Heidejagd. Angela L. Forster

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Heidejagd - Angela L. Forster

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Eltern sagten, Hendrik ist ermordet worden. Ich war es nicht, sollte das der Grund Ihres Besuches sein. Ich war mit meinen Eltern zu Hause. Was nicht unbedingt ein verwendbares Alibi ist. Aber ich bin seit zwei Jahren aus der Schule. Ich hab mit Hendrik nichts mehr zu tun. Warum also sollte ich ihn umbringen?“

      „Schlechte Noten oder Streit wären da ein Motiv. Und auch nach zwei Jahren können Rachegelüste …“

      „Nein. So ein Quatsch“, unterbrach Büchner. „Ich stand in Bio auf Zwei und Streit gab es zwischen uns nicht. Er war ein super Lehrer. Ich fand ihn klasse.“

      „Marlene soll ein wenig in ihn verliebt gewesen sein. Haben Sie davon etwas mitbekommen, Herr Büchner?“, wechselte Inka das Thema.

      „Alle Mädchen standen auf Hendrik. Zumindest alle aus der Oberklasse. Und ein wenig, bei Marlene?“ Gero Büchner grinste. „Die war krass hinter Hendrik her, was ich so mitgekriegt hab.“

      „Was haben Sie mitgekriegt?“

      „Na, das mit den Einladungen nach New York, Wochenendtrips nach Rom und Paris. Marlene ist bekannt und unter unseren Kunden sind auch Schüler aus dem Gymnasium. Schräg, die Tante. Aber Geld hat sie wohl trotzdem noch genug.“

      „Wohl noch genug?“, hakte Mark nach.

      „Ja, inzwischen wird’s eng für die Westmann-Hofs. Aber auch das hab ich nur gehört. Angeblich mussten sie Insolvenz anmelden. Ihre Superklinik an der Rothenbaumchaussee läuft nicht mehr so gut, nachdem sie in den Schlagzeilen standen.“

      „Erklären Sie uns das genauer, Herr Büchner.“

      „Ein Arzt, ob der Westman-Hof oder ein anderer aus der Klinik, hat Mist gebaut. Ich hörte, es ging um eine Straffung, also eine Hodensackstraffung, damit die Dinger, na ja …“ Er zögerte kurz. „Jedenfalls soll da unten jetzt alles schief sitzen.“ Trotz des Ernstes seiner Aussage schmunzelte Büchner. „Ein Hamburger Schauspieler, den Namen hab ich vergessen, der sich in der Klinik die Nase hat richten lassen, war ebenso unzufrieden. Und einige weitere Patienten haben den Westmann-Hof auch am Wickel. Eigentlich interessiert mich das Schönheitsgelabere nicht, aber Small Talk gehört zu den Kundengesprächen. Auf jeden Fall geht es um Ärztepfusch in Folge und der hat sich herumgesprochen. Tja, nicht immer tritt Erfolg ein, nur weil man studiert hat.“

      „Mit Marlene ist es eine geschäftliche Beziehung?“

      „Richtig. Mit der eingebildeten Ziege will keiner etwas zu tun haben.“

      „Sie ist eine hübsche junge Frau. Ihr müssten doch die Jungen der Schule hinterherlaufen.“

      „Ja, das tun sie, aber nur für eine Nacht, wenn Sie verstehen.“

      Inka nickte. „Herr Büchner, noch eine Frage: Was sagt Ihnen das Zeichen der Wolfsangel?“

      „Die Wolfsangel“, Gero schnaufte und zog die Mundwinkel nach unten, „im Geschichtsunterricht hörte ich von dem Zeichen. Es wurde in der Forstwirtschaft eingesetzt. Es war ein Jagdgerät, um Wölfe zu fangen, und ist heutzutage noch auf einigen Gemeindewappen zu finden. Als Fanggerät ist es allerdings inzwischen verboten.“

      „Ging es im Unterricht auch um Fabelwesen? Werwölfe vielleicht?“

      Gero Büchner lachte auf. „Nein. Obwohl wir natürlich den ,Werwolf‘ von Hermann Löns gelesen haben. Aber da geht es ja nur um das Bauernvolk, das sich gegen die Braunschweiger, Dänen und wen immer zusammen­rottete, sich blutige Kämpfe lieferten und sich dann Werwölfe nannte, nicht um so einen Shadow-Quatsch, der im Fernsehen ausgestrahlt wird.“

      „Und die NS-Wolfsangel, wie ist es damit?“

      „Mit denen hab ich nichts am Hut“, wehrte Büchner ab.

