr. – Warum sollt’ ich mir den Pfeil noch tiefer in die Wunde drücken? (Setzt es beiseite) – Geschmachtet, geseufzet hab ich lange genug – länger als ich gesollt hätte: aber nichts getan! Und über die zärtliche Untätigkeit bei einem Haar alles verloren! – Und wenn nun doch alles verloren wäre? Wenn Marinelli nichts ausrichtete? – Warum will ich mich auch auf ihn allein verlassen? Es fällt mir ein – um diese Stunde (nach der Uhr sehend), um diese nämliche Stunde pflegt das fromme Mädchen alle Morgen bei den Dominikanern die Messe zu hören. – Wie, wenn ich sie da zu sprechen suchte? – Doch heute, heut an ihrem Hochzeittage – heute werden ihr andere Dinge am Herzen liegen als die Messe. – Indes, wer weiß? – Es ist ein Gang. – (Er klingelt, und indem er einige von den Papieren auf dem Tische hastig zusammenrafft, tritt der Kammerdiener herein.) Laßt vorfahren! – Ist noch keiner von den Räten da?
DER KAMMERDIENER.
Camillo Rota.
DER PRINZ
Er soll hereinkommen. (Der Kammerdiener geht ab.) Nur aufhalten muß er mich nicht wollen. Dasmal nicht! – Ich stehe gern seinen Bedenklichkeiten ein andermal um so viel länger zu Diensten. – Da war ja noch die Bittschrift einer Emilia Bruneschi. – (Sie suchend.) Die ist’s. – Aber, gute Bruneschi, wo deine Vorsprecherin – –
ACHTER AUFTRITT
Camillo Rota, Schriften in der Hand. Der Prinz.
DER PRINZ
Kommen Sie, Rota, kommen Sie. – Hier ist, was ich diesen Morgen erbrochen. Nicht viel Tröstliches! – Sie werden von selbst sehen, was darauf zu verfügen.
– Nehmen Sie nur.
CAMILLO ROTA
Gut, gnädiger Herr.
DER PRINZ
Noch ist hier eine Bittschrift einer Emilia Galot... Bruneschi will ich sagen. – Ich habe meine Bewilligung zwar schon beigeschrieben. Aber doch – die Sache ist keine Kleinigkeit. – Lassen Sie die Ausfertigung noch anstehen. – Oder auch nicht anstehen: wie Sie wollen.
CAMILLO ROTA
Nicht wie ich will, gnädiger Herr.
DER PRINZ
Was ist sonst? Etwas zu unterschreiben?
CAMILLO ROTA
Ein Todesurteil wäre zu unterschreiben.
DER PRINZ
Recht gern. – Nur her! Geschwind.
CAMILLO ROTA
(stutzig und den Prinzen starr ansehend) Ein Todesurteil – sagt’ ich.
DER PRINZ
Ich höre ja wohl. – Es könnte schon geschehen sein. Ich bin eilig.
CAMILLO ROTA
(seine Schriften nachsehend)
Nun hab ich es doch wohl nicht mitgenommen! – – Verzeihen Sie, gnädiger Herr. – Es kann Anstand damit haben bis morgen.
DER PRINZ
Auch das! – Packen Sie nur zusammen; ich muß fort – Morgen, Rota, ein Mehres! (Geht ab.)
CAMILLO ROTA
(den Kopf schüttelnd, indem er die Papiere zu sich nimmt und abgeht) Recht gern? – Ein Todesurteil recht gern? – Ich hätt’ es ihn in diesem Augenblicke nicht mögen unterschreiben lassen, und wenn es den Mörder meines einzigen Sohnes betroffen hätte. – Recht gern! Recht gern! – Es geht mir durch die Seele, dieses gräßliche Recht gern!
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