FriesenFlut. Nané Lénard

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FriesenFlut - Nané Lénard

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kommen nicht rein“, wandte Hinnerk ein.

      „Aber das kriegst du doch bestimmt hin“, war sich Lina sicher und Hinnerk brummte dazu. Damit hatte er zumindest nicht gelogen, obwohl er stark anzweifelte, das sechsstellige Passwort knacken zu können.

      Lina war vorerst zufrieden und steckte das Smartphone ein, das rotgolden in der Sonne geglänzt hatte. Dann hüpfte sie weiter und sang dabei. Hinter ihr ächzte Hinnerk in seinen warmen Klamotten. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man bei den Temperaturen noch herumspringen konnte wie ein junges Reh.

      „Nu hebb ick wat für di“, rief Lina zehn Meter weiter vorn.

      Hinnerk hörte beim Näherkommen ein Summen. Als er seine Angebetete erreicht hatte, sah er, dass sie auf einen Strohhut zeigte, der Hunderten von Fliegen als Sitzplatz diente, während sich andere bemühten, ihre Konkurrenten zu verdrängen. Lina versuchte, die Plagegeister mit ihrer Tasche wegzuwedeln.

      „Dat is doch noch een mojen Hood (schöner Hut )“, stellte Lina fest.

      „Mit disse Flegen?“, hakte Hinnerk verwundert nach.

      „Ja, seker! De Sünn brannst di. Dien Dööts is roodklöört!“, erwiderte Lina und zeigte auf seine knallrote Birne.

      Der Einfachheit halber wird der folgende Dialog in Hochdeutsch wiedergegeben.

      Hinnerks Gesichtsglut verfärbte sich wegen der Peinlichkeit noch dunkler. Sie hatte gesehen, dass ihm die Suppe hinablief.

      „Ach was“, widersprach er vehement, „das kommt nicht von der Sonne, sondern vom Bücken, wenn der Kopf nach unten hängt. Ich brauche keinen Hut.“

      Ärgerlich trat er nach dem fliegenübersäten Strohgeflecht und schrie auf. Die Kopfbedeckung hatte sich keinen Millimeter bewegt. Lediglich die Fliegen waren für einen Moment aufgeschwirrt, um sich in Sekundenschnelle wieder einen neuen Platz zu ergattern. Aber Hinnerk hatte sich gestoßen. Nun tat ihm zu allem Überfluss auch noch der Flunken weh.

      „Scheiße!“, brüllte er, ließ sich in den Sand fallen und rieb sich seine Zehen.

      Das sah so lustig aus, dass sich Lina bemühen musste, nicht zu grinsen.

      „Was hast du denn?“, fragte sie so besorgt sie konnte. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Strohhut so hart sein kann.“

      „Da muss ein Stein drunterliegen“, sagte Hinnerk mit verzerrtem Gesicht. Der Schmerz ließ nur langsam nach.

      Jetzt war Lina doch in Unruhe. Und dabei hätte sie fast gelacht. Sie hatte ihm Unrecht getan. Das wollte sie wieder gutmachen.

      „Warte“, erwiderte sie, „ich gucke mal nach. Und überleg dir, ob du ihn nicht doch aufsetzen solltest. Du bekommst sonst einen Sonnenstich.“

      „Hast du Angst, dass sie mir auch noch das letzte Bisschen Hirn wegbrennt, das der Alkohol übrig gelassen hat?“, fragte er spitz. Er hatte wohl bemerkt, dass ihre Sorge anfangs nicht echt war.

      „Wo denkst du denn hin“, konterte sie mit einem strafenden Blick.

      „Entschuldigung“, sagte er kleinlaut. Er wollte es sich wirklich nicht mit ihr verscherzen. „Das ist mir im Schmerz so rausgerutscht. Na gut, ich setze diesen hässlichen Hut auf, aber nur deinetwegen.“

      „Das machst du schön für dich selbst, Fischer Hinnerk, du Sturkopp“, schimpfte sie. „Von mir aus kannst du das Ding dann am Hafen in den Müll schmeißen und dir was anderes kaufen, wenn du es so dicke hast.“ Dabei wusste sie genau, dass das nicht so war.

      „Wir könnten ihn auch abwaschen und in der Sonne trocknen, vielleicht wird er dann wieder schön“, lenkte Hinnerk ein.