      „Mit denen?“

      Gero biss sich auf die Unterlippe, als hätte er ausgeplaudert, was er eigentlich verschweigen wollte. „Mit den durchgedrehten Braunen, die sich einmal im Monat im Wald in der alten Höhle treffen und was weiß ich ausbaldowern“, setzte er schulterzuckend nach.

      „Wo ist diese Höhle?“, wollte Mark mit dem Stift auf seinem handgroßen Spiralblock wissen.

      „In der Kronsbergheide.“

      „Weiter“, drängelte Mark.

      „Wenn Sie aus Lüneburg kommen, finden Sie sie am Ortseingang von Amelinghausen. Sie liegt nahe der B 209, dort, wo der Sagenhafte-Hühnen-Weg beginnt.“

      „Das ist schräg gegenüber dem Lopausee“, sagte Inka, dann: „Sie kennen die Mitglieder?“

      „Es sind vier in meinem Alter. Sie nennen sich Schwarze Sonne. Einer von ihnen lässt seinen Wagen bei uns reparieren. Und wie ich schon sagte: Kundengespräche sind ein Muss. Als er beim dritten Mal hier auftauchte, rückte er so langsam mit der Sprache raus. Erst dachte ich, er will mich anbaggern, aber dann … irgendwie kamen wir auf die Flüchtlingsflut zu sprechen und ich hörte gleich, dass er auf der nationalsozialistischen Schiene schwimmt. Als ich ihm sagte, dass wir uns auch nicht anders verhalten und vor dem Krieg fliehen würden, hörte er mit der braunen Scheiße gar nicht mehr auf. Unglaublich, mit welchem Müll der mich zugetextet hat.“ Gero warf Inka einen entschuldigenden Blick zu. „Ich wollte ihn nicht vergraulen, auch wir brauchen unsere Kunden, und wenn sich schlechter Service rumspricht …“ Gero Büchner zuckte die Schultern. „Das nächste Treffen ist übermorgen, das hat er mir noch gesagt und sogar gewartet, bis ich es auf meinem Kalender angestrichen hab.“ Gero wies mit dem Daumen über seine Schulter zu einem Kalender. Mit einem roten Kreis war der morgige Tag umrundet.

      Inka holte tief Luft und warf Mark einen genervten Blick zu. Das fehlte ihnen noch, dass Fritz recht behielt und sie es jetzt mit einer nationalsozialistischen Gruppe zu tun kriegten.

      „Ich hab ihn labern lassen und gesagt, ich würde mir seine Einladung durch den Kopf gehen lassen“, sagte Gero. Er beugte den Oberkörper vor und kramte in der untersten Schublade seines Schreibtisches. „Ich habe doch … hier“, sagte er und reichte Inka einen Handzettel über den Schreibtisch. Ein einfacher Papierflyer, auf dem eine rot gezeichnete Wegbeschreibung abgebildet war.

      „Wie heißt Ihr Kunde?“

      Gero Büchner druckste. „Jens Pohl.“

      „Und er wohnt?“ Mark sah Gero auffordernd an.

      „Muss ich nachsehen“, sagte Gero und tippte auf der Computertastatur. „Er wohnt in Oldendorf Luhe Totenstatt in der Straße Auf der Kalten Hude Nummer 2.“

      „Kennen Sie auch die Namen der anderen drei Mitglieder der Gruppe? Wo sie wohnen, arbeiten?“

      „Nein, tut mir leid, da kann ich Ihnen wirklich nicht weiterhelfen. Aber bitte, wenn Sie meinen Namen nicht erwähnen würden. Getratsche ist nicht gut fürs Geschäft.“

      „Das lässt sich machen. Für heute war es das. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, vielleicht ein Name“, Inka hob den Handzettel in die Luft, „dann rufen Sie uns bitte an.“ Sie schob ihre Karte neben das grüne Wähltelefon und stand auf.

      Hanna hatte einen deftigen Wurzeleintopf mit Schweinefleisch für ihre Feriengäste gekocht. Als Inka mit Mark auf dem Sundermöhrenhof ankam, war der Zwölflitertopf fast ausgelöffelt. Gerade noch zwei kleine Schöpfkellen füllten ihre Teller. Der

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