      Aber Lina zuckte nur mit den Schultern und wandte ihm den Rücken zu. Da fühlte er sich genötigt, zu dem blöden Hut zu hinken und ihn trotz des Fliegengewimmels vom Boden aufzuheben. Leider kam ein Glatzkopf anstatt eines Steins darunter zum Vorschein, der in Richtung Horizont blickte. Blicken war vielleicht zu viel gesagt, denn er konnte ja nichts mehr sehen. Nicht nur, weil er zu einer Leiche gehörte, sondern auch, weil da gar keine Augen waren. Hinnerk war heilfroh, dass Lina es nicht sehen konnte, aber sie war ihm längst gefolgt, weil er schon eine gefühlte Ewigkeit auf den Schädel stierte, von dem er nicht wusste, ob da unten noch was dranhing. Es war also unvermeidlich, dass Lina die leeren Höhlen sah, aufschrie und wie immer in Ohnmacht fiel. Die Fliegen ließen den Strohhut nun links liegen und nahmen direkt auf dem Objekt ihrer Begierde Platz.

      Oma Puschs Rat ist gefragt

      Die Temperatur war weiter gestiegen. Es trug nicht unbedingt zur Verbesserung der Situation bei, denn wie alter Fisch begann auch der Kopf in der Sonne einen üblen Geruch anzunehmen.

      Hinnerk, dem ebenfalls nicht allzu wohl im Magen war, ließ sich nichts anmerken und kümmerte sich rührend um Lina. Schließlich wollte er was von ihr. Da konnte er doch jetzt nicht als Schwächling dastehen. Leider bekam sie es nicht mit. Sie war immer noch nicht wieder bei Sinnen. Das war gut und schlecht zugleich. Um der Optik und dem Dunstkreis des Glatzkopfs zu entgehen, hatte er etwas Ungeheuerliches gewagt. Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, ob niemand in Sichtweite war, hatte er Lina bei den Füßen gepackt und die Angebetete fünf Meter weiter in Richtung Westen durch den Sand gezogen. Sie war schwer wie Blei, und ihre Arme zeigten jetzt nach oben. Schnell vergewisserte er sich, dass sie nicht auch tot war, aber zum Glück atmete sie noch. Hinnerk holte tief Luft. Er war schweißnass von der Anstrengung, aber auch, weil er von der Situation völlig überfordert war. Oma Pusch hätte gewusst, was zu tun wäre. Er musste sie anrufen, bevor jemand Wind von der Sache bekam.

      Doch Hinnerk hatte sich verrechnet, denn während er an Lina zog, waren Touristen über den Deich gekommen, die das merkwürdige Spektakel da unten am Strand gesehen hatten.

      „Hey, lassen Sie das“, schrie der Rentner und schwang seinen Stock. „Ich rufe die Polizei.“

      Seine Frau zeterte neben ihm und rang mit den Armen.

      Hinnerk blieb nichts anderes übrig. Er musste schnell weg, sonst würden sie ihn noch verdächtigen, etwas mit der Glatze zu tun zu haben. Aber vielleicht entdeckte die auch niemand, wenn er schnell den Hut wieder drüberstülpte, bevor er wegrannte. Um Lina würde sich schon jemand kümmern.

      Während der alte Mann vom Deich herabstolperte, setzte Hinnerk der Leiche wieder den Hut auf und schippte Sand über die Sache. Hunderte von Fliegen meuterten. Er hatte sie um Futter und Brutplatz gebracht. Dann floh der alte Fischer mit seinem einen kürzeren Bein so schnell er konnte. Dabei war er dem Rentner gegenüber im Vorteil, weil er den Weg über den gepflasterten Strandabschnitt wählte, während sich sein Verfolger erst mal durch den Sand kämpfen musste. Im Nu hatte er ihn abgeschüttelt und kam schließlich schweißtriefend an der alten Hafenkneipe „Dattein“ an, über der Lotti Esen alias Oma Pusch wohnte. Dort klingelte er Sturm, was dazu führte, dass sich die allseits bekannte Dame den Kopf in ihrem Alkoven stieß. Man hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Fluchend und noch nicht ganz wach wankte sie zur Tür, vor der ein Hinnerk stand, den sie beinahe nicht erkannt hätte. Er war nass und ächzte so sehr, dass er kein Wort herausbekam.

      „Hinnerk, du? Um diese Uhrzeit?“, fragte sie verwundert und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Er sah grässlich aus. „Moin, komm erst mal rein. Hast du gesoffen und bist anschließend ins Sieltief gefallen?“

      Der alte Fischer schüttelte den Kopf und keuchte. Er hatte seine Sprache immer noch

